Werder Bremen:Helfer beim eigenen Untergang

Werder Bremen - SC Freiburg

Wie ein Geologe durfte Maximilian Philipp das Bremer Gelände erforschen, bevor er das 1:0 für den SC Freiburg erzielte.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Bremen bleibt auch gegen Freiburg ein Garant für Gegentore - der Zauber des Trainerwechsels ist verflogen.

Von Ralf Wiegand

Es ist ja immer schön, wenn eine Fußball-Mannschaft für irgend etwas steht. Dann erkennt man sie wenigstens an mehr als nur am Trikot - Dortmund am Tempo-Fußball, die Bayern am Ballbesitz, Darmstadt 98 an diesem geradezu guerillamäßigen Kampfgeist. Und Werder Bremen? "Werder", sagte Felix Wiedwald beinahe belustigt, "steht in den letzten Jahren für viele Gegentore." Dazu sollte man wissen, dass Wiedwald derzeit erster Torwart dieser bundesweiten Gegentor-Ikone ist.

24 Mal überwanden die Gegner in nur neun Spielen den losen Männerbund, der sich bei Werder Bremen Abwehr nennt, dreimal allein Aufsteiger SC Freiburg. Das 3:1 (2:0) brachte der Mannschaft von Christian Streich die ersten Auswärtspunkte der Saison, "endlich mal mutig" habe seine Elf gespielt, freute sich der Trainer. Wobei allzu viel Mut gar nicht vonnöten war, um den nahezu unbewaffneten Gegner auf Distanz zu halten. Die Bremer halfen, wie in finstersten Zeiten, bereitwillig mit beim eigenen Untergang. Erst ließen sie Maximilian Philipp wie einen Geologen das Gelände rund um den Strafraum erforschen, um die günstigste Position für den Schuss zum 1:0 zu finden; dann zog der Bremer Angreifer Ousman Manneh, 19, im Stile eines Textil-Fachmanns der Stiftung Warentest am Trikot des Freiburger Stürmers Karim Guédé - dummerweise im eigenen Strafraum, was einen Elfmeter zur Folge hatte. 0:2 Mitte der ersten Halbzeit, "dann wird's halt schwer", schnaufte Zlatko Junuzovic.

Der österreichische Mittelfeldspieler hob hernach zu einem längeren Vortrag an, der sich im weitesten Sinne mit Herz und Hirn befasste. Anlass dazu ist gegeben. Der Zauber, der dem Anfang innewohnte, also dem Trainerwechsel von Trainer Viktor Skripnik zu Alexander Nouri, ist schon wieder verflogen. Die 1:3-Niederlagen gegen die Aufsteiger Leipzig und Freiburg waren die Spiele sieben und acht gegen Bundesliga-Neulinge, die Werder nun nacheinander nicht gewonnen hat. Gegen nominell stärkere Gegner, wie zuletzt Leverkusen oder Wolfsburg, können die Bremer mehr von dem aufs Feld bringen, was sie derzeit ausschließlich auszeichnet: Mannschaftsgeist, Emotion, Kämpferherz - die Dinge eben, die ein Underdog braucht. Soll es mal mit weniger Aufwand gehen, also mit Köpfchen, geht es sicher schief.

So eine Mentalitätsmannschaft zu sein, referierte Junuzovic, "ist das schwerste überhaupt", jedes Spiel müsse Werder voll motiviert, mit vollem Einsatz angehen. Auch Clemens Fritz stellte fest, dass es mit weniger als der totalen Hingabe "einfach nicht geht". Werder kommt über Leidenschaft - Strategie, Taktik und Spielsystem sind nach wie vor nicht ausreichend vorhanden, um sich einen Gegner auch mal mit weniger Kraftaufwand zurechtzulegen. In der zweiten Halbzeit haben sie es noch mal versucht, mehr als das Anschlusstor durch Garcia, von Abrashi mit dem 3:1 gekontert, kam aber nicht heraus.

Sogar der SC Freiburg scheint da die geschultere Elf zu haben, "wir wussten genau, was uns in Bremen erwarte", sagte etwa Christian Günter, "Ziel war es, die fünf Bremer, die da vorne anlaufen, schnell zu überspielen", beispielsweise. Dann noch selbst ein bisschen auf die Wackelabwehr pressen, die mit hohen Bällen nicht reagieren kann, weil vorne derzeit kein Stürmer in der Lage ist, solche Bälle zu verarbeiten - und schon sieht der junge Aufsteiger auf dem Rasen viel reifer aus als der etablierte, viermalige deutsche Meister.

"Die Basis, die wir in den letzten Wochen gelegt haben, ist angekratzt, aber nicht zerstört", stellte Jung-Trainer Nouri, 37, ziemlich frustriert fest nach dem "ärgerlichsten Spiel, seit ich hier Trainer bin". Erstmals haben auch jene Spieler vollkommen enttäuscht, die er in die erste Elf eingebaut hat, der junge Manneh nicht nur wegen des Elfmeters, den er verursachte, sondern auch wegen vieler unbeholfener Szenen vor dem gegnerischen Tor. Und auch Izet Hajrovic fehlte die Dynamik der letzten Spiele, wie der ganzen Elf, weswegen das Publikum im Weserstadion nicht in Wallung geriet.

Zuviel fehlte diesmal, um die inzwischen recht gefürchtete spezielle Bremer Atmosphäre herzustellen. Und ohne das Hui-was-ist-denn-hier-los-Element ist Werder eben derzeit eine unterdurchschnittliche Mannschaft, die für viele Gegentore steht.

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