Werder Bremen - FC Bayern München:Klick in den Köpfen

Vor dem Gastspiel des FC Bayern wachsen bei Werder Bremen die Zweifel an den eigenen Fähigkeiten - zumal ein wichtiger Spieler ausfällt. Hoffnung macht allein ein Blick in die Historie.

Jörg Marwedel

Fast zehn Jahre hatte Werder Bremen einen Kapitän, der sehr erfolgreich im Geheimen gearbeitet hat. Einmal, kurz vor dem Ende seiner Karriere, ist Frank Baumann dann doch aus sich herausgekommen. Er hat den Mitspielern öffentlich vorgehalten, ihnen fehle der "unbedingte Siegeswille" und der "Erfolgshunger". Das war im September 2008, vor dem Auswärtsspiel beim FC Bayern.

Werder Bremen - FC Bayern München: Wenn es um Einsatz und Kampf geht, präsentiert sich Frings zumeist vorbildhaft.

Wenn es um Einsatz und Kampf geht, präsentiert sich Frings zumeist vorbildhaft.

(Foto: Foto: Getty)

Die Bremer, jahrelang der gefährlichste Rivale der Münchner und plötzlich schwächelnd, siegten 5:2. Es war einer der Höhepunkte der Vorsaison, die gleichwohl in der Bundesliga mit Rang zehn im Mittelmaß endete. Inzwischen ist Baumann Assistent von Klubchef Klaus Allofs, und sein Nachfolger Torsten Frings könnte nun, 16 Monate später, Ähnliches äußern. Stattdessen sagt Frings: "Vielleicht überschätzen wir uns. Vielleicht werden wir überschätzt. Vielleicht sind wir gar nicht so gut, wie viele sagen." Da klingen mehr Zweifel heraus als damals bei Baumann.

Jetzt geht es wieder gegen den FC Bayern, und erneut hoffen die Bremer auf eine Wende. Denn aus dem vermeintlichen Titelkandidaten, der in der Hinrunde inklusive aller Pokalspiele 23 Mal nacheinander ungeschlagen geblieben war, ist nach drei verlorenen Spielen ein Team geworden, dem erneut das Mittelmaß droht. "Die Gefahr besteht", sagt auch Allofs, zumal die Bremer am Samstag erneut auf Torjäger Claudio Pizarro verzichten müssen; der gerade erst von einer Verletzung genesene Peruaner hat Grippe. "Er steht uns nicht zur Verfügung", sagte Trainer Thomas Schaaf am Freitagabend.

Wenn seine Mannschaft ihr Potential nicht abrufe und neben ihrer durchaus bewunderten Schönspielerei nicht auch die Zweikämpfe annehme, findet Allofs, "dann spielt man eben um Platz acht oder neun". Oder, wie im vorigen Jahr, um Rang zehn. Ob da ein alternder Führungsspieler etwas ändern kann?

Macht's gegen die Bayern wieder Klick?

"Pfff", sagt Torsten Frings, "hör' mir doch auf mit dem Kapitän." Was heißen soll, dass er zumindest skeptisch ist in Bezug auf seine Kollegen. "Klar sagen alle, sie wollen Gas geben", meint der 33-Jährige: "Aber du weißt nicht, ob es wirklich Klick gemacht hat in den Köpfen."

Frings ist ja selber eines der Probleme, die Werder derzeit hat - auch wenn er die Niedergeschlagenheit nach dem vom Bundestrainer verfügten Ende seiner Nationalteam-Karriere mit guter Laune zu überspielen versucht. "Ein Rückschlag, eine große Enttäuschung für Torsten", kommentiert Allofs den Vorgang.

Selbst, wenn Frings sage, das beeinflusse ihn nicht, beschäftige er sich doch damit. Allofs hofft, dass Frings daraus "neue Motivation zieht, um den anderen zu beweisen, dass die Entscheidung falsch war". Ein anderer Führungsspieler, der "eine ähnliche Art und Weise wie Baumann hat" (Allofs), sei Per Mertesacker. Aber der 25-jährige Nationalverteidiger wachse eben erst in diese Rolle hinein.

Özils Gehalt würde verdreifacht

Das größte Problem der Bremer ist jedoch, wie in den Jahren zuvor, dass finanzkräftigere Klubs ihre besten Spieler haben wollen und damit eine Menge Unruhe erzeugen. So wie 2007, als der FC Bayern Miroslav Klose abwarb; wie 2008, als Juventus Turin um Frings buhlte; wie 2009, als Diego nach monatelangem Hin und Her nach Turin entschwand. Zuletzt hat zwar Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger gesagt, man habe noch keinen Kontakt zu Mesut Özil aufgenommen, dem begehrtesten deutschen Spieler.

Doch Allofs weiß ja nicht, wie viele internationale Beobachter den Spielmacher bereits gemustert haben; auch der Bremer Geschäftsführer kann nichts dagegen unternehmen, wenn Özil und sein Berater derzeit nicht über die Verlängerung seines 2011 auslaufenden Vertrages reden wollen - obwohl Werder bereit ist, das Gehalt zu verdreifachen.

Auch Aaron Hunt, 23, für den sich der HSV interessiert, hat mit Bremen noch keine Einigung erzielt. Und ob Trainer Thomas Schaaf seine gefragten Nationalspieler erreicht, wenn er sagt, er rate ihnen, "immer mal zur Seite zu treten und sich von außen anzuschauen, was das alles bedeutet", ist ungewiss.

Offen für strategische Partner

Allofs sagt zwar, Özils Entwicklung bei Werder sei noch nicht abgeschlossen, er erhält Unterstützung von DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, und beim Fachblatt kicker stimmten fast 55 Prozent von 11 000 Teilnehmern einer Befragung zu und meinten, Özil sei noch nicht reif für einen internationalen Topklub. Doch Özil, 21, muss wohl angesichts von Angeboten, die Werders Offerte noch einmal verdoppeln, sehr weit neben sich treten, um auch andere Aspekte sehen zu können.

Der FC Bayern, sagt Allofs, sei wirklich "eine andere Kategorie mit einem drei- bis vierfachen Budget". Eine "Stellschraube" aber könne sein, auch für Werder strategische Partner zu gewinnen, wie die Münchner, die Klubanteile an Adidas und Audi verkauften. "Wir sind sehr offen", sagt der Klubboss. Wenn man erneut die Qualifikation für die Champions League verpasst, müsste es am besten sehr schnell gehen. Denn sonst könnte das Mittelmaß dauerhaft Einzug in Bremen halten.

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