Werder Bremen:Faktencheck bei Wikipedia

Der Däne Thomas Delaney ist ein Glücksgriff für Werder Bremen - und zur eigenen Überraschung plötzlich ein Torjäger. Die Norddeutschen bestätigen durch ihren fulminanten 5:2-Sieg den Status als Angstgegner des SC Freiburg.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein defensiv ausgerichteter Mittelfeldspieler drei Tore in einem Auswärtsspiel schießt. Der "Man of the match" war am Ende eines netten Frühlingstages in Freiburg also schnell ausgemacht: Thomas Delaney, Werders Mann mit der Nummer 6, gelang dieses Kunststück beim völlig verdienten 5:2-Sieg in Freiburg, zu dem er die Tore zwei, drei und fünf beisteuerte (45./47./ 86.). Max Kruse (21.) und Fin Bartels (71., per Hackentrick) besorgten den Rest.

Wie man die heutige Spielergeneration so kennt, hatten sie ein Smartphone im Mannschaftsbus herumliegen, das die Fahrt zum Flughafen ein wenig verkürzte. Auf den Geräten lassen sich ja nicht nur nützliche Dinge wie Online-Pokern und Selfie-Knipsen erledigen, wie Delaney klar machte: "Ich muss jetzt erst einmal schauen, ob mein Wikipedia-Eintrag auf dem neuesten Stand ist", sagte der Däne, der erst im Winter von Kopenhagen nach Bremen gewechselt ist und seitdem die Werder-Fans in Verzückung versetzt. Ursprünglich wegen aller möglicher fußballerischer Qualitäten, aber nicht wegen einer Abschlussstärke, die ihm selbst bislang verborgen geblieben war. Nach eigener Aussage hat Delaney in den 25 Jahren seit seiner Geburt nicht einmal zwei Tore in einem Spiel geschossen hat - geschweige denn drei. "In der ersten Hälfte habe ich nicht einmal gut gespielt. Und am Ende war das wohl der großartigste Tag in meinem bisherigen Fußballer-Leben", sagte er.

Elf Pleiten in 17 Spielen: Bremen bleibt Freiburgs Angstgegner

Dass solche Feiertage vor Schwarzwald-Panorama stattfinden, scheint allerdings auch eine Art Naturgesetz zu sein. Schließlich hatte der Sportclub schon vor dem Anpfiff eine recht gruselige Bilanz gegen Werder in seinem Wikipedia-Eintrag stehen. Zehn von 16 Liga-Partien zu Hause waren verloren worden, viele davon in einer demütigenden Höhe. Insofern passte das 2:5, die elfte Niederlage im 17. Spiel.

So wie der Sportclub am Samstag auftrat, hätte er allerdings wohl gegen jede Mannschaft aus der ersten Liga verloren, außer vielleicht gegen die Mannschaft von Thorsten Frings, dem ehemaligen Bremer und derzeit zweit-prominentesten Bundesbürger aus Würselen. Doch auch Stürmer von Darmstadt 98 hätten Gelegenheiten wie beim finalen 2:5 dankend angenommen, als der Ball unter freundlicher Beobachtung der gesamten Freiburger Defensive durch den Strafraum segelte, ehe ihn Delaney mit einer Unaufgeregtheit einnicken konnte, als spiele man nach dem Training gerade ein wenig Fußball-Tennis.

Der Blick auf die Statistik war dann allerdings am Samstag genauso interessant wie der in die Wikipedia-Einträge der Spieler. Nur 33 Prozent Ballbesitz und sieben Torschüsse wies der Faktencheck für Bremen auf. Das zeugt von einer ziemlichen Effizienz vor dem Tor und von einem Spielstil, der mit dem aus der Ära von Johan Micoud oder Andreas Herzog nicht mehr viel zu tun hat. Unter Alexander Nouri liegen die Stärken der Werderaner in robustem Zweikampfverhalten und zielstrebigem Umschaltspiel, der lange Ball ist gern gesehenes Mittel zum Zweck. Wohlwissend, dass in der vordersten Reihe Spieler wie der wuselige Bartels warten, der mit seinem schicken Hackentrick-Tor das ästhetische Highlight des Tages lieferte. Oder eben Kruse, der nicht immer rundum den Eindruck eines Profifußballers erweckt, aber einen fantastischen Torinstinkt hat, dem auch mutmaßlich kohlehydratreichere Ernährung nicht viel anhaben kann.

Werder ist nun seit sechs Spielen ungeschlagen. Aus einer Mannschaft, die noch in der Vorrunde wie ein sicherer Abstiegskandidat wirkte, scheint zumindest ein solides Mittelklasseteam geworden zu sein. Für einen Klub, der noch vor gar nicht allzu langer Zeit in der Champions League spielen durfte, mag das nicht allzu glamourös klingen. Doch in Bremen weiß man ja schon lange, dass man zu den ersten Opfern der beklagenswerten Tatsache zählt, dass die Schere zwischen den reichen und den ärmeren Klubs immer weiter auseinandergeht. Da freut man sich schon, wenn man auch 2017/2018 nicht nach Sandhausen fahren muss.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: