Werder Bremen:Doppelt verkleidet

1. FSV Mainz 05 v Werder Bremen - Bundesliga

Erleichterung in eigener Sache: Werder-Trainer Alexander Nouri kann erst mal halbwegs in Ruhe weiterarbeiten. Rechts: Kapitän Clemens Fritz.

(Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Neue Taktik, neues Personal: Werder Bremen siegt in Mainz mit Chefkoch und Kopfballungeheuer in Personalunion.

Von Frank Hellmann, Mainz

Es ist guter Brauch beim FSV Mainz 05, sich immer wieder an die Ursprünge zu erinnern. Ohne die jecke Idee, mal an einem Rosenmontag einem gewissen Jürgen Klopp die Verantwortung zu übertragen, wären die Rheinhessen wohl nie zum etablierten Erstligisten geworden. Und so trällern die Zuschauer bei jedem Heimspiel voller Inbrunst die berühmte Liedzeile "Wir sind nur ein Karnevalsverein". Wenn es dann wirklich auf Fassnacht zugeht, wird alles noch lauter und bunter. Vor der Begegnung gegen den SV Werder (0:2) liefen erst Scharen von Narren ein, dann schwang eine Prinzengarde das Bein, ehe die Spieler in ihren Karnevalstrikots mit den bunten Ärmeln erschienen. Begrüßt wurden sie vom verkleideten Stadionsprecher Klaus Hafner mit einem lauten "Helau". Dumm nur aus Mainzer Sicht, dass der SV Werder sich an diesem Spieltag viel listiger kostümiert hatte.

Optisch sah bei den Gästen aus Bremen alles aus wie immer - grün-weiß halt -, aber selbst die mitgereiste Anhängerschaft rieb sich irgendwann verwundert die Augen: In welches Gewand waren die Hanseaten denn an diesem Nachmittag geschlüpft? Neues Personal (wieder mit Kapitän Clemens Fritz), neues System (4-4-2), neue Taktik (defensiv gut stehen) - und auf einmal war Werder tatsächlich nicht wiederzuerkennen, so stabil wirkte das Gebilde. Konnte das wirklich dieser Abstiegskandidat sein, der zuvor in 20 Bundesligaspielen nur ein einziges Zu-Null (beim 1:0 in Berlin) zustande gebracht hatte?

"Wir haben eine sehr disziplinierte Leistung abgerufen", konstatierte Alexander Nouri später nüchtern und lobte "einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, dem weitere folgen müssen und werden". Der Trainer wusste sehr wohl, dass ihn die plötzliche Verwandlung erst mal aus der Kritik brachte: Dem 37-Jährigen war im Grunde gar nichts anderes übrig geblieben, als die sinnfreien Experimente mit der Dreierkette einzumotten. Stattdessen passten nun zwei eng verzahnte Viererketten wie angegossen, wobei Kapitän Fritz und Winter-Zugang Thomas Delaney das laufstarke Bremer Herzstück bildeten.

Da kommt es den Bremern nun gar nicht gelegen, dass die neu erfundene Doppelsechs fürs Auswärtsspiel in Wolfsburg auseinanderbricht. Der eine (Fritz) fehlt wegen einer Gelbsperre, der andere (Delaney) bleibt noch bis Montag in Mainz im Krankenhaus, weil er sich neben einer Gehirnerschütterung noch eine Gesichtsfraktur zuzog, wie der Klub am Sonntag mitteilte. Delaneys Ausfall kommt zur Unzeit: Der 25-Jährige hatte erstmals auch Qualitäten als Freistoß-Torschütze offenbart (23.), nachdem Serge Gnabry unbehelligt das Führungstor köpfeln durfte (16.). Ein Kopfballungeheuer werde er zwar nicht mehr, versicherte Gnabry, merkte aber spaßeshalber noch an, dass ihn auch in dieser Hinsicht das olympische Turnier unter Anleitung des ehemaligen Kopfballungeheuers Horst Hrubesch weitergebracht habe.

Claudio Pizarro wurde diesmal keine Minute gebraucht

Nebenbei verriet der 21-Jährige noch, dass er sich als NBA-Fan seinen eigenartigen Torjubel von James Harden abgeschaut habe: Der Korbjäger der Houston Rockets mimt dabei den Chefkoch - und nun nahm Gnabry eben den imaginären Rührstab in die Hand.

Der ansonsten bei den Norddeutschen für solche Gesten und allerlei gute Laune zuständige Torjäger Claudio Pizarro wurde diesmal keine Minute mehr gebraucht. Nur noch ein Platz auf der Bank könnte bald auch dem fast gleichaltrigen Torwart-Oldie Jaroslav Drobny zugeteilt werden, denn Stellvertreter Felix Wiedwald hielt endlich einmal ohne Fehl und Tadel. "Warum soll ich nicht im Tor bleiben?" fragte der Keeper keck. Der 26-Jährige habe "Argumente geliefert", bestätigte auch Nouri. Hörte sich zumindest so an, als könne die Torwartdiskussion genauso schnell verstummen wie die Trainerdebatte.

"Der Trainer war nicht unser Thema. Wir hatten immer die Überzeugung, mit Alex aus dieser Situation herauszukommen", bemerkte Geschäftsführer Frank Baumann, wohlwissend, dass der Maßstab aus der Arena am Mainzer Europakreisel für den Rest der Spielzeit gelten muss. Baumann ist zudem um die Erfahrung reicher, dass in seinem Metier deutliche Worte nicht unbedingt schaden müssen. Die Ankündigung aus der Vorwoche, genau hinsehen zu wollen, wer noch würdig sei, das Werder-Trikot zu tragen, hatte offenbar gefruchtet. "Alle von vorne bis hinten" hätten jetzt diesem Standard entsprochen.

Aber genau wie Jungtrainer Nouri wollte auch der Manager-Novize nicht überschwänglich wirken. Nur weil im fünften Anlauf im neuen Jahr der erste Sieg gelang, wird an der Weser nicht gleich Karneval gefeiert. Baumann sagt: "Es ist ein gutes Gefühl, aber wir verfallen jetzt nicht in Euphorie." Da bleibt auch der SV Werder bei seinen Ursprüngen.

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