Werder Bremen:Bremer Weg oder Bremer Klüngel?

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Verantwortlich an der Weser: Sportdirektor Frank Baumann (links) und Aufsichtsratsvorsitzender Marco Bode. (Foto: imago/Nordphoto)
  • Bei Werder Bremen vertraut man traditionell am liebsten auf Leute von Werder Bremen.
  • Beim x-ten Neustart geht es deshalb nicht nur um den Klassenverbleib - sondern auch um die Klubphilosophie.
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Von Ralf Wiegand, Bremen

Neulich hat Marco Bode Schach gespielt, was an sich nichts Besonderes ist, denn Marco Bode hat schon Schach gespielt, als er noch Fußballer war. Seinem damaligen Trainer Otto Rehhagel hat das immer eine Mischung aus Respekt und Skepsis abgenötigt: Respekt, weil jemand so schlau ist, dass er Schach spielen kann; und Skepsis, weil man ja nie weiß, ob da noch genug Platz im Kopf für Fußball bleibt. Rehhagel soll zu ihm gesagt haben: "Marco, für Fußball interessieren Sie sich ja nicht. Sie spielen bei mir nur, weil meine Frau Sie mag und Sie Abitur haben." Das war, ganz Rehhagel, nett gemeint. Er mochte kluge Spieler, irgendwie.

Als Marco Bode, heute 48 Jahre alt und Vorsitzender des Aufsichtsrats von Werder Bremen, jetzt in Hamburg am Brett saß, hockte ihm der beste Schachspieler der Gegenwart gegenüber. Der Norweger Magnus Carlsen nahm es mit 13 Amateuren gleichzeitig auf, und der Weltmeister gewann alle 13 Partien. Bode gab sein Spiel nach 33 Zügen und einer besonderen Erfahrung auf: Wie es ist, "wenn man gegen Bayern München und Real Madrid gleichzeitig spielt".

Eine sportliche Geisterbahnfahrt

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Fußball-Firma Werder Bremen weiß also ziemlich genau, wie sich seine Kicker gerade fühlen müssen, nach elf Spielen ohne Sieg, mit vier Toren, einem Trainerwechsel und der bitteren Erkenntnis, dass dafür nicht Real Madrid und Bayern München gleichzeitig gegen sie antreten mussten. Sondern nur Augsburg, Frankfurt oder Freiburg. Nacheinander. Platz 17 und fünf Punkte Rückstand auf den rettenden 15. Platz sind das Ergebnis dieser sportlichen Geisterbahnfahrt, wie sie in Bremen so noch nie dagewesen ist.

"Man darf sich aber nicht in der Angst ertränken", sagt Marco Bode - und er meint das nicht nur bezogen auf das Spiel am Sonntag gegen Hannover 96.

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Bremen hat aber Angst. Zu oft seit dem Ende der goldenen Ära, mit Beginn dieses Jahrzehnts, ist es mit Werder gerade noch einmal gut gegangen, zu oft aber ist auch die Hoffnung auf eine Rückkehr ins Establishment der Bundesliga unerfüllt geblieben. Immer wieder verliebte sich das geduldige Publikum rasch in einen neuen Trainer, immer wieder kam nach dem Rausch der Kater: Robin Dutt verließ Bremen mit dem Image eines Schaumschlägers, Viktor Skripnik tanzte seinen "Skripniker" nur einen Sommer, und Alexander Nouri war das jüngste ungehaltene Versprechen. Ein bubenhafter, dynamischer Trainer, dessen Ideen für das Bremer Spiel aber auch nur waren wie Laub: Sie verwelkten schon im ersten Herbst.

Skripnik und Nouri waren, bevor sie in die Bundesliga aufrückten, jeweils Trainer der zweiten Mannschaft, der einzigen eines Bundesligisten, die in der dritten Liga spielt. Dass der neue Chefcoach Florian Kohfeldt, mit 35 Jahren noch einmal zwei Jahre jünger als Nouri, jetzt schon die dritte hausinterne Lösung bei Werder Bremen ist, sehen die Bremer Fans zusehends skeptisch. Früher hat der Verein das stolz den "Werder-Weg" genannt: möglichst vielen von denen im Verein Verantwortung zu übertragen, die wissen, wie dieser Verein tickt.

"Unaufgeregt, bescheiden und ambitioniert", so beschreibt Marco Bode das Profil, wobei klar ist, dass das sehr weiche Faktoren sind an einem ansonsten doch schon relativ gewöhnlichen Fußballstandort. "Zwei Drittel der Liga sind in einer ähnlichen Lage wie wir", sagt Bode. Klappt alles, wie bei den Bremern in der formidablen Rückrunde der Vorsaison, kann es fast für den Europacup reichen. Gehen zwei, drei Sachen schief, wie in dieser Hinrunde, geht es steil und schnell nach unten. Leistungsträger erreichten ihre Form nicht mehr oder waren verletzt, dazu das schwere Startprogramm, fehlende Erfolgserlebnisse, wachsende Verunsicherung: Es ist die typische Abwärtsspirale, in die fast jeder Verein geraten kann. "Schwer aufzuhalten", sagt Bode.

Aber was ist der Grund? Manche halten vor allem den Werder-Weg für einen Holzweg. Der heimische Weser-Kurier, die erste Zeitung am Ort, verglich die Ideologie des Vereins neulich sogar mit dem Sozialismus, samt Mauerbau und Schießbefehl: "Solche Irrwege gibt es auch in kleinerem Maßstab, und der Werder-Weg gehört offensichtlich dazu", kommentierte die Zeitung mit ungewohnter Wucht. Das Vertrauen darauf, dass Werder Lösungen in Werder-Manier findet, schwindet zumindest in der veröffentlichten Meinung zusehends.

Und so steht eben auch Marco Bode, Werder-Urgestein und mit 101 Treffern zweitbester Torjäger der Bremer Liga-Geschichte (hinter Claudio Pizarro, 104), mitten in der Kritik. Der von ihm geleitete Aufsichtsrat hat als Sportchef vor zwei Jahren Frank Baumann verpflichtet, wie Bode einer von sieben Ehrenspielführern des Vereins. Und unter dem Duo Bode/Baumann wurde in Kohfeldt nun der dritte vereinsinterne Trainer zum Chef befördert.

Bremer Weg oder Bremer Klüngel?

Bode hält die Debatte für verkehrt. "Wenn jemand unsere Philosophie kennt und sie vertritt, darf das kein Hinderungsgrund sein, ihn zu holen", genauso wenig wie sich Werder Impulsen von außen verschließen dürfe. Vereinsintern gilt Kohfeldt schon länger als cheftauglich, er steht mit Sportchef Baumann in engem Austausch, hat einst schon den Rausschmiss von Viktor Skripnik überlebt, dessen Co-Trainer er war. Der Klub hatte noch etwas vor mit ihm, jetzt weiß man, was. Die Abmachung ist die, sich zu Weihnachten "in die Augen zu schauen", sagt Marco Bode und dann zu entscheiden, ob es mit Kohfeldt weiter geht oder doch ein klassischer Retter her muss. Dass der Neue von Baumann mit der Bemerkung begrüßt wurde, es hätte "bessere" Trainer in dieser Situation für Werder gegeben, ist hausintern als Ungeschicklichkeit abgehakt, "humorvoll gemeint, aber schief gegangen", sagt Marco Bode.

Erfahrenere Trainer hätte es gewiss gegeben, aber das Ziel ist es, mit Kohfeldt womöglich jene Kontinuität auf dem Trainerposten wieder herzustellen, die Werder in erfolgreichen Zeiten immer ausgezeichnet hat: 14 Jahre Otto Rehhagel, 14 Jahre Thomas Schaaf - gemessen an diesen beiden Fixsternen sind die Trainer dazwischen und danach nur Sternschnuppen. Allerdings ist es ungleich schwerer als früher, langfristige Strategien zu entwickeln, wenn kurzfristig der Misserfolg dazwischen kommt. Bode hat das auch am Schachbrett erfahren, neulich in Hamburg. Gegen den Weltmeister wollte er es "kompliziert auf dem Brett halten und dabei kompakt stehen", sagte Bode, "aber dann wurde der Druck immer größer".

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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