Wenn Fußballer twittern...:Viel Kalkül, wenig Natürlichkeit

Fußballstars und Vereine nutzen die sozialen Medien vorwiegend zu Marketingzwecken. Bei "Verlängerung im Netz", einer Debatte beim Zündfunk-Netzkongress von BR und SZ, zeigte ein Ex-Profi, dass es auch anders geht.

"Guten Morgen", lautet der knappe Eintrag bei Facebook. Er ist garniert mit einem Foto, das Cristiano Ronaldo in einem makellos weißen Anzug zeigt. Fast 2,5 Millionen Fans gefällt das Bild, mehr als 106 Millionen haben es sehen können, zumindest theoretisch - so viele Fans hat der Fußballstar bei Facebook.

Ronaldo ist der wohl beliebteste Fußballspieler im Internet. Bloß: menschlich, oder gar sympathisch macht ihn sein Facebook-Eintrag an diesem Morgen nicht. "Wenn es ihm darum geht, mit einem solchen Bild seine Bekleidungslinie zu verkaufen, habe ich dafür volles Verständnis. Aber wenn er seinen Fans einfach nur 'Guten Morgen' sagen will, dann passt das nicht", sagt Ralph Gunesch beim Zündfunk Netzkongress, den der Bayerische Rundfunk und die Süddeutsche Zeitung am Freitag und Samstag im Münchner Volkstheater veranstaltet haben. Profifußballer Gunesch (29 Bundesliga- und 138 Zweitligaspiele), lange bei St. Pauli aktiv und bis zum Sommer als Innenverteidiger im Aufstiegskader des FC Ingolstadt im Einsatz, ist höchst aktiv bei Facebook und Twitter, hier als @Felgenralle. In den Äußerungen vieler Kollegen und Klubs in den sozialen Netzwerken, vermisst er etwas: Natürlichkeit. Stattdessen: Marketing und glattgeschliffene Botschaften allüberall.

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"Verlängerung im Netz": Fußballblogger Markus Herrmann, Moderator Journalist Lutz Knappmann (SZ), Ex-Profi Ralph Gunesch, Unternehmensberater Max Ost.

(Foto: twitter.com/uniwave)

"Nicht jeder Fan kann reflektieren", was die Vereine im Netz schreiben

Facebook, Twitter, Instagram und viele andere digitale Kanäle sind für die Kommunikation und Vermarktung von Fußballklubs und Spielern nicht mehr wegzudenken. Sie sind längst ein Garant für einen direkten Kontakt zu den Fans, den die klassischen Medien ihnen nicht bieten können. Immer größere Abteilungen in den Klub-Zentralen kümmern sich darum, dass die Botschaften bestmöglich transportiert werden. "Früher haben die Vereine die Medien gebraucht, wenn sie die Fans erreichen wollten. Das ist durch die sozialen Netzwerke weggefallen", sagt der Unternehmens-Berater Max-Jakob Ost. Nicht gerade zum Vorteil der Fans: "Weil ein Verein natürlich ganz anders über sich selbst berichtet, und das häufig im Gewand einer journalistischen Darstellung. Nicht jeder Fan kann das reflektieren", findet Ost, der als @GNetzer twittert.

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Wertvoll als Marke, wertvoll auf dem Platz: Christiano Ronaldo.

(Foto: Screenshot)

Was Klubs und viele Spieler in den sozialen Netzen posten, folgt meist den Mechanismen klassischen Marketings: "Die Fußballklubs engagieren sich auf Social Media, weil da ihre Fans sind, weil da ihre Kunden sind", sagt Ost. "Das eine ist die romantische, das andere die realistische Beziehung." Es geht darum, die Reichweite der jeweiligen Marke zu erhöhen, vor allem dort, wo noch Wachstum möglich ist - also fernab der hiesigen Fußballstadien. Viele Fußballklubs haben in den sozialen Netzen in China, dem Nahen Osten oder den USA bedeutend mehr Fans und Follower als in Deutschland. Und für die sind ihre Botschaften gedacht.

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Profifußballer Gunesch, bis zum Sommer im Aufstiegskader des FC Ingolstadt im Einsatz, ist unter @Felgenralle höchst aktiv bei Twitter.

(Foto: Screenshot)

"Der Marktwert eines Spielers bemisst sich eben nicht nur darüber, wie gut er spielen kann, sondern auch, wie gut er sich vermarkten kann", konstatiert Markus Herrmann, Gründer des Fußballblogs "Falsche Neun" und bei Twitter als @hermsfarm unterwegs. Nur haben die Botschaften, die dabei herauskommen, mit den Fans "in der Kurve" nicht mehr viel zu tun. "Den Fan, der Woche für Woche ins Stadion geht, den interessiert das nicht", sagt Gunesch. "In einem so emotionalen Geschäft wie dem Fußball kannst du nicht mit einem so kalten Kalkül arbeiten, wie du es im Marketingstudium lernst."

"Die Spieler liefern immer noch viel zu wenig"

In vielen Klubs, haben die drei Social-Media-Kenner beobachtet, werde genau darauf geschaut, was Spieler ins Netz stellten. Wenn sie es denn überhaupt selber posten: "Die Spieler liefern immer noch viel zu wenig. Weil es ganz oft nicht die Spieler selbst sind, die hinter den Accounts stecken", sagt Blogger Herrmann. Sondern ihre Berater oder die Social-Media-Abteilungen der Vereine. Und wenn sich Spieler mal nicht an die Regeln halten und allzu privates posten, sich politisch äußern oder öffentlich Kritik üben, ist die Aufregung groß.

Wie bei Borussia Dortmunds Mats Hummels, der vor wenigen Tagen ein Foto bei Twitter mit der Bemerkung "#Motzki" versah, um sich über die Debatte lustig zu machen, die er mit seiner Kritik an der eigenen Mannschaft nach der 1:5- Niederlage beim FC Bayern München ausgelöst hatte. Gunesch, Ost und Herrmann sind sich einig: Diese Aktion empfinden sie als sehr souverän. Als menschliches, authentisches Verhalten, das die Fans von den Spielern gerade erwarten. "Hummels ist einer der wenigen Spieler, die sich im Netz selbst zu Wort melden, und das auch kritisch", sagt Herrmann. "Es schadet weder ihm noch dem Verein", sagt Berater Ost. "Man kann durch einen solch souveränen Umgang nur gewinnen."

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