Wembley:England jubelt über unerlaubte Flugobjekte

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Ein besonders gelungenes Exemplar der Papierfliegerbauer auf der Tribüne segelt auf das Spielfeld. (Foto: Glyn Kirk/AFP)
  • Die englischen Fans reagieren auf die wenig inspirierenden Auftritte ihrer Nationalmannschaft mit dem Werfen von Papierflugzeugen.
  • Die Fifa verhing für die Aktion unlängst eine Strafe. Doch auch im Testspiel gegen die DFB-Elf segeln die Flugobjekte wieder.
  • Die Geldstrafe dürfte den englischen Verband aber kaum stören, denn mit den Ticketerlösen macht er einen großen Gewinn.

Von Sven Haist, London

Unter den Engländern, die für ihren eigenwilligen Humor bekannt sind, hat sich eine Witzelei verbreitet. Normalerweise ist es ja so, dass nach einem Spiel rund um das Nationalstadion sofort das Verkehrschaos ausbricht. Durch das Einzugsgebiet mit etwa acht Millionen Menschen in London lässt sich selbst das Wembley mit seiner Kapazität von 90 000 Zuschauern fast immer ausreichend mit Fußballfans besetzen. Zur Not füllen eben Touristen die freien Plätze auf, die bei ihrem Besuch auf der Insel darauf aus sind, von sich behaupten zu können, einmal an diesem historischen Ort ein Spiel gesehen zu haben.

Um dem Gedränge nach Abpfiff zu entgehen, hatten findige Leute deshalb mal die Idee, vorzeitig das Stadion zu verlassen, während die anderen Besucher noch blieben. Dieser Trick funktioniert allerdings bei den Spielen der englischen Nationalmannschaft nicht mehr, weil deren Auftritte schlicht keiner bis zum Ende sehen möchte. Wer also versucht, eine Ansammlung an Menschen zu meiden, so geht der Kalauer, muss sich den jeweiligen Auftritt Englands halt über die volle Distanz geben.

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Nach den abstoßenden Darbietungen in der WM-Qualifikation unterdrückte das Publikum nun bei Englands schlafförderndem 0:0 im Test gegen Weltmeister Deutschland mal wieder den eigenen Unmut über die ambitionslose Leistung. Statt das eigene Nationalteam auszupfeifen, haben sich die Leute mit dem trostlosen Zustand der Mannschaft um Trainer Gareth Southgate abgefunden und unterhalten sich nun selbst, was dem monotonen Gesprächsgemurmel im Stadion zu entnehmen ist. Die wenigen Ausschläge nach oben bei der Messung der Lautstärke haben selten mit dem Spielverlauf zu tun. Außer bei der Einwechslung des Fanlieblings Marcus Rashford (Manchester United), den Southgate statt im Sturm zunächst auf der Bank aufbot. Und in der letzten Minute der Nachspielzeit.

Doch weil Jesse Lingard (Manchester United) den Ball aus wenigen Metern freistehend über das Tor schoss, wurde gegen Deutschland nur gejubelt, wenn es einem der 81 382 Zuschauer gelang, das ausgedruckte Ticket in einen Papierflieger zu verwandeln, der es von der Tribüne aus auf den Platz schafft. Die Hinterlist an dieser Form der Beschäftigung ist, dass sich der englische Verband dafür verantworten muss. Vor ein paar Tagen ging bei der Football Association (FA) nämlich eine Verwarnung des Weltverbandes Fifa ein, nachdem im Oktober die Papierfliegerbauer im Heimspiel gegen Slowenien erstmals auffällig wurden. Um eine Geldstrafe dürfte die FA jetzt nicht mehr umhin kommen, zwölf Flugzeuge landeten ja für jeden sichtbar (und hörbar) auf dem Spielfeld. Mit ungefähr 4000 Euro hat die Fifa schon das Werfen von Feuerzeugen und Plastikflaschen des englischen Anhangs zuletzt in Litauen geahndet.

Seit der Eröffnung des Wembley im März 2007 hat England alle Länderspiele dort ausgetragen. Das macht es vielen Menschen auf der Insel nahezu unmöglich, die Spiele ihrer Nationalmannschaft im Stadion zu verfolgen. Das liegt an den ungünstig späten Anstoßzeiten sowie den Reise- und Ticketkosten.

Für das Duell mit Deutschland lagen die Kartenpreise, ausgenommen der Familientickets, zwischen 35 und 100 Pfund. Hochgerechnet auf die jüngste Auslastung liegen die Einnahmen für den Verband bei wohl mindestens vier Millionen Pfund. Der FA dürfte das gegenüber anderen Nationen die weltweit höchsten Zuschauererlöse pro Spiel einbringen. Von den vergangenen sieben Freundschaftsspielen fanden fünf im Wembley statt, die Gegner hießen mitunter Spanien, Portugal und Deutschland. Am Dienstag treffen die Three Lions erneut zu Hause auf Brasilien. Auf der Internetseite des Verbandes steht, dass das Spiel bereits ausverkauft sei.

Loftus-Cheek erfreut die Fans

Die Times rechnete der FA vor kurzem vor, dass sich die vergleichsweise hohe Anzahl an durchgeführten Testspielen negativ auf die Position in der Weltrangliste auswirkt. Tendenziell fällt nämlich die Punktzahl bei Erfolgen in Freundschaftspartien viel geringer aus als bei Pflichtspielen. Und bei der Wertung werden letztlich nicht die Zähler addiert, sondern ein Durchschnitt gebildet. Die Position im Tableau bestimmt etwa die Setzliste bei Turnieren und Qualifikationsgruppen. Bei der kommenden WM in Russland wird England auch deshalb mal wieder nicht als Gruppenkopf gesetzt sein. Ein Scheitern in der Vorrunde droht, wie das bei der WM 2014 der Fall war.

Die englischen Medien verzichteten nach dem torlosen Unentschieden auf einen Verriss. Ohne Ausnahme erfreuten sie sich an den Debüts einiger Talente. Mit lediglich 101 Länderspielen stellte Southgate ja die unerfahrenste Mannschaft auf seit dem Testspiel gegen Australien im Mai 1980. Der Höhepunkt des Spiels blieb dann entsprechend einem Debütanten vorbehalten. In einem Dribbling gelang es Ruben Loftus-Cheek von Crystal Palace, dem Tabellenletzten der Premier League, zwei deutschen Spielern den Ball durch die Beine zu spielen.

© SZ vom 12.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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