Weltcup in Ofterschwang:"Besser und besser"

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Erfahrene Fahnenträgerin: Mikaela Shiffrin nach ihrem Sieg in Ofterschwang. (Foto: Christophe Pallot/Getty Images)

Nach dem Gesamtweltcup gewinnt Mikaela Shiffrin im Slalom ihren 42. Weltcup und die Slalom-Gesamtwertung. Sie wird zur "lebenden Legende" erklärt. Aber ihre hohen Ziele haben auch eine Schattenseite.

Von Max Ferstl, Ofterschwang

Am Ende ließ sich Mikaela Shiffrin doch noch zu einer kleinen Extravaganz verleiten. Im Zielraum von Ofterschwang nahm sie eine amerikanische Fahne, schwenkte sie durch die Luft, legte sie sich über die Schulter. Wie eine Biathletin, die mit großem Vorsprung ins Ziel läuft. Dabei knipste sie ein unbeschwertes Lächeln an. Tatsächlich, in diesem Moment schien sich Mikaela Shiffrin für alle erkennbar zu freuen.

Als sie eine Viertelstunde zuvor über die Ziellinie gerauscht war, als sie den Slalom-Weltcup von Ofterschwang gewonnen hatte und damit auch die Slalom-Gesamtwertung, war alle Spannung aus ihrem Körper gewichen. Die Schultern: tief. Der Kopf: gesenkt. Shiffrin behält ihre Gefühle im Ziel eher für sich. Den Sieg des Gesamtweltcups hatte sie am Vortag knapp mit einer kurz geballten Faust quittiert. "Ich bin ziemlich langweilig", sagt sie. Dafür fährt sie sehr aufregend Ski, besser als jede andere in dieser Saison. Und wohl besser als irgendjemand in diesem Alter. Shiffrin ist noch immer erst 22, am kommenden Dienstag feiert sie Geburtstag. Und sie hat nun bereits 42 Weltcup-Siege errungen. Die Norwegerin Ragnhild Mowinckel, Siegerin im Riesenslalom am Freitag, hat sie zur "lebenden Legende" erklärt.

Diesen Status hat Shiffrin, die in Pyeongchang Olympia-Gold im Riesenslalom und Silber in der Kombination gewann, in diesem Jahr zementiert. Den Gesamt-Weltcup hat sie schon im vergangenen Jahr gewonnen. Und obwohl niemand ernsthaft bestreiten würde, dass sie schon damals die beste Skifahrerin war, gab es doch einen Zweifler: Mikaela Shiffrin. "Manchmal hat es sich fast so angefühlt, als hätte ich den Gesamtweltcup nicht verdient", sagte sie zu Saisonbeginn. Schließlich hätten die größten Konkurrentinnen verletzt gefehlt, oder wie Tina Maze ihre Karriere beendet. In diesem Jahr waren alle dabei, das Ergebnis blieb dasselbe, nun fühlt es sich richtig an. "Es war eine unglaubliche Saison. Es gab Phasen, da dachte ich es würde jeden Tag besser und besser werden."

Das war vor allem zu Saisonbeginn der Fall. Shiffrin gewann Slaloms und Riesenslaloms und - erstmals in ihrer Karriere - eine Abfahrt in Lake Louise. Sie will ja nicht mehr nur in den technischen Disziplinen siegen. Sie will auch in den schnellen Wettbewerben, der Abfahrt und dem Super G, in die Weltspitze vorstoßen - kein ungefährliches Spiel. Im Slalom sind flinke, schnellkräftige Schwünge gefragt, in der Abfahrt zählt Ausdauer. Beides erfordert jeweils sehr unterschiedliches Training. Es ist kein Zufall, dass sich die meisten Fahrerinnen auf zwei, höchstens drei Disziplinen spezialisieren. Doch Shiffrin ist keine gewöhnliche Fahrerin. Sie kann zwei Welten vereinen, die nicht zueinander passen. Allerdings nicht, ohne Opfer zu bringen.

"Es ist sehr schwer, das Energielevel hochzuhalten"

Zum einen ist im Slalom, ihrer Parade-Disziplin, die Konkurrenz näher gerückt. Vorbei sind die Zeiten, als Shiffrin mehr als drei Sekunden zwischen sich und die anderen packen konnte. Das war auch in Ofterschwang offensichtlich. Die Schweizerin Wendy Holdener rückte bis auf neun Hundertstelsekunden heran und stellte in einer Mischung aus Genugtuung und Enttäuschung fest: "So nah war ich noch nie bei ihr." Shiffrin sagte: "Sie wird mich irgendwann kriegen." Auch wenn es natürlich noch immer reicht, um die Disziplin-Wertung zu gewinnen. Vor dem Weltcupfinale am kommenden Wochenende in Are liegt Shiffrin nun uneinholbar vorne.

Zum anderen setzt ihr die höhere Belastung zu, die mit mehreren Rennstarts einhergeht. Im Januar durchlitt Shiffrin ein Tief. Sie war müde, körperlich und geistig. Vor Olympia erreichte sie bei drei Rennen nicht das Ziel. "Es ist sehr schwer, das Energielevel hochzuhalten", gab sie in Ofterschwang zu. Nach ihrem dritten Platz im Riesenslalom am Freitag ließ sie sich für die offizielle Siegerehrung in Sonthofen entschuldigen - und schickte stattdessen ihre Pressesprecherin.

"Ich bin 22, aber manchmal fühle ich mich wie 80", sagte sie am Samstag. Es war ein Scherz, der einen ernsten Kern enthielt. Shiffrin braucht sehr viel Training, um sich wohl zu fühlen und den Druck zu beherrschen, den sie näher an sich heran lässt als die anderen. Sie werde in der kommenden Saisonvorbereitung wohl ein paar Dinge verändern, um auch in den späteren Rennen Kraft zu haben. Nach allem sei das nun die größte Herausforderung: "Dass ich die Saison mit Feuer beende."

© SZ vom 11.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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