Weltcup-Finale im Ski Alpin:Scharfe Kritik an Österreich

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Felix Neureuther (links) sah als Zweiter neben seinem Kumpel Marcel Hirscher und dessen Trophäe nicht ganz so freudig aus wie sonst. (Foto: Barbara Gindl/dpa)

Das sei einer der Gründe, "warum so viele den ÖSV nicht mögen": Der Slalom-Kurs des österreichischen Trainers beim Weltcup-Finale bringt die Konkurrenz auf. Felix Neureuther ist wütend. Am Ende gratuliert er dem Sieger Marcel Hirscher - und hört insgesamt sechs Mal die österreichische Hymne.

Von Michael Neudecker, Lenzerheide

Rauf aufs Treppchen, lächeln, winken, Hirscher gratulieren, der österreichischen Hymne zuhören, wieder runter, warten. Noch mal rauf, noch mal lächeln, winken, noch mal Hirscher gratulieren, noch mal der österreichischen Hymne zuhören, dann Fotos, fertig: So ging die alpine Skisaison für Felix Neureuther am Sonntag in Lenzerheide zu Ende. Der Sport ehrt seine Sieger gerne, Siegerfotos lassen sich gut in Sponsorenbroschüren und auf Websites platzieren, und natürlich mögen auch die Sportler diese Ehrungen: Das ist der Moment, für den sie sich das ganze Jahr über quälen.

Siegerehrungen sind etwas Schönes.

Wenn man gewonnen hat.

Wenn man Felix Neureuther ist, ein aufwühlendes Wochenende hinter sich hat, ein aufgeheiztes Duell gegen den Österreicher Marcel Hirscher, sind Siegerehrungen, die auch noch zwei Mal hintereinander stattfinden, nicht so schön.

Es liegt in der Natur der Sache, dass am letzten Tag der Saison viele Siegerehrungen stattfinden, die Gesamtbesten werden geehrt, die Disziplinbesten, die Tagesbesten, und so weiter. Es liegt außerdem in der Natur der Sache, dass bei Alpin-Siegerehrungen oft die österreichische Hymne gespielt wird, allein am Sonntag erklang sie in Lenzerheide sechs Mal.

Weltcup-Slalom
:"Sie haben versucht, mich zu zerstören"

Es hat nicht gereicht zum Gewinn der kleinen Kristallkugel für den Besten im Slalom-Weltup: Felix Neureuther muss beim Finale in Lenzerheide Marcel Hirscher in der Gesamtwertung an sich vorbeiziehen lassen. Vor allem die Kurssetzung im ersten Lauf verärgert den Deutschen.

"Die Österreicher", sagt Neureuther, als er im Zielraum steht, "müssen endlich mal akzeptieren, wenn auch mal ein anderer Skifahrer schneller ist." Das Rennen ist da schon vorbei, Felix Neureuther ist immer noch verärgert.

Nicht, weil er gerade gegen Marcel Hirscher verloren hat, das macht Neureuther nicht wütend, sondern "traurig", wie er sagt. Er ist als Führender im Slalom nach Lenzerheide gekommen, nie war der Gesamtsieg in seiner Disziplin so nahe wie jetzt, nie war ein Titel so greifbar für Neureuther wie an diesem Sonntag. Dann aber machte er einen Fehler zu viel, er wurde Zweiter.

Hirscher machte einen Fehler weniger, er gewann das Rennen und die Disziplinwertung. "Marcel ist der beste Slalomfahrer der Welt, er war auch heute wieder besser als ich", sagt Neureuther in sachlichem Ton, er will sich keinesfalls nachsagen lassen, dass er ein schlechter Verlierer ist. Er ist ja das Gegenteil: ein so anständiger und fairer Sportsmann, wie es im Leistungssport wenige gibt.

Aber er kommt dann nicht daran vorbei, noch mal auf die Sache mit dem ersten Durchgang einzugehen. "Das ärgert mich", sagt Neureuther. Der erste Durchgang des Slaloms von Lenzerheide war so ungewöhnlich, so sonderbar, dass nachher alle darüber redeten.

"Da ist so ein dummer Wettkampf einiger Weltcup-Trainer am Laufen: Wer setzt den lächerlichsten Kurs?", sagte Ted Ligety. "Das ist nicht fair, so für seinen Läufer zu setzen", sagte Alexis Pinturault. "Es ist merkwürdig, das so zu machen", sagte Axel Bäck. "Wie kann man nur bei den Pistenverhältnissen so einen Slalom setzen??!! Das ist keine Werbung für unseren Sport!", schrieb Hannes Reichelt, Hirschers Teamkollege, zu Hause vor dem Fernseher via Facebook. Und schließlich sagte Günter Hujara, der Rennleiter des Ski-Weltverbandes Fis, der am Sonntag seinen letzten Einsatz hatte: "Wenn Leute nicht mehr verstehen, um was es geht, dann ist das nicht produktiv, so machen wir uns lächerlich. Solche taktischen und strategischen Kurssetzungen schaden unserem Sport."

Man kann sagen, dass im Zielraum von Lenzerheide eine gewisse Aufregung zu spüren war nach dem ersten Durchgang am Sonntagvormittag.

Für den ersten Durchgang des finalen Slaloms der Saison war Mike Pircher ausgelost worden, der beim Österreichischen Skiverband (ÖSV) angestellte Individualtrainer Hirschers. Es fiel Schneeregen am Sonntagmorgen in Lenzerheide, die Bedingungen waren schwierig - es war klar, dass die Startnummer eine große Rolle spielen würde. Pircher steckte die Tore dann so, dass die Läufer ungewöhnlich weite Kurven fahren mussten, so dass sich schon nach dem ersten Läufer tiefe Furchen bilden würden, und weil es für weite Kurven nur eine Ideallinie gibt, war es ab Startnummer zwei ein sehr schwieriges Rennen. Hirscher hatte Nummer eins.

"Sie haben versucht, mich zu zerstören"

"Eine Frechheit", sagte Neureuther nach dem Lauf, das sei einer der Gründe, "warum so viele den ÖSV nicht mögen". So eindeutig für seinen Läufer zu setzen, sei in höchstem Maße unsportlich, "sie haben versucht, mich zu zerstören", aber das, fügte er in sarkastischem Ton an, "ist ihnen nicht gelungen". Neureuther war mit Nummer drei gefahren, er lag sechs Hundertstelsekunden hinter Hirscher. Auf Rang drei lag der Österreicher Mario Matt, der Olympiasieger von Sotschi, Startnummer sieben. Mit 1,03 Sekunden Rückstand.

"Der Felix ist wahrscheinlich verärgert, weil er einen Fehler im Lauf hatte", sagte der ÖSV-Sportchef Hans Pum.

Schon am Samstag hatte es Ärger zwischen den Österreichern und den Deutschen gegeben: Im Riesenslalom fuhr Neureuther auf Rang drei, er war eine Hundertstelsekunde schneller als Hirscher, der deshalb die Riesenslalom-Kugel noch an Ted Ligety verlor. Danach protestierten die Österreicher gegen Neureuther wegen einer angeblich falsch beschaffenen Schaufel seines Skis, der Rennleiter Hujara lehnte den Protest aber zügig ab.

Marcel Hirscher und Felix Neureuther kommen gut miteinander aus, beide betonten, das Wochenende ändere daran nichts. "Der Marcel steckt ja den Lauf nicht", sagt Neureuther. "Wenn der Trainer die Chance hat, für seinen Athleten zu setzen, dann macht er das", sagt Hirscher, "egal, welcher Trainer, egal in welcher Disziplin." Daher müsse sich vielmehr die Fis überlegen, das Reglement zu ändern; derzeit ist die Bandbreite, innerhalb derer der Kurs gesteckt werden darf, so groß, dass die Kurssetzungen extrem variieren. "Das muss anders werden", sagt Hirscher, und Neureuther schlägt vor, künftig einen neutralen Kurssetzer zu nominieren, "dann gibt es solche Diskussionen nicht mehr".

Auf Diskussionen aber hat Felix Neureuther nun ohnehin keine Lust mehr, er geht jetzt noch mal Ski testen, dann hat er Urlaub. Länger Urlaub: Er will darüber nachdenken, wie er kommende Saison weitermacht. Dass er weitermacht, steht für ihn außer Frage, "aber ich weiß nicht, ob ich noch mal diesen Aufwand betreiben will wie bisher". Die Saison war lang, Felix Neureuther hat jetzt erst mal genug.

Als er zum Auto geht, ist gerade die fünfte Wiederholung der österreichischen Hymne zu Ende. Es läuft dann Rainhard Fendrich: "I am from Austria."

© SZ vom 17.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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