Wechselgerüchte in der Formel 1:Zwei Hähne in einem Hühnerstall

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Das Titelrennen in der Formel 1 spitzt sich in den letzten vier Saisonrennen auf das Duell Sebastian Vettel gegen Fernando Alonso zu. Das Gerücht, sie beide könnten bald gemeinsam für Ferrari fahren, kommt in der entscheidenden Phase keinem recht. Am Montag dementierten alle Parteien die Gerüchte aufs Heftigste.

Elmar Brümmer und René Hofmann

Zehn Zylinder in der Formel 1
:Ententanz in Südkorea

Sebastian Vettel überholt in Südkorea Fernando Alonso in der Gesamtwertung und gönnt sich ein paar Drinks, sein Cheftechniker sorgt lieber gegen die Schampus-Dusche vor. Ein Rapper versucht, ein wenig Glamour an die Strecke zu bringen und ein Japaner avanciert zum neuen Crash-Piloten. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes in der Kolumne Zehn Zylinder.

Saskia Aleythe und Jonas Beckenkamp

"Ich habe in den letzten 20 Jahren immer gesagt, dass ich nicht zwei Hähne in einem Hühnerstall haben will": Kein anderer Formel-1-Rennstall pflegt so gerne so bunte Sprachbilder wie der älteste. Mit dem Vergleich aus dem Tierreich reagierte einen Tag nach Fernando Alonsos drittem Platz beim Großen Preis von Südkorea Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo auf eine Meldung des britischen Senders BBC.

Der Kanal, der die Rennen der Königsklasse im Königreich ausstrahlt und in der Szene durchaus über etliche gute Kontakte verfügt, hatte berichtet, 2014 könnte für das italienische Team ein Dream Team auflaufen: Sebastian Vettel, der mit dem Auto, das ihm der Getränkehersteller Red Bull baut, in den vergangenen zwei Jahren den WM-Titel eingefahren hat und der am Sonntag mit seinem Sieg in Yeongam die WM-Führung an sich riss, bereite einen Wechsel vor.

Vertraglich ist Vettel bis Ende 2014 an seinen derzeitigen Arbeitgeber gebunden. Doch es soll eine Ausstiegsklausel geben. Diese, so will die BBC nun von einer nicht genannten Quelle im Ferrari-Team erfahren haben, könnte bereits Ende 2013 wirksam werden - falls der Rennstall in der kommenden Saison gut genug ist.

Das Szenario taucht nicht zum ersten Mal auf. Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz hat Vettel mehrmals in Aussicht gestellt: Falls die Ergebnisse nicht mehr stimmen, dürfe er ziehen. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo und Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali haben Vettel mehrmals öffentlich Rosen gestreut. Und Vettel selbst hat aus seiner Zuneigung zu dem Traditionsteam auch nie einen Hehl gemacht.

Am Montag dementierten alle Parteien die Gerüchte trotzdem aufs heftigste. Montezemolo sagte einem Radiosender: "Ich will keine zwei Stars, denn ich will keine Probleme und Rivalitäten, weil das Spannungen und Unausgeglichenheit im Team verursacht." Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko ließ über die Bild-Zeitung mitteilen: "Das sind Unwahrheiten." Vettels Sprecherin richtete der Nachrichtenagentur dapd aus: "Diese Meldung ist nicht korrekt." Selbst die BBC holte bei Red-Bull-Teamchef Christian Horner eine Gegenmeinung zu ihrer eigenen Geschichte ein: "Ohne den geringsten Zweifel wird Sebastian 2014 Teil des Red-Bull-Teams sein." Viel Lärm um nichts also? Nicht unbedingt.

Einiges lässt sich aus der großen Aufregung durchaus ablesen: Das Fahrerkarussell ist gerade mächtig in Schwung. Fernando Alonsos derzeitiger Beifahrer, der Brasilianer Felipe Massa, würde seine Karriere gerne bei Ferrari fortsetzen. Weil dem 31-Jährigen nach einer Durststrecke zu Saisonbeginn zuletzt zwei Achtungserfolge glückten - in Japan wurde er Dritter, in Südkorea Vierter - und er sich jederzeit an die Stallorder hielt und Alonso nicht in die Quere kam, gilt es inzwischen auch als wahrscheinlich, dass er dies tun darf. Bestätigt ist der Deal aber noch nicht.

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Mit drei Jahren im Bambini-Kart, mit 27 im Ferrari: Der Wechsel zum italienischen Rennstall ist für Sebastian Vettel die Erfüllung eines Traums. Stationen eines rasanten Lebens.

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Viele begehrte Arbeitsplätze gibt es ohnehin nicht mehr. Red Bull setzt mit Vettel und Mark Webber 2013 auf Konstanz, Mercedes hat sich als Michael-Schumacher-Ersatz für den Platz neben Nico Rosberg Lewis Hamilton geangelt. Als Ersatz für den Briten hat McLaren den Mexikaner Sergio Perez von Sauber verpflichtet. Bei dem aktuellen Mittelklasse-Team bekommt dafür aller Voraussicht nach der bisherige Force- India-Fahrer Nico Hülkenberg eine Chance. Damit stehen die Schlagzeilen-Kandidaten für 2013 weitgehend fest.

Bald gemeinsam in einem Team? Derzeit kämpfen Sebastian Vettel und Fernando Alonso um den WM-Titel. (Foto: dpa)

Auf wen das Titelrennen in diesem Jahr hinauslaufen wird, ist spätestens seit diesem Sonntag auch klar: Theoretisch haben noch sechs Fahrer WM-Chancen, im Grunde geht es aber um ein Duell - Vettel (215 WM-Punkte) gegen Alonso (209); vier Rennen stehen noch aus. In einer derart angespannten Situation können keinem der beiden die Gerüchte über ein künftiges Miteinander gelegen kommen. "Wir müssen auf uns schauen, nicht auf die anderen. Wir dürfen da keine Energie verschwenden", forderte Vettel am Sonntag in Südkorea.

Dem 25-Jährigen muss es darum gehen, die Konzentration in der Mannschaft hochzuhalten. Nach etlichen Malaisen läuft seine Maschine gerade sehr gut, in Yeongam glückte ihm nach den Triumphen in Singapur und in Suzuka nicht nur der dritte Sieg in Serie. Sein Teamkollege Mark Webber wurde zudem Zweiter - der erste Doppelerfolg für ein Team in diesem Jahr. Damit, glaubt Red-Bull-Motorsportdirektor Helmut Marko, sei wieder der alte Geist in die Garage zurückgekehrt: Man vertraue sich und der eingesetzten Technik wieder. In so einer Phase kann jedes Gerücht über Trennungsgedanken wie Beziehungsgift wirken.

Auch bei Ferrari gibt es wenig Anlass, die Gedanken auf der Arbeitsebene allzu weit in die Zukunft schweifen zu lassen. Dafür gibt es zu viel zu tun. Bei der stolzen Scuderia gibt es Entwicklungsbedarf, wenn Alonso im Titelrennen bleiben soll. In drei Rennen hat er 45 Punkte auf Vettel verloren. In Südkorea war der Ferrari etwa 0,2 Sekunden pro Runde langsamer als der Red Bull - das ist viel. Dass es trotzdem noch für einen Podiumsplatz reichte und es der Mannschaft in der Konstrukteurswertung gelang, an den Rivalen von McLaren vorbeizuziehen, wird allerdings als Hoffnungszeichen gewertet.

"Wer glaubt, dass uns der Verlust von Fernandos WM-Führung moralisch schwächt, der macht einen großen Fehler", sagt Teamchef Stefano Domenicali, der von einer "noch langen Weltmeisterschaft" spricht. 100 Punkte werden in den kommenden sechs Wochen noch vergeben. Um den Druck aufs Team etwas zu mildern, spielt Fernando Alonso den Technik-Nachteil, unter dem er aktuell leidet, öffentlich routiniert herunter: "Für mich ist das nichts Neues. Das geht schon die letzten fünf Jahre meiner Karriere so", sagt der Champion der Jahre 2005 und 2006.

"Vier wunderschöne Rennen" sieht er für sich und die Seinen in Indien, in Abu Dhabi, in Austin/Texas und in Sao Paulo heraufdämmern. Denn: "Wir haben vielleicht nicht das schnellste Auto, aber das stärkste Team", behauptet der Ferrari-Fahrer.

© SZ vom 16.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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