Wechsel nach England:Horrende Ablösen - Xhaka ist nur der Anfang

Lesezeit: 3 min

Plötzlich 45 Millionen Euro wert: Granit Xhaka. (Foto: AP)

Für unglaubliche 45 Millionen wechselt Granit Xhaka aus Mönchengladbach in die Premier League - weitere Bundesligaspieler werden ihm folgen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Granit Xhaka ist so der Typ Lausbub. Der 23-Jährige hat immer einen Spruch auf den Lippen und ein freches Grinsen im Gesicht. Wer es nicht besser wüsste, der würde nicht glauben, dass dieser Bursche jetzt offiziell der teuerste Schweizer Fußballer der Geschichte ist. Fußballer - das ist wie in der Kunst - sind immer so viel wert, wie jemand zu zahlen bereit ist. Ob der gebürtige Basler, Sohn albanischer Eltern, wirklich knapp 45 Millionen Euro wert ist, mag man diskutieren. Der FC Arsenal aus London jedenfalls ist bereit, diese kolportierte Summe für den defensiven Mittelfeldspieler an Borussia Mönchengladbach zu überweisen.

45 Millionen: Das ist mehr als doppelt soviel wie jene 18 Millionen Euro, die der SSC Neapel vor fünf Jahren für den Schweizer Gökhan Inler an Udinese Calcio bezahlt hat. Dass Xhaka, der vier Jahre in Gladbach gespielt und sich unter Trainer Lucien Favre zu einem energischen Spielführer entwickelt hat, unter der Last dieser Summe zerbricht, braucht niemand zu befürchten. Er leidet nicht unter Selbstzweifeln. "Ich bin eher so der Typ, der überhaupt keine Angst hat", hat er mal gesagt.

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Der 23 Jahre alte Gladbacher Mittelfeldspieler wird nun Teamkollege von Mesut Özil und Per Mertesacker. Er soll der Borussia eine Rekordablöse bescheren.

"Ich war überrascht"

Aber wer wollte auch ängstlich in ein Land ziehen, in dem Milch und Honig fließen? Umgerechnet 2,3 Milliarden Euro pro Saison erhält die Premier League aus dem Fernsehvertrag, der ab kommender Saison einsetzt. Das ist ein Wertzuwachs von 70 Prozent. "Ich war überrascht", sagte sogar Ligachef Richard Scudamore nach Vertragsabschluss. Welche Folgen es hat, dass selbst der schwächste Premier-League-Klub noch mehr TV-Geld erhält als hierzulande der FC Bayern, das wird die Bundesliga in diesem Sommer erst richtig zu spüren bekommen.

Jene 41 Millionen Euro, die der FC Liverpool vor einem Jahr für den Brasilianer Roberto Firmino nach Hoffenheim bezahlte, waren bloß ein Anfang. Schon jene etwa 75 Millionen Euro, die Manchester City kurz darauf für den Belgier Kevin De Bruyne an den VfL Wolfsburg überwies, haben die Summe relativiert.

Xhaka nun markiert in dieser Reihe gleichwohl eine qualitative Ausnahme. Der Gladbacher, der vergangene Saison eine rote Karte, zwei gelb-rote Karten und eine weitere Spielsperre wegen fünf gelber Karten erhalten hatte, ist wohl einer der besseren Bundesliga-Spieler auf der Sechser-Position im defensiven Mittelfeld - aber nicht der beste. Er wird bisweilen Opfer seiner Emotionen. Insofern dürfte auch Gladbachs Manager Max Eberl überrascht gewesen sein, wie viel die Londoner zahlen, bevor Xhaka 2017 für eine feste Ausstiegsklausel und geschätzte zehn Millionen Euro günstiger zu haben gewesen wäre.

Doch die Premier-League-Klubs müssen sich nun mit ihrem vielen Geld eine Early-Bird-Mentalität aneignen. Der frühe Vogel fängt den Wurm - koste es, was es wolle. Wer in der Sorge ums Geld zu lange zögert, muss sich später am Ramschtisch bedienen. Und dazu darf man die Bundesliga nicht zählen. Folglich droht in diesem Sommer eine Rekordzahl von Bundesligafußballern ins gelobte England zu wechseln.

Bisher sind erst fünf weg, aber es ist ja auch erst Mai: Xhaka zum FC Arsenal, der Mainzer Torwart Loris Karius und Schalkes Verteidiger Joel Matip zu Jürgen Klopps FC Liverpool, Gladbachs Verteidiger Havard Nordtveit zu West Ham United und Dortmunds Spielmacher Ilkay Gündogan wohl zu Manchester City. Die EM wird eine weitere Welle auslösen, und das Transferfenster schließt erst Ende August.

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Weitere wilde Gerüchte

In dieser Gemengelage avanciert die Gerüchteküche zur Großkantine. US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann wird als Kandidat beim FC Everton gehandelt, Stuttgarts Wirbelwind Filip Kostic wird bei Leicester City und dem FC Southampton diskutiert, für Dortmunds Henrikh Mkhitaryan interessiert sich wohl der FC Chelsea. Lockt erst einmal ein Premier-League-Klub, werden Klub und Spieler schnell schwach. Allenfalls schmückendes Beiwerk der Gehaltsexplosionen sind rührselige Anekdoten der Profifußballer. "Ich habe schon als Kind von der Premier League geträumt", hat Xhaka oft betont.

In Mönchengladbach freuen sie sich über die enorme Ablöse, hoffen aber zugleich, dass ihr Torsteher Yann Sommer mit der Schweiz keine allzu erfolgreiche EM spielt. Sonst müssten sie sich seiner Verehrer ab Juli womöglich auch noch erwehren. Sogar das 20-jährige Talent Mahmoud Dahoud wird auf der Insel längst heiß diskutiert, allerdings will der Manager Eberl in diesem Fall hartnäckig bleiben. Sonst müsste er sich nach Xhakas Abschied ein komplett neues defensives Mittelfeld suchen. Und das wäre mehr als nur eine finanzielle Herausforderung.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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