Wechsel-Gerüchte bei Borussia Dortmund:Geraune um bevorstehenden Ausverkauf

BVB Borussia Dortmund, Robert Lewandowski,

Begehrtes Team: Lewandowski und Kollegen beim Erfolg gegen Real Madrid.

(Foto: AFP)

Gehen nach Götze auch noch Lewandowski, Hummels & Co.? Solange Dortmund nicht über ähnliche finanzielle Mittel für Spielergehälter verfügt wie der FC Bayern, Real Madrid oder Barcelona, wird das Gewitter der Spekulationen kein Ende nehmen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Während spanische und englische Journalisten in der Mittwochnacht in Dortmund noch die beiden Champions-League-Triumphe von Borussia Dortmund und Bayern München zu einem 8:1-Sieg für Deutschland gegen Spanien aufaddierten, schwante den Deutschen im Dortmunder Stadion schon, dass der Graben zwischen den beiden besten Bundesliga-Klubs viel zu tief ist, um ihre Ergebnisse derzeit in einen Topf zu werfen. Mit dem beinahe schon gewaltsamen 4:1 gegen Real Madrid, mit vier Toren von Robert Lewandowski, verzückte der BVB das Publikum.

Doch wie so oft in diesen Tagen wurde auch der Triumph gegen die selbsternannten Galaktischen beinahe in den Hintergrund gedrängt durch Geraune um einen bevorstehenden Ausverkauf in Dortmund.

Im Stadion dagegen hatte bis dahin das Fußballspiel der BVB-Mannschaft einen Glanz verbreitet, der selbst dem Triumphzug der Bayern am Vorabend gegen Barcelona mindestens ebenbürtig zu sein schien. Das mögliche deutsche Finale in Wembley, es strahlte schon von Ferne bis nach Dortmund, auch wenn der Treffer von Cristiano Ronaldo zum 1:1 eine kleine Wunde hinterließ. Die Außerirdischen seien über Real hergefallen, dichtete später ein spanischer Journalist, aber dank Ronaldo seien sie noch am Leben.

Schon parallel zum Spiel hatte derweil im Bezahlfernsehen eine Plauderrunde mit Ottmar Hitzfeld, dem früheren Real-Torwart Bodo Illgner und dem Stuttgarter Fredi Bobic die Dortmunder Mannschaft in Filetstücke zerlegt und die Verwertbarkeit der Spieler auf dem Transfermarkt durchdekliniert. Mario Götze sei mit seinem eben erst bekannt gewordenen Wechsel nach München sicher nur der Anfang.

"Man kann nur hoffen, dass wenigstens Jürgen Klopp in Dortmund bleibt", resümierte der frühere Dortmunder Trainer Hitzfeld irgendwann mitleidsvoll, als sei der Ausverkauf schon so gut wie beschlossene Sache. Auf den Rängen und in der Kabine hatten sie unterdessen gerade die Fassung wiedergefunden, ob der schillernden Leistung gegen Madrid.

Noch in der Nacht meldete Spiegel Online, gewöhnlich aus dem Berater-Lager Lewandowskis informell gefüttert, dass Bayern München für den Vier-Tore-Stürmer beim BVB ein Angebot unterbreitet habe. Höhe: 25 Millionen Euro. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc dementierte postwendend: "Es liegt von den Bayern weder direkt noch irgendwie indirekt ein Angebot vor." Zorc ließ allerdings offen, ob Angebote von anderen, von ausländischen Klubs vorliegen.

Vorstandschef Hans-Joachim Watzke hatte schon am frühen Donnerstagmorgen wiederholt, es sei sein "Wunsch", dass Lewandowski seinen bis zum Sommer 2014 gültigen Vertrag erfülle. Auf eine Ablöse für den polnischen Torjäger könne man verzichten. Lieber wolle man ein weiteres Jahr von der Klasse dieses "derzeit vielleicht weltbesten Stürmers" profitieren.

Zugleich bestätigte Zorc, dass die offizielle Anfrage des FC Bayern für Götze jetzt eingetroffen sei. Im Gegensatz zu Lewandowski steht allerdings in Götzes Vertrag mit dem BVB eine Ausstiegsklausel, die er fristgerecht vor dem 30. April gezogen hatte. Vor dem Hintergrund des überraschenden Coups um Götze, den sich die Münchner 37 Millionen Euro Ablöse kosten lassen, will Dortmund Lewandowski offenbar auf keinen Fall zu den Bayern ziehen lassen. Auf der anderen Seite darf bezweifelt werden, dass Lewandowski sich ins Ausland transferieren lassen will - in Dortmund geht man davon aus, dass er deshalb eher bis 2014 bleibt.

Dass er danach ablösefrei nach München wechseln könnte, ist offenbar für den BVB das kleinere Übel. Dass der 24-Jährige international seinen Marktwert mit seiner Vier-Tore-Solo-Show gegen Madrid in hysterische Dimensionen gesteigert hat, ist eine Art Fluch des Sieges über Madrid. Bis 2014 aber hätte Dortmund schlicht zwölf Monate mehr Zeit für die Suche nach akzeptablem Ersatz.

In hysterischen Dimensionen

Mats Hummels, der mit einem krassen Abspielfehler kurz vor der Pause das möglicherweise noch einmal wichtige Real-Gegentor verschuldet hatte, meinte nachher: "Ich soll ja angeblich schon mehrere Vorverträge irgendwo unterschrieben haben. Tatsache ist, dass ich nicht einmal mit irgendeinem Klub gesprochen habe. Da gibt es gar nichts." Dennoch wird Hummels ebenso als möglicher Abgang spekuliert, wie seine an diesem Abend in grandioser Form aufspielenden Kollegen Marco Reus, İlkay Gündoğan oder Neven Subotić.

Solange Dortmund nicht über ähnliche finanzielle Mittel für Spielergehälter verfügt wie beispielsweise der FC Bayern, Real Madrid oder Barcelona, wird das Gewitter der Spekulationen kein Ende nehmen. Hinter dem BVB steht kein einziger Dax-Konzern - hinter dem FC Bayern deren fünf, als Gesellschafter und Sponsoren.

"Wir haben erst zwei Viertel des Spiels gegen Real Madrid hinter uns", meinte nachher Jürgen Klopp, obwohl er den Augenblick, dieses beeindruckende Schauspiel spürbar auskosten wollte und nicht wirklich für nüchternes Abwägen aufgelegt zu sein schien: "Wir empfinden uns jetzt nicht als Favorit für das Rückspiel."

Mario Götze, dessen Wechsel-Meldung vom Dienstag Dortmund zunächst in eine Art Schockstarre zu versetzen schien, musste sich am Mittwoch angesichts der Daueroffensive seiner Mannschaft gar nicht erst mit Schmähungen der eigenen Fans befassen. Er blieb in dem Offensiv-Spektakel ein wenig unter seinen Möglichkeiten, aber angesichts des emotionalen Drucks kam er gut zurecht.

Auf die vier Tore von Lewandowski angesprochen, fand Klopp trotz der Debatten um seine Spieler zu seinem gewohnten Humor zurück: "Vor allem das dritte Tor war ja kaum noch von dieser Welt. Aber auch ich habe schon einmal in meiner Spielerkarriere vier Tore in einem Spiel erzielt, 1991 war das" - Kunstpause - "in Erfurt".

Das hatte den Madrilenen als Gradmesser an diesem Abend gerade noch gefehlt.

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