Wales bei der Fußball-EM:"Wir wussten, dass es ein hässliches Spiel wird"

Wales bei der Fußball-EM: Gareth Bale und sein Töchterchen.

Gareth Bale und sein Töchterchen.

(Foto: AP)

Trotzdem darf Gareth Bale mit Wales den Viertelfinal-Einzug feiern. Nordirlands Trainer muss sich rechtfertigen, weshalb er Will Grigg nicht eingewechselt hat.

Von Carsten Scheele

Der Dank gebührt an dieser Stelle Gareth McAuley, dem nordirischen Abwehrmann, dem in der 76. Minute ein bedauernswertes Unglück widerfahren ist. McAuley war in eine Flanke des Walisers Gareth Bale gerutscht und hatte den Ball über die eigene Linie gedrückt - ein Eigentor, doch lassen wir das "Eigen" mal weg: Ein Tor! In diesem Spiel war tatsächlich ein Tor gefallen!

In einem der fußballerisch gruseligsten Spiele dieser EM, dem Achtelfinale der beiden Überraschungsteams Wales und Nordirland, sorgte McAuley als tragische Figur für die Entscheidung. Durch das 1:0 (0:0) im "kleinen" Battle-of-Britain zieht Wales erstmals in seiner Geschichte ins EM-Viertelfinale ein. Die Nordiren und ihre stets singende Anhängerschaft fahren nach Hause.

"Was soll ich sagen? Wir wussten, dass es ein hässliches Spiel wird", entschuldigte sich Bale, der nach dem Spiel mit seinem kleinen Töchterchen über den Rasen tollte. Seinem Trainer Chris Coleman war der Spielverlauf egal: "Wir haben sehr viel Mut gezeigt. Jetzt genießen wir die Nacht."

Nur die Anfangsphase ist ansehnlich

Für Dezibel-Freunde war dieses Spiel so etwas wie das vorgezogene Finale. Wales gegen Nordirland, mehr geht nicht, was die Sangeskraft auf den Tribünen angeht. Zwar sind vor allem die Nordiren für ihre aus tausend Kehlen gegröhlte Version des Neunziger-Klassiker "Freed From Desire" berühmt, mit dem sie ihren völlig glücklosen, weil nicht eingesetzten Stürmer-Helden ("Will Grigg's On Fire") besingen. Doch auch die Waliser sind kaum zurückhaltender, wenn sie ein Fußballspiel verfolgen.

Angetrieben von der Folklore auf den Rängen geriet nur die Anfangsphase recht ansehnlich. Nordirlands Stuart Dallas brachte den Ball gefährlich aufs Waliser Tor, so dass Torwart Wayne Henessey nur noch zur Seite abklatschen konnte (10.). Auf der anderen Seite versuchte Aaron Ramsey, den Ball mit der Hacke zu erwischen (12.). Etwas später brachte Ramsey das Spielgerät gar über die Linie, stand dabei allerdings deutlich abseits (19.).

Ansonsten ging es ziemlich britisch zu, mit vielen langen Bällen und dem typischen Hauruck-Fußball, der manchmal schön anzusehen ist, aber eben auch nicht immer. Das Niveau ließ nach der Anfangsphase rapide nach, da immer mehr Bälle ins Aus trudelten, Befreiungsschüsse durch die Luft flogen, Rempler und Trikotrupfer das Spiel bestimmten. Immerhin sangen die Fans, ihnen war es egal.

Kommt Will Grigg - oder wieder nicht?

Sie ließen sich ihre Gaudi auch in der zweiten Halbzeit nicht verderben - obwohl es fußballerisch immer gruseliger wurde. Dass nicht mal Gareth Bale, der berühmteste Waliser, diesem Spiel etwas königlichen Glanz verleihen konnte, hatte vor allem damit zu tun, dass ihm die Nordiren zu zweit, wenn nicht zu dritt auf den Füßen standen. Es rumpelte auf jedem Quadratmeter des Rasens im Pariser Prinzenpark.

Es ging dürftig weiter. Der Waliser Sam Voke schaffte so etwas wie eine Halbchance (53.). Und als Bale endlich einmal etwas Platz hatte, bei einem Freistoß aus 27 Metern, wurde es ebenfalls ein bisschen gefährlich (58.).

Nordirlands Pläne durchkreuzt

Nur die Waliser versuchten, das Spiel in der regulären Spielzeit zu entscheiden - und Bale wurde nun doch etwas stärker. Folgerichtig war es der Real-Madrid-Profi, der das Eigentor erzwang, indem er die Flanke schlug, in die McAuley hineinrutschte (76.). Der Plan der Nordiren, sich mit einer Abwehrwand ins Elfmeterschießen zu retten, war durchkreuzt. "Das ist ziemlich grausam, so zu verlieren. Wir hätten zumindest die Verlängerung verdient gehabt", befand Teammanager Michael O'Neil.

Die Fans besangen zwar weiter ihren Will Grigg, doch O'Neal brachte den Stürmer von Wigan Athletic auch im vierten EM-Spiel nicht. Später rechtfertigte er sich: "Es tut mir leid für ihn, er hat eine großartige Zukunft vor sich. Aber ich stelle meine Mannschaft nicht nach den Wünschen der Fans auf." Doch ob Grigg es an diesem Tag so viel schlechter als seine Kollegen auf dem Platz gemacht hätte?

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