Waldhof Mannheim:Für die Drittklassigkeit

KFC Uerdingen vs SV Waldhof Mannheim Hinspiel Aufstiegsrunde 3 Liga 24 05 2018 Maximilian Beister

Früher Hamburg und Mainz in der ersten, jetzt Uerdingen in der vierten Liga: Maximilian Beister (links), Torschütze zum 1:0 im Hinspiel.

(Foto: Jörg Schüler/imago)

Der Verein hat das Pech, in der Relegation gegen den KFC Uerdingen anzutreten - ein Team hochbezahlter Ex-Profis.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg

Waldhof Mannheim durchlebt seit zwei Jahren ein Drama. Die Fußballer bestreiten gerade zum dritten Mal nacheinander Aufstiegsspiele zur dritten Liga. Im ersten Jahr scheiterten sie in Hin- und Rückspiel an den Sportfreunden Lotte. Im zweiten Jahr scheiterten sie am SV Meppen. In diesen vier Spielen haben sie kein einziges Tor geschossen. Und am Donnerstag, im Aufstiegshinspiel beim KFC Uerdingen, standen die einzigen beiden Mannheimer, die in allen fünf Aufstiegspartien mitspielten, in der zweiten Halbzeit jeweils ein Mal allein vor Uerdingens Torwart René Vollath. In der 68. Minute scheiterte Gianluca Korte. In der 81. Minute scheiterte Jannik Sommer. Mannheim verlor 0:1. "Das ist bitter", klagte Korte, "aber wir glauben an keinen Fluch - jetzt müssen wir im Rückspiel am Sonntag eben mindestens zwei Tore schießen."

Die viertklassige Regionalliga ist der Hochsicherheitstrakt des deutschen Fußballs: Man kommt kaum raus. Ist man in einer der mit Traditionsklubs gespickten fünf Staffeln Meister, dann muss man erst noch die Aufstiegsspiele bestreiten. Nach den Trainern Kenan Kocak und Gerd Dais probiert es in Mannheim seit Jahresbeginn Bernhard Trares, früher Bundesligaprofi bei 1860 München. Die Mannschaft spielt geradlinigen Fußball und könnte in der dritten Liga sicher mithalten. Aber sie hat das Pech, gegen ein Team zu spielen, das mit dem Geld eines russischen Investors zusammengestellt wurde. Es heißt, Mannheim würde seinen Etat in der dritten Liga auf fünf Millionen Euro verdoppeln. Uerdingen hat dem Vernehmen nach schon jetzt so viel Geld.

Anders könnte man sich einen Spieler wie Maximilian Beister auch gar nicht leisten. Der 27-Jährige hat für den Hamburger SV und Mainz 05 47 Mal in der Bundesliga gespielt, für Fortuna Düsseldorf und 1860 München 67 Mal in der zweiten Liga. Seit Januar spielt er im niederrheinischen Krefeld, Stadtteil Uerdingen, weil er "Lust auf diese Aufgabe" habe, sagt er. Es mache Spaß, "so einen Riesen-Traditionsverein" wieder hochzubringen. In dieser Disziplin entwickelt sich der gebürtige Göttinger langsam zum Spezialisten. Vor sechs Jahren hat er im Relegations-Rückspiel gegen Hertha BSC nach 25 Sekunden das 1:0 für Fortuna Düsseldorf erzielt. Am Ende stieg Düsseldorf in die Bundesliga auf. Am Donnerstag gegen Mannheim schoss Beister nach 75 Minuten das 1:0. "Sicher mein wichtigstes Tor seit damals", sagt er.

In Krefeld spielt Beister mit vielen Kollegen zusammen, deren Vergangenheit glorreicher klingt als die Gegenwart. Christopher Schorch hat für den 1. FC Köln in der Bundesliga gespielt und für die Reserve von Real Madrid, Christian Dorda für Almelo und Utrecht in der niederländischen Eredivisie, Dennis Chessa für Ried in der österreichischen Bundesliga. Alexander Bitroff hat 167 Zweitligaspiele gemacht, Mario Erb 200 Drittligaspiele. Der Kader des Viertligisten verfügt über die Erfahrung von 95 Bundesliga-, 528 Zweitliga- und 934 Drittligaspielen. Solche Referenzen kosten viel Geld. Diesen Spaß leistet sich der Unternehmer Mikhail Ponomarev, der im benachbarten Düsseldorf wohnt und sich bereits beim englischen Erstligisten AFC Bournemouth und beim Eishockeyklub Düsseldorfer EG engagiert hat.

1996 ist Uerdingen aus der Bundesliga abgestiegen, 1999 aus der zweiten Liga, 2008 stürzte der Klub gar in die sechstklassige Niederrheinliga ab. Mit dem Verein, der bis 1995 Bayer Uerdingen hieß, verbindet man vor allem das Europapokal-Rückspiel gegen Dynamo Dresden am 19. März 1986, als Uerdingen trotz einer 0:2-Hinspiel-Niederlage und eines 1:3-Pausenrückstands noch 7:3 gewann und ins Halbfinale einzog. Das Magazin 11 Freunde erkor dieses Spiel zum größten Fußballspiel aller Zeiten. Die Grotenburg-Kampfbahn, damals Schauplatz des Wunders, ist längst ein bisschen heruntergekommen. Das Spiel gegen Mannheim mussten die Uerdinger aus Sicherheitsgründen im benachbarten Duisburg austragen.

Mit dem Aufstieg wären die Ambitionen des Investors aber noch nicht erfüllt. Ponomarev will Uerdingen in die zweite Liga führen, und er hat es eilig. Als die Mannschaft zu Jahresbeginn drei Mal nacheinander nur unentschieden spielte und auf Platz zwei fiel, wurde der Trainer Michael Wiesinger durch Stefan Krämer ersetzt, der vorher in Bielefeld, Cottbus und Erfurt gearbeitet hatte. Krämer versucht, den unerbittlichen Mäzen unaufgeregt zu betrachten, er sagte der Westdeutschen Zeitung: "Wenn Herr Ponomarev Schmitz hieße, würde er viel unkritischer gesehen - jeder Klub, der hoch will, hat doch jemanden, der ihm hilft: In Hoffenheim hilft Herr Hopp, in Bielefeld Herr Weber, in Hamburg Herr Kühne." Krämer betrachtet den Russen als große Chance: "Mit Herrn Ponomarev kann man hier in naher Zukunft auch mal richtig explodieren."

In Mannheim gibt es keine Explosionen, wenn man mal von dem qualmenden Feuerwerk absieht, das die Fans am Donnerstag im Block anzündeten. Waldhof droht am Sonntag (14 Uhr, SWR und WDR) zum dritten Mal zu scheitern, aber der Trainer Trares freut sich trotzdem auf "ein knackiges Rückspiel". Noch ist ja auch alles möglich, 28 Jahre nach Mannheims Abstieg aus der Bundesliga. Das Stadion ist mit 25 000 Zuschauern längst ausverkauft. "Hätte man beiden Klubs vor einigen Jahr prophezeit, dass mal so viele Menschen ein Spiel von ihnen sehen wollen, dann wäre man eingeliefert worden", sagt Uerdingens Trainer Krämer. "Es wird ein Spiel auf Biegen und Brechen, wie Fußball sein muss." Das ist sogar in der vierten Liga möglich.

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