Wahl zum IOC-Chef Bach:Putin lässt gleich durchstellen

125th IOC Session - IOC Presidential Election

Der frisch gewählte IOC-Präsident Thomas Bach

(Foto: Getty Images)

Kurz nach seiner Wahl erhält Thomas Bach einen Anruf von Russlands Präsident. Putin benötigt einen gesprächsbereiten IOC-Chef für seine problematischen Winterspiele in Sotschi. Bachs Erklärungen dazu bleiben schwammig.

Wladimir Putin rief selbstverständlich persönlich an. Der russische Präsident wählte kurz nach der Wahl des neuen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die Handy-Nummer von Dmitrij Tschernyschenko, OK-Chef der Winterspiele 2014 in Sotschi. Der reichte weiter an Thomas Bach.

Putin braucht einen gesprächsbereiten IOC-Chef. Denn die von Putin zur Chefsache erklärten Spiele in Sotschi stehen ja schon jetzt in der Kritik. Eine schwelende Terrorgefahr, etwaige Menschenrechtsverletzungen beim Umbau der Olympiaorte und große Empörung über das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz belasten die Veranstaltung.

Bach berichtete später auf seiner ersten Pressekonferenz als IOC-Chef von dem Anruf: "Er hat mir gratuliert und eine enge Zusammenarbeit zugesagt, damit die Spiele in Sotschi ein Erfolg werden." Bach betonte, dass Sotschi nun das wichtigste Thema für ihn sei, was Putin sicher gefreut hat. Wie sich Bach zu den Problemen verhalten werde, das sagte er indes nicht. Ganz in seiner Tradition, selten eine klare Haltung zu einem schwierigen Thema einzunehmen.

Da horchten die Beobachter schon kurz auf, als Bach erklärte, dass das IOC nicht unpolitisch sein könne. Will sich da einer plötzlich einsetzen gegen Missstände rund um Olympia? Doch es folgten die gewohnten schwammigen Worte: "Wir müssen uns klarmachen, was das IOC tun kann, wofür wir da sind und was wir nicht machen können", sagte der 59-Jährige. "Wir müssen erkennen, dass Olympische Spiele politische Auswirkungen haben, aber um unsere Rolle zu erfüllen, müssen wir politisch neutral sein."

Mit Neutralität bei allen schwierigen Themen und guter Vernetzung im internationalen Sport und bei dessen Gönnern hat es Thomas Bach bis in den Olymp geschafft. Mit 49 Stimmen sicherte er sich bei der geheimen Abstimmung in Buenos Aires im zweiten Wahlgang die Mehrheit. Sein härtester Rivale, IOC-Finanzchef Richard Carrion (Puerto Rico), folgte weit abgeschlagen mit 29 Stimmen. 22 Jahre nach seinem Eintritt ins IOC ist Bach auf dem Gipfel der Macht angekommen.

Alles andere wäre nach der Vorgeschichte von Buenos Aires auch ein sportpolitisches Erdbeben gewesen. Und so glich die Stimmung nach der Wahl einem Business as usual. Es war ja nur das passiert, was für alle seit Tagen völlig klar gewesen war. Umarmungen und Gratulationen nach der Kür - so begrüßen sich die Funktionäre und ihre Begleiter auch, wenn sie zusammenkommen.

Bachs Mitstreiter mit beglückter Miene

Bachs viele Mitstreiter, die wie Aufpasser über die vergangenen Tage überall in den Hotelecken und Lobbysesseln zugange waren, intensiv im Gespräch mit den Medien, liefen immerhin mit beglückter Miene herum.

Aus Deutschland kamen von überall her die erwarteten Glückwunschadressen. Bundespräsident Joachim Gauck wünscht "Glück, Geschick und Sportsgeist", Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Hans-Peter Friedrich, SPD-Chef Sigmar Gabriel, Grünen-Chefin Claudio Roth und FDP-Chef Philipp Rösler - alle freuen sich öffentlich, dass zum ersten Mal ein Deutscher an der Spitze des IOC steht. Den einfallsreichsten Gruß sendete Diskus-Weltmeister und Sportsystemkritiker Robert Harting: "Gratulation an das sportliche Durchhalten, jetzt kam das olympische Feuer in ihm durch. Nun gilt es die postulierten Interessen auch durchzuziehen um nicht blass zu wirken, besonders im Hinblick auf den Anti-Doping-Fonds... Lieber Thomas, egal wo Sie jetzt wohnen, Monaco, St. Tropez oder in TBH (Tauberbischofsheim; Anm. d. Red.), ich komm gerne auf 'ne Currywurst oder einen Kaffee vorbei."

Kritik kam indessen von der ehemaligen deutschen Spitzenathletin Heidi Schüller. "Ich halte ihn nicht für den besten Kandidaten. Man wundert sich, mit welch sonderbarer Biografie, mit welch sonderbaren Verbindungen, die man eingegangen ist, man dieses Amt bekommt", sagte die 63 Jahre alte frühere Leichtathletin dem SID: "Offensichtlich ist er der richtige Strippenzieher." Sie bemängelte vor allem Bachs "Lippenbekenntnisse" beim Thema Doping.

Bach will bereits am kommenden Dienstag in seiner neuen Heimat Lausanne die Geschäfte auf- und die wichtigsten Akten von seinem Vorgänger Jacques Rogge übernehmen. Allerdings gibt es vor seinem endgültigen Umzug ins IOC-Hauptquartier noch einiges für ihn zu tun. Bach wird die Präsidentschaft der deutsch-arabischen Handelskammer niederlegen müssen, außerdem wird er auf der Präsidiumssitzung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am 16. und 17. September in Frankfurt als Chef der Dachorganisation zurücktreten. Hans-Peter Krämer, Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen, wird mit dem Rücktritt Bachs, der spätestens bei der Präsidiumssitzung Anfang kommender Woche erfolgen wird, den Chefposten vorübergehend übernehmen, längstens bis im Dezember 2014 Neuwahlen anstehen. Am 7. Dezember diesen Jahres bei der DOSB-Vollversammlung könnte der Verband allerdings bereits einen Nachfolger bestimmen- sofern er einen Kandidaten findet.

Bald schon wird Bach selbst nach Moskau reisen. Das verkündete nach der Wahl nicht Bach selbst, sondern Putins Pressechef Dmitrij Peskow. Einen Termin nannte er nicht. Nur so viel: Das IOC mache einen "großartigen Job" bei der Vorbereitung der Spiele von Sotschi.

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