Wahl des IOC-Präsidenten:Wer Jacques Rogge nachfolgen könnte

International Olympic Committee (IOC) presidency candidates

Sextett mit Ambition: Der Taiwanese Wu Ching-Kuo, der Schweizer Dennis Oswald und der einstige Stabhochspringer Sergej Bubka aus der Ukraine. Untere Reihe: Der Deutsche Thomas Bach, Ng Ser Miang aus Singapur und Richard Carrion aus Puerto Rico.

(Foto: dpa)

Sechs Kandidaten, drei Außenseiter, ein Favorit: Im September wird das wichtigste Amt im Weltsport neu vergeben. Seit diesem Wochenende ist amtlich, gegen wen der deutsche Kandidat Thomas Bach bei der Wahl zum IOC-Präsidenten antritt. Wer sind die Spitzenfunktionäre? Und welche Chancen haben sie?

Von Thomas Kistner

Am Freitag schloss das Internationale Olympische Komitee die Kandidatenliste, seitdem ist es amtlich: Thomas Bach (Deutschland), Richard Carrion (Puerto Rico), Ng Ser Miang (Singapur), Denis Oswald (Schweiz), Sergej Bubka (Ukraine) und Wu Ching-Kuo (Taiwan) bewerben sich um das Amt des IOC-Präsidenten. Gewählt wird der Nachfolger von Jacques Rogge von der 125. Session am 10. September in Buenos Aires. Bis dahin wird kräftig geschachert und antichambriert.

Bach gilt als klarer Favorit. Manche trauen ihm den Erstrunden-Sieg zu, der Musterfunktionär hat sich über Jahre eine gewisse Stammwählerschaft gesichert. Ungewiss ist aber, wie nahe diese ranreicht an die gut 50 Stimmen, die es für einen Sieg braucht. Gewählt wird wie bei der Kür der Olympia-Städte: Bis zur absoluten Mehrheit, ansonsten fällt pro Wahlgang der schwächste Kandidat raus und sein Stimmpaket anderen Bewerbern zu.

Hier dürften Gefahren für den Favoriten lauern, den manche als polarisierend sehen. So, wie es einst Städtekandidaten wie Peking oder wiederholt Pyeongchang widerfuhr, könnten die Runde um Runde freiwerdenden Voten am Ende einen Überraschungs- sieger produzieren.

Das Bewerberfeld zerfällt in drei starke Kandidaten und drei Außenseiter. Letztere bilden der Jurist Denis Oswald (Chef des Welt-Ruderverbands), Wu Ching-Kuo (Chef des Amateurbox-Weltverbands Aiba) und Sergej Bubka. Der Rekord-Stabhochspringer will bei Athleten und jüngeren IOC-Leuten punkten. In seinem Stammlager, der Leichtathletik, ringt der 49-Jährige um die Vormacht mit dem Briten Sebastian Coe, der gut mit Bach steht.

Bubka indes gilt so wenig als Anhänger des Deutschen wie Oswald. Der 66-jährige Schweizer war als Chef der Welt-Anti- Doping-Agentur (Wada) im Gespräch, entschied sich aber für das IOC, wo er zur Entzerrung des Mega-Events Olympia künftig nicht mehr Sommersportarten, sondern die Anzahl der Disziplinen kürzen will. Eine Idee, die auch Bach hegt, der zugleich einen eigenen Olympia-TV-Kanal plant.

Als erster Streichkandidat gilt Architekt Wu, dessen Welt-Box-Verband Aiba noch immer Figuren aus einer affärenreichen Vergangenheit beherbergt. Alle drei Außenseiter aber binden ein Stimmpotenzial, das später stark genug sein könnte, den Ausschlag für eines der Schwergewichte zu geben: Bach, Carrion oder Ng Ser Miang.

Der Singapurer Ex-Segler, Diplomat und Großunternehmer Ng gilt als stiller Netzwerker, er hat die ersten Weltjugendspiele organisiert und legt den Schwerpunkt auf Jugend und Universalität. Den Wahlkampf führt Ng aus London. Carrion wiederum ist ein Vertrauter Rogges. Als IOC-Schatzmeister steuerte er das Gremium sicher durch zwei Weltwirtschaftskrisen.

Die richtigen Bündnisse zählen

Der 60-Jährige ist Chef der Banco Popular in Puerto Rico und sitzt auch im Direktorium der New Yorker Notenbank. Ihm mangelt es zwar an einer Sportler-Vita, im Ringen um Macht und Geld aber kennt er sich aus. Er kann darauf verweisen, die Rücklagen des IOC von 100 auf 900 Millionen Dollar erhöht zu haben.

Die richtigen Bündnisse zu schmieden und nicht mit den falschen Leuten in Verbindung gebracht zu werden - das kann in den nächsten Monaten entscheidend sein. Eine zentrale Figur im Wahlkampf ist Ahmed al-Sabah. Der kuwaitische Scheich ist einer der Mächtigen im Weltsport, er steht dem asiatischen Sportverband OCA vor, führt den Weltverband aller nationalen Olympiakomitees (ANOC) und ist Chef des IOC-Entwicklungshilfe-Programms "Solidarität", das Millionen verteilen darf.

Beim Sportkongress in St. Petersburg Ende Mai implementierte al-Sabah seinen Protegé Marius Vizer als Chef von SportAccord, der Dachvereinigung aller olympischen und nicht-olympischen Sportarten. Im Sog des Vizer-Triumphes tat al-Sabah dann gleich noch Pikantes kund: Bei der IOC-Wahl wolle er Bach unterstützen - und dies am 15. Juni beim ANOC-Meeting auch den dort vertretenen Funktionären darlegen.

Weil die IOC-Ethikregeln derlei sehr kritisch sehen, ruderte al-Sabah flott zurück. In der Welt ist nun aber, was als Verdacht länger schon kursierte: Dass die auch geschäftlich befreundeten Bach (Chef der deutsch-arabischen Handelskammer Ghorfa) und al-Sabah gemeinsam in die Wahlschlacht zögen.

Die Nähe zum Scheich kann den Sieg bringen, sie birgt aber auch Risiken, die Bachs Thronrivalen thematisieren dürften: In seiner neuen Funktion als SportAccord-Chef legte der aus Rumänien stammende Vizer nämlich sogleich ambitionierte Pläne vor. Ab 2017 will er alle vier Jahre eine vereinte Weltmeisterschaft seiner 91 Verbände austragen.

Für die Tauzieher und Minigolfer, die sich unter dem SportAccord-Dach tummeln, ist das eine frohe Kunde. Auch al-Sabah liebäugelt mit eigenen Spielen. Dem IOC kann diese Art der Konkurrenz überhaupt nicht gefallen. Kein Wunder, dass Bach sich umgehend um Distanz bemühte. Er halte die Idee "kaum für realisierbar", wird er zitiert.

Das Geschacher und Gerangel in der Kandidatenkulisse - es hat gerade erst begonnen.

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