Wahl der Sportjournalisten:Nowitzki und Neuner sind die Sportler des Jahres

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Mit Dirk Nowitzki erhält erstmals ein Basketballer die Auszeichnung zu Deutschlands Sportler des Jahres - damit würdigt die Fachjury seine Leistungen in der NBA, wo er trotz Krankheit den Titel gewann. Sportlerin des Jahres ist zum zweiten Mal nach 2007 Magdalena Neuner. Zur Mannschaft des Jahres küren die deutschen Sportjournalisten Borussia Dortmund.

Volker Kreisl, Joachim Mölter und Freddie Röckenhaus

Seit 1947 wählen die deutschen Sportjournalisten ihre "Sportler des Jahres". Bei der 65. Auflage der Galaveranstaltung am Sonntagabend im Kurhaus von Baden- Baden gab es dennoch ein Novum: Bis dato hatte noch nie ein Mannschaftssportler die Einzelwertung gewonnen - doch am Basketballer Dirk Nowitzki führte bei der Abstimmung diesmal kein Weg vorbei.

Bei den Frauen ist die Biathletin Magdalena Neuner nun schon zum zweiten Mal Sportlerin des Jahres geworden. Der deutsche Fußball-Meister Borussia Dortmund wurde als Mannschaft des Jahres geehrt.

Genug von Paparazzi

Es gibt etliche herausragende Ereignisse, welche die sehr kurze und sehr intensive Karriere der Biathletin Magdalena Neuner einrahmen. Schon 2007 stellte Neuner einen Rekord in der Geschichte der Weltmeisterschaften ihres Sports auf - sie wurde in Antholz jüngste Dreifachsiegerin. Am Ende des Winters 2011/2012 wird sie in die WM in Ruhpolding starten als die mit zehn Titeln höchstdekorierte Biathlon-WM-Teilnehmerin.

Und obwohl ihr vor Weihnachten der Rücken etwas wehtut, ist nicht ganz ausgeschlossen, dass sie in Ruhpolding noch sechs Siege drauflegen wird, sechs Mal Gold bei einer WM, auch das hat noch keine Frau in diesem Sport bisher erreicht. Neuner wurde somit gleich zu Beginn ihrer Karriere Sportlerin des Jahres, und sie war auch am Sonntagabend die logische Wahl für einen weiteren Erfolg bei der Vergabe dieses Ehrendoktorhuts des deutschen Sports. Nicht nur wegen ihrer drei Goldmedaillen bei der WM 2011 in Chanty-Mansijsk.

Immer bergauf, ein Sieg nach dem anderen, Junioren-WM-, WM-, Olympia-Gold, Gesamtweltcupsiegerin, die Schnellste, die Jüngste, die Charismatischste - warum Neuner diese Märchengeschichte am Ende dieser Saison mit 25 Jahren beenden will, das dokumentiert ein anderer Rekord, den sie am Anfang wie am Ende ihrer aktiven Zeit erreichte.

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:Dircules' größte Momente

Nach 21 Jahren und mehr als 31 500 Punkten beendet Dirk Nowitzki seine Karriere in der NBA. Seine größte Leistung ist jedoch, dass er so bodenständig geblieben ist. Seine Karriere im Rückblick.

Von Jonas Beckenkamp

Noch nie hatten sich derart viele Fotografen um eine Biathletin geschart wie um Neuner 2007 in Antholz. Bei ihrer ersten Foto-Session auf dem zugefrorenen Antholzer Weiher spielte Neuner spontan mit einem Hund, die begeisterten Fotografen sahen nur noch Neuner und den Hund, sie vergaßen das Eis und die Gefahr, und irgendwann sammelten sich so viele vor Neuner, dass ein Knall aus dem Eis die Luft zerriss. Passiert war nichts, außer einem metaphorischen Paukenschlag, der wie eine Warnung für Neuners Zukunft nachhallte.

Im Juni war Dirk Nowitzki endlich am Ziel: Mit den Dallas Mavericks hatte er die NBA-Meisterschaft gewonnen. Jetzt ist er Deutschlands Sportler des Jahres.  (Foto: AFP)

Fans, Reporter, aufdringliche Touristen vor ihrem Wohnhaus, Pakete mit Plüschtieren, Klischees, das alles verfolgte sie fortan. Neuner wollte irgendwann nicht mehr die liebe Lena, nicht die brave Strickliesl und auch nicht mehr die sichere Seriensiegerin der nächsten zehn Jahre sein, irgendwann gab ihr das Biathlon nicht mehr genug.

Als sie vor zwei Wochen erklärte, dass sie schon in einem halben Jahr eine neue Herausforderung suchen wird, da kamen noch einmal so viele Fotografen wie noch nie, erzählt Neuner, "diesmal auch echte Paparazzi".

Der Mannschaftsspieler

Ausgeschieden bei der EM nach der Zwischenrunde, Olympia verpasst - darf so einer Deutschlands Sportler des Jahres sein? Nun, im Fall des Basketballspielers Dirk Nowitzki spielt das EM-Abschneiden eher keine Rolle, bemerkenswert ist, dass er überhaupt dort mitgemacht hat im September. Als "die selbstloseste Entscheidung, die ich je von einem Athleten erlebt habe", würdigte der damalige Bundestrainer Dirk Bauermann das Engagement: "Es gibt keinen anderen Spieler dieser Qualität, der sich das antut."

Nur wenige Wochen vor der EM hatte Dirk Nowitzki den größtmöglichen Erfolg gefeiert, den es in seinem Sport zu feiern gibt: die Meisterschaft in der nordamerikanischen Profiliga NBA mitsamt der Ehrung zum herausragenden Mann der Finalserie. Nowitzki hatte seine Dallas Mavericks zum 4:2-Sieg über die Miami Heat geführt, trotz einer gerissenen Sehne im Mittelfinger seiner linken Hand und eines Fieberanfalls während der Finaltage.

Danach wurde er erst in Dallas umjubelt, weil er den ersten NBA-Titel in die Stadt geholt hatte; anschließend in der Heimat herumgereicht, weil er der erste Deutsche ist, dem das gelang. In seiner Geburtsstadt Würzburg applaudierten ihm die Menschen, in Berlin gratulierten ihm die ranghöchsten Politiker. "Ich hätte nie gedacht, was für einen Rummel man mit Basketball auslösen kann", staunte Nowitzki.

Bauermann hätte es verstanden, wenn der Umjubelte sich eine Pause gegönnt hätte. Doch der 33-Jährige hatte sein Wort gegeben, in die Nationalmannschaft zurückzukehren, wenn er mithelfen könne, einer neuen Generation jenes Olympia-Erlebnis zu ermöglichen, das ihn selbst 2008 in Peking so beeindruckt hatte. Die Qualifikationschance für London 2012 wurde zwar verspielt - aber er hatte Wort gehalten, der Wille war da und der Versuch aller Ehren wert.

Dirk Nowitzki hat Einzigartiges geleistet in diesem Jahr, nicht nur als Sieger, sondern auch als Vorbild. Deshalb hat er auch diese einzigartige Ehrung verdient: als Mannschaftssportler mit dem Einzeltitel ausgezeichnet zu werden. Selbst Franz Beckenbauer war das nicht vergönnt. Dirk Nowitzki ist auch in dieser Kategorie der Erste.

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Doppel-Olympiasiegerin, zwölffache Weltmeisterin, zweimal Sportlerin des Jahres: Magdalena Neuner hat den Biathlon-Sport geprägt wie keine vor ihr. Ihre Karriere in Bildern.

Ihre Karriere in Bildern

Als der Siegeszug von Borussia Dortmund im Spätsommer 2010 begann, wurde er schon bald begleitet von beinahe naiv klingenden Schlagwörtern. Vorstandschef Hans-Joachim Watzke sprach von "Fußball-Romantik", Verteidiger Mats Hummels von "elf Freunden" und der Dortmunder Lokalpatriot und Linksaußen Kevin Großkreutz wiederholte Spieltag für Spieltag: "Wir sind einfach die geilste Mannschaft, wir machen unser Ding."

In Zeiten des Turbo-Kapitalismus im Weltfußball, mit Milliardärs-Spielzeugen wie dem FC Chelsea oder Manchester City, schien Dortmund ein Gegenmodell wie aus einem Paralleluniversum zu sein. Doch weil selbst abgebrühte Journalisten und Zuschauer nicht glauben wollten, dass da tatsächlich ein Mannschaftsgeist triumphieren könnte über die computer-berechenbare, angehäufte individuelle Klasse anderer Klubs, traute bis tief in die Saison hinein kaum jemand dem BVB den Titel zu.

Trainer Jürgen Klopp und die Manager Michael Zorc und Hans-Joachim Watzke haben es in fast unwirklich kurzer Zeit geschafft, den vermutlich dichtesten Mannschaftsverband der Bundesliga aufzustellen. Die beiden Innenverteidiger Neven Subotic und Mats Hummels wurden als 18-Jährige für damals astronomische Summen von jeweils fast fünf Millionen Euro nach Dortmund geholt, Talente aus dem eigenen Nachwuchs - wie Nuri Sahin, Marcel Schmelzer, Kevin Großkreutz oder Mario Götze - in blutjungem Alter mit Stammplätzen ausgestattet.

Und selbst bei den echten Einkäufen wie Sven Bender, dem Japaner Shinji Kagawa oder Torjäger Robert Lewandowski gelang es den Dortmundern vor allen fußballerischen Dingen "Charakter-Qualität" einzukaufen, wie Watzke das beschreibt. Herausgekommen ist eine Art Wiederentdeckung des Mannschaftsspiels im Fußball.

Dortmunds junge Truppe zelebriert Fußball mit radikalem Laufpensum und zuweilen traumwandlerischem Kombinationsspiel. Zu Weihnachten fliegen Mats Hummels und Mario Götze zu ihrem alten Mannschaftskameraden Nuri Sahin, der sich als einziger von der Truppe entfernt und das Abenteuer Real Madrid versucht hat - und dort nun todunglücklich mit seiner offenbar falschen Entscheidung ist. Der Team-Spirit geht in Dortmund offenbar wirklich sehr weit .

© SZ vom 19.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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