Wada-Bericht zur Leichtathletik:Schlimmer als die Fifa

WADA präsentiert zweiten Teil des Ermittlungsberichts

Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes, hört bei der Veröffentlichung des Wada-Ermittlungsberichts zu.

(Foto: dpa)

Durch die neuesten Enthüllungen kann Lord Sebastian Coe nicht länger Präsident des Weltleichtathletik-Verbandes bleiben.

Kommentar von Johannes Knuth

Der Maßstab, das waren bis zum Donnerstag vier Buchstaben: Fifa, kurz für Fédération Internationale de Football Association. Der Welt-Fußballverband Fifa stand für alles, was schlecht ist in der Welt des Sports, für korrupte Funktionäre, Justizermittlungen, für faule Deals, die sogar Fifa-Präsident Joseph Blatter stürzten. Fifa, das war zuletzt eine Maßeinheit: Ein Fifa stand für die maximalmögliche Menge an Schweinereien. An der Fifa wurden alle anderen Sportverbände gemessen: fast so schlimm wie die Fifa, noch nicht ganz so schlimm, in Zügen so schlimm. Oder jüngst, im Fall des Welt-Leichtathletikverbands: mindestens so schlimm, womöglich noch schlimmer.

Seit Donnerstag, als Richard Pounds Ermittlungseinheit den Bericht über Korruption im Leichtathletikverband präzisierte, muss die Maßeinheit für maximalmögliche Sauereien im Sport geändert werden. Sie setzt sich noch immer aus vier Buchstaben zusammen, nun aber aus I-A-A-F, kurz: International Association of Athletics Federations.

Pound verteidigt Coe bizarrerweise

Sebastian Coe, seit August Präsident dieser IAAF, hatte zuletzt immer wieder die gleiche Wortwahl bemüht: Die massive Betrugskultur in seinem Verband gehöre der Vergangenheit an, organisiert von einzelnen Schurken. Allen voran Lamine Diack, Coes Vorgänger, der mit seinen Schergen den Betrug von der Spitze anordnete; der Athleten erpresste, Dopingproben gegen Geld verschwinden ließ, die Spielregeln auf dem Feld verschob, während Fans Geld dafür bezahlten, einen vermeintlich fairen Wettstreit zu bezeugen. Coe wollte von all dem Unrat nie etwas gerochen haben, obwohl es seit Jahren aus dem Zimmer des Präsidenten stank.

Pounds Bericht zerbröselte diese Rhetorik am Donnerstag (auch wenn Pound Coe bei der Pressekonferenz bizarrerweise verteidigte). Betrug und Korruption, so das Fazit, waren tief verwoben in der Struktur der Organisation. Und das IAAF-Council, die Weltregierung der Leichtathletik, konnte über all die Jahre unmöglich nichts darüber gewusst haben.

Die IAAF muss die Führung austauschen

Der Betrug jedenfalls, das war eine Botschaft am Donnerstag, war kein Ding der Vergangenheit, sondern wucherte und wuchert in der Gegenwart weiter, er erfasst auch diejenigen, die den Verband heute leiten, allen voran Coe.

Pounds Kommission hatte im November den ersten Bericht über Korruption und Betrug in der Leichtathletik vorgestellt, damals mit Fokus auf die endemische Betrugskultur im russischen Verband. Pound verglich Russlands Leichtathletik mit einem schwerkranken Patienten, der sich einer umfassenden Kur unterziehen müsse, um wieder in die Gemeinschaft des Weltsports eingegliedert zu werden. Die IAAF verstieß den Verband auf unbestimmte Zeit aus der Leichtathletik-Familie. Jene IAAF, der Bericht vom Donnerstag lässt keinen anderen Schluss zu, muss sich selbst einer ähnlichen Therapie unterziehen. Sie kann - wie der russische Patient - ihre Probleme nicht länger verneinen, sie muss ihre Strukturen überholen und dafür die Führung austauschen. Und diese Behandlung muss beim englischen Patienten ansetzen, bei Sebastian Coe.

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