Vorstandschef beim FC Augsburg:"Er hat Recht gehabt, wie so oft"

Grundsteinlegung für die neue Fußballarena in Augsburg

Muss auf die Gesundheit achten: Walther Seinsch zieht sich nach 14 Jahren beim Bundesligisten FC Augsburg als Vorstandschef zurück.

(Foto: dpa)

Von der Bayernliga auf einen Champions-League-Platz: Vorstandschef Walther Seinsch hat den Bundesligavierten FC Augsburg in 14 Jahren zu einem vielversprechenden Klub geformt. Jetzt zieht er sich zurück - aus nachvollziehbaren Gründen.

Von Kathrin Steinbichler

Irgendwann am Dienstagabend, als gerade keiner mehr hinsah, beschloss Walther Seinsch, dass es jetzt an der Zeit sei, wirklich endgültig zu gehen. Gute zwei Stunden, nachdem er auf der Mitgliederversammlung des FC Augsburg seinen Rücktritt als Vorstandschef des Bundesligisten bekannt gegeben hatte, zog sich der 73-Jährige eine graue Regenjacke über sein Vereinstrikot. Dann lud er sich die in Zellophan verpackten Blumen und Geschenke auf den Arm, die ihm zum Abschied überreicht worden waren, und spazierte mit einem leisen Lächeln aus dem Stadion, dessen Bau er noch zu Drittligazeiten angestoßen hatte. Und mit ihm ging wohl eine Ära beim FC Augsburg.

"Ich möchte es kurz machen: Heute ist mein letzter Arbeitstag für den FCA", hatte Seinsch gleich zu Beginn seiner Rede bei der Jahreshauptversammlung verkündet. Das war der Moment, in dem den FCA-Mitgliedern die Jubelstimmung, auf die sie eingestellt waren, im Gesicht einfror. Eigentlich waren sie gekommen, um neben der Bekanntgabe der Betriebszahlen und der Entlastung des Vorstands die beste Ligaplatzierung der Vereinsgeschichte zu bejubeln.

Seit dem 3:1 am vergangenen Samstag über den Hamburger SV steht der FCA zwischen Champions- und Euro-League-Teilnehmern auf Platz vier der Bundesligatabelle. "Das zu sehen ist wirklich ein Wahnsinn", meinte Aufsichtsratschef und Geschäftsführer Peter Bircks, der an diesem Samstag nicht nur beim Spiel gewesen war. Sondern auch bei dem Treffen des Vorstands in den Stunden davor, das einzig und allein einen Zweck hatte: Den von Seinsch selbst vorgeschlagenen Nachfolger und bisherigen Stellvertreter Klaus Hofmann, 47, ins Amt zu wählen.

"Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, mein Amt niederzulegen. Außerdem muss ich an meine Gesundheit denken", erklärte Seinsch, den die Mitglieder anschließend mit stehenden Ovationen feierten. Der frühere Unternehmer, der durch zwei Billigtextilketten reich geworden war, hatte 2009 öffentlich gemacht, dass er an Depressionen leidet. Aus gesundheitlichen Gründen hatte Seinsch deshalb immer wieder einmal kürzer treten müssen. Die Erkrankung hinderte ihn jedoch nicht, beim FCA in wenigen Jahren wichtige Weichen zu stellen, die den Provinzklub aus Schwaben inzwischen zu einem Millionenbetrieb gemacht haben: Mit einem Umsatz von 47,5 Millionen Euro, einem Gewinn von rund zwei Millionen Euro vor Steuern sowie einer Mitgliederzahl von inzwischen über 12 500 ist der FC Augsburg so "gesund wie nie", betonte Bircks.

Als Seinsch den FCA im Jahr 2000 übernahm, spielte der Verein noch in der damals viertklassigen Bayernliga, in die er wegen millionenschwerer Verbindlichkeiten durch einen Lizenzentzug verbannt worden war. Seinsch sorgte für professionelle Strukturen und begann Stück für Stück seine Vision vom Augsburger Bundesligisten zu verwirklichen. Allerdings immer unter der Maßgabe, dass der Verein sich finanziell selbst tragen können muss. Er holte das Duo Luhukay/Rettig, mit dem der Erstligaaufstieg gelang, und kreierte danach das Duo Weinzierl/Reuter, das den FCA nun schneller als geahnt zu einem stabilen Bundesligisten gemacht hat.

"Er hat Recht gehabt, wie so oft"

Noch zuvor, zu Drittligazeiten, "kam er mit der Idee, ein modernes Stadion zu bauen", erinnerte Bircks, "ich habe erst gedacht, der spinnt. Da haben wir noch in der Rosenau vor ein paar Hundert gespielt, und er denkt an Zigtausende in einem Stadion. Aber inzwischen wissen wir alle: Er hat Recht gehabt, wie so oft." Die 2009 eröffnete Arena in Augsburg ist inzwischen mit einem Schnitt von 29 106 Besuchern pro Spiel nahezu ausgelastet. Bereits "in absehbarer Zeit", meinte Seinsch-Nachfolger Klaus Hofmann, soll das Stadion "vollständig in Besitz des FCA übergehen" - auch die bislang noch bei der Stadt verbliebenen Anteile an der Arena will der Klub erwerben.

Der Aufschwung des FCA

Die vergangenen zehn Spielzeiten

2004/05: 3. Liga, 4. Platz, 61 Punkte

2005/06: 3. Liga, 1. Platz, 76 Punkte

2006/07: 2. Liga, 7. Platz, 52 Punkte

2007/08: 2. Liga, 14. Platz, 38 Punkte

2008/09: 2. Liga, 11. Platz, 40 Punkte

2009/10: 2. Liga, 3. Platz, 62 Punkte

2010/11: 2. Liga, 2. Platz, 65 Punkte

2011/12: Bundesliga, 14. Platz, 38 Punkte

2012/13: Bundesliga, 15. Platz, 33 Punkte

2013/14: Bundesliga, 8. Platz, 52 Punkte

Stand 13. Spieltag aktuelle Saison

2014/15: Bundesliga, 4. Platz, 21 Punkte

Die endgültige Übergabe der Geschäfte beim FCA war von Seinsch nun mit derselben Akribie und Bestimmtheit vorbereitet worden wie alle wichtigen Entscheidungen seiner Amtszeit: Stück für Stück habe Seinsch zuletzt seine Kompetenzen abgetreten und Nachfolger Klaus Hofmann eingearbeitet, meinte Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter, der wie die restliche Führungsriege "schon länger" in die Rückzugspläne eingeweiht war. Schon bei den Entscheidungen des vergangenen Sommers etwa war es Hofmann, der sich mit Reuter und Trainer Markus Weinzierl abstimmte und bei Transfers seine Zustimmung geben musste. Daneben hat Seinsch mit seinem Rücktritt auch seine Anteile an der als KGaA ausgelagerten Profiabteilung des FC Augsburg an den Verein zurückgegeben, "zu einem sehr anständigen Preis", wie Hofmann betonte.

Der Neue ist "ein bisschen sportverrückt"

Der 47-Jährige aus Lamerdingen bei Buchloe, der vor zwei Jahren das inzwischen gebaute Nachwuchszentrum des FCA mit einer Million Euro bezuschusste und in den Vorstand einrückte, weiß um die "großen Fußstapfen", in die er nun treten muss. Doch der international tätige Unternehmer hat auf die Herausforderung "auch große Lust, sonst würde ich das nicht machen".

Mit der Minimax Viking AG, einem weltweit führenden Unternehmen für Brandschutz, ist Hofmann mehrfacher Millionär geworden. Exakt nach dem Spielplan des FCA getaktet pendelt er seit nun zwei Jahren zwischen dem Firmensitz in Bad Oldesloe, einem Wohnsitz in Nachbarschaft der Familie Klinsmann in Huntington Beach/Kalifornien und Augsburg, wo er zwei Tage die Woche ist. Wenn er nicht arbeitet, ist Hofmann in Europa oder den USA in einem Stadion, sei es beim Fußball, Football oder Baseball - "ich bin ein bisschen sportverrückt".

Von den aktuellen Träumen, auch den FCA einmal international spielen zu sehen, will Hofmann vorerst allerdings nichts wissen: "Für uns geht es darum, die Nachwuchsarbeit zu professionalisieren, um künftig auf dem Transfermarkt Erlöse zu erzielen. Ohne die halten wir langfristig nicht mit. Wenn wir daneben die nächsten Jahre zumindest immer 15. werden, haben wir vieles richtig gemacht."

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