Vor dem Spitzenspiel BVB gegen Bayern:Gipfeldiplomatie

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Leise Töne überall: Vor dem vielleicht entscheidenden Spiel um die Deutsche Fußball-Meisterschaft zwischen Borussia Dortmund und Bayern München spielen beide Seiten die Brisanz des Duells herunter und wollen den Druck auf die Mannschaften reduzieren. Der Münchner Präsident Uli Hoeneß verkörpert die Strategie wie so oft am eindrucksvollsten.

Thomas Hummel

Die Strategie des FC Bayern München verkörperte wie immer am besten Uli Hoeneß. Der Klubpräsident hat einen Ruf, aufmüpfige Konkurrenz mit gezielten Sprüchen aus der Balance zu bringen. Seine Wortgefechte mit Willi Lemke (Bremen) oder Christoph Daum (Köln/Leverkusen) sind legendär. Am Ende fuhr die Meisterschale fast immer nach München.

Auch im Hinspiel in München gingen schon alle Beteiligten höchst freundlich miteinander um. Die Dortmunder gewannen mit 1:0. (Foto: imago sportfotodienst)

Und nun, fünf Tage vor dem Duell gegen den Titelkonkurrenten 2012, Borussia Dortmund? Uli Hoeneß schritt nach dem 2:1-Erfolg gegen den FC Augsburg durch die Interviewzone der Münchner Arena, die Kameraleute schalteten das Licht an, die Mikrofone liefen, "Herr Hoeneß, bitte", "Herr Hoeneß, ein Wort zu Dortmund", "Herr Hoeneß!". Doch Herr Hoeneß legte den Kopf ein wenig schief, sein Mund verzog sich zu einer Art Lächeln, und er ging dem Ausgang entgegen. Uli Hoeneß sagte: kein Wort.

Leiser hatten sich der Rekordmeister und sein Präsident vor einem derart entscheidenden Spiel um die Deutsche Meisterschaft wohl nie gegeben. Am Mittwoch können die Münchner nach einem Sieg in Dortmund (20 Uhr, Liveticker auf SZ.de) zum ersten Mal seit Ende Januar wieder Tabellenführer sein. Sie haben nach neun Pflichtspiel-Siegen in Serie den Rückstand auf Platz eins bis auf drei Punkte reduziert und verfügen über das bessere Torverhältnis. Es ist die Chance, die widerspenstigen Westfalen auf den Rang zu verweisen, der ihnen nach bayerischem Verständnis gebührt: hinter den FC Bayern. Aber so sehr es am Samstagnachmittag auch manch ein Reporter versuchte: Eine Kampfansage alten Stils ließ sich einfach kein Bayern-Akteur entlocken.

Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender, sprach von einem "Gigantentreffen", einem "Gigantengipfel". Mit welchem Ende? "Ich bin kein Hellseher, die Bundesliga ist kein Wunschkonzert."

Philipp Lahm, Kapitän: "Wir wollen in Dortmund punkten und die Tabellenführung zurück, aber dass das nicht leicht wird, ist klar." Bastian Schweinsteiger, Vizekapitän, sagte binnen zwei Minuten dreimal den Satz: "Es wird nicht einfach." Allein Christian Nerlinger, Sportdirektor, sieht immerhin "eine breite Brust", mit der seine Mannschaft nun nach Dortmund reisen wird.

Das Vorspiel aus München vor dem "Gigantengipfel" erinnert an den Ton der Staats- und Regierungschefs vor einem Eurokrisen-Gipfel in Brüssel: Nur ja niemanden reizen, nur ja keine Missstimmung erzeugen, die Brisanz aus der Veranstaltung nehmen. Und die Fragen lauten: Haben die Bayern nach drei Niederlagen in Serie in den vergangenen Duellen wirklich so viel Respekt vor Borussia Dortmund? Wollen sie den Gegner einlullen? Wollen sie Dortmund mit den eigenen Waffen besiegen?

Auf Münchner Sticheleien reagierten die Dortmunder bislang überlegt und unberührt, sie schienen die Mannschaft und den Klub nur stärker zu machen. Und selbst hat die Borussia den verbalen Nichtangriffspakt längst kultiviert. Da war es fast überraschend, dass sich Verteidiger Mats Hummels dazu hinreißen ließ, bei einem eigenen Sieg am Mittwoch von einer Vorentscheidung im Kampf um den Titel zu sprechen: "Wenn wir gewinnen, glaube ich nicht, dass wir uns das noch nehmen lassen", sagte der Nationalspieler. Und Mittelfeldspieler Sebastian Kehl schob hinterher: "Ich glaube schon, dass die Bayern beeindruckt sind, wir haben 23 Mal in Folge nicht verloren."

Ihr Trainer Jürgen Klopp wehrte derartige Vorhersagen wie immer rüde und zugleich sprachwitzig ab: "Ich habe nicht den Eindruck, dass eine Vorentscheidung fällt. Und das ist für mich, ehrlich gesagt, die einzig relevante Meinung." Um die Partie sogleich zu einem netten Unterhaltungsfest für alle herunter zu dimmen: "Was gibt es Schöneres, als am Mittwoch bei so einem Spiel dabei sein zu können. Deshalb wollten auch so viele Leute eine Karte. Ich bin froh, dass ich eine ergattern konnte."

Die Verantwortlichen beider Vereine wollen merklich die Bedeutung der Partie am Mittwoch herunterspielen. Was ihnen allerdings intern kaum gelingen wird. Zu sehr wird Fußballdeutschland am Mittwoch auf dieses Spiel fokussiert sein, TV-Stationen aus 200 Ländern sollen sich angemeldet haben. Spanien hat den Clásico Barcelona gegen Real, Argentinien den Superclásico River gegen Boca, England hat dieses Jahr das Manchester-Derby, Italien Juventus gegen Milan. Und in Deutschland spitzt sich die Entscheidung eben auf Dortmund gegen Bayern zu.

So brav und zurückhaltend die Töne vor diesem Spiel sind, so motiviert und entschlossen werden die Spieler am Mittwochabend auf den Rasen gehen. Und vielleicht ändert dann Uli Hoeneß während der 90 Minuten in Dortmund auch wieder die Sprach-Strategie des FC Bayern.

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