Vor dem Rückspiel in Piräus:Auf Wiedersehen

2018 World Cup Qualifications - Europe - Croatia vs Greece

Zuschauer bei der griechischen Tragödie: Trainer Michael Skibbe.

(Foto: Antonio Bronic/Reuters)

Nach dem schwachen Auftritt von Griechenland im Hinspiel beim 1:4 in Kroatien glaubt niemand an ein weiteres griechisches Fußball-Wunder. Für Trainer Michael Skibbe dürfte sein Abenteuer vorzeitig zum Ende kommen.

Von Tobias Schächter, Athen/München

Michael Skibbe kennt die angenehmen Seiten, die das Leben als Trainer der Fußball-Nationalmannschaft Griechenlands bietet. Im Athener Nobelvorort Glyfada genießt der Gelsenkirchener seit zwei Jahren die Zeit zwischen den Länderspielen und versucht in der Oase zwischen Strand und Großstadt auch den griechischen Nachwuchsfußball neu zu ordnen. Als er jüngst gefragt wurde, ob er gerne weiter als erster Trainer in Griechenland arbeiten wolle, antwortete Skibbe: herrliches Wetter, tolles Land, tolle Menschen - er würde schon gerne bleiben.

Nach Stand der Dinge aber endet Skibbes Vertrag nun schon Ende des Jahres und nicht erst nach Ablauf der kommenden WM nächsten Sommer in Russland. Und eine Weiterbeschäftigung Skibbes dürfte auch davon abhängen, wie sich sein Team am Sonntagabend in Piräus beim Rückspiel des Playoff-Duells zur WM in Russland gegen Kroatien präsentiert. Am Donnerstag ging Skibbes Auswahl im Hinspiel in Kroatiens Hauptstadt Zagreb mit 1:4 unter. Um doch noch zur WM zu fahren, müssen die Griechen nun am Sonntag mindestens 3:0 gewinnen. Aber daran glaubt nach dem Auftritt von Zagreb niemand. Wunder geschehen ja doch nicht immer wieder, zumal der griechische Fußball mit dem legendären Gewinn der Europameisterschaft 2004 mit dem deutschen Trainer Otto Rehhagel seinen Wunderkredit wohl für alle Ewigkeit aufgebraucht hat. Und Michael Skibbe merkt nun plötzlich, wie unangenehm das Leben als Nationaltrainer in Hellas auch sein kann. Nach all den vernichtenden Kritiken am Freitag sah er diesen Samstag sein Gesicht auf der Titelseite des Blattes SportDay und darüber die Überschrift in deutscher Sprache: "Auf Wiedersehen".

Alle Pluspunkte auf einmal verspielt

Die griechische Sportpresse neigt zur Hysterie. Das gleiche Blatt hatte am Freitag die Leistung der griechischen Profis in Kroaten als "noch nie da gewesene Blamage" gebrandmarkt. Das ist zwar übertrieben, aber der Auftritt erinnerte doch an längst überwunden geglaubte Zeiten: Als der ehemalige Bundesligatrainer und Assistent von Nationalcoach Rudi Völler vor zwei Jahren in Griechenland übernahm, lag der Fußball dort brach: Geprägt von der wirtschaftlichen Krise des Landes, von Fankrawallen und Manipulationsvorwürfen, versank der Ligabetrieb im Chaos; und die Nationalmannschaft, eine Ansammlung von Streithanseln, stand nach zwei blamablen Pleiten gegen die Faröer-Inseln am Ende ihrer EM-Qualifikationsgruppe.

Angesichts dieser Ausgangslage hat Skibbe mit dem Erreichen der Playoffs hinter Gruppensieger Belgien und vor Bosnien-Herzegowina bislang einiges erreicht. Aber nach dem Debakel von Zagreb sehen auch weniger reißerische Medien die Zukunft des deutschen Trainers im Land gefährdet. Die Zeitung Eleftheros Typos analysierte am Samstag: Der deutsche Trainer habe es in 90 Minuten geschafft, sämtliche Punkte, die er in früheren Spielen gewonnen habe, wieder zu verlieren. Besonders schlecht kam eine Aussage Skibbes auf der Pressekonferenz direkt nach dem Spiel an. Skibbe hatte erklärt: "Wir sind ein Team, und jeder kann auf dem Platz Fehler machen. Selbst der Trainer kann Fehler machen. Heute glaube ich nicht, dass ich viele Fehler gemacht habe." Mit diesen Sätzen habe es sich Skibbe "auch mit denjenigen verscherzt, die ihn bisher unterstützt haben", vermutet Eleftheros Typos.

Vor dem Anpfiff in Zagreb hieß es noch, auch die Verantwortlichen beim griechischen Fußballverband seien an einer weiteren Zusammenarbeit mit Skibbe interessiert, dem der ehemalige Bundesligaprofi Thomas Stratos assistiert. Man darf gespannt sein, inwieweit sich der Verband bei der anstehenden Trainerentscheidung positioniert, sollte auch das Rückspiel gegen die Kroaten ein Rückfall in finstere Zeiten werden. Skibbe weiß, worauf es ankommt beim Endspiel in Piräus, er sagt: "Wenn es nicht klappt, wollen wir uns wenigstens erhobenen Hauptes verabschieden."

Heulkrampf auf der Auswechselbank

Doch wie soll das gelingen? Die Mannschaft wirkte desillusioniert, Konstantinos Stafylidis wurde dabei zum Sinnbild für die Verzweiflung, die die Gedemütigten schon während des Debakels erfasste. Der Bundesligaprofi des FC Augsburg saß nach seiner Auswechslung (71.) heulend auf der Auswechselbank. Es war ein Bild des Jammers, der Heulkrampf schien nicht mehr enden zu wollen. Aber woher auch den Trotz nehmen, nach einer solchen Vorführung?

Dieser griechischen Elf fehlt grundsätzlich Kreativität nach vorne. Weil Offensivspieler Anastasios Donis vom VfB Stuttgart verletzt fehlt, ist Stürmer Konstantinos Mitroglu von Olympique Marseille einziger Stürmer von Format. In der Gruppenphase hatten die Griechen nur sechs Gegentore zugelassen und waren in der Statistik der gewonnenen Zweikämpfe die beste Mannschaft überhaupt. In Zagreb wirkten diese Fakten aber wie eine Lüge. Auch die beiden grimmigen Bundesligaverteidiger Sokratis (Borussia Dortmund) und Kyriakos Papadopoulos (Hamburger SV), wirkten im Angriffswirbel der agilen Kroaten wie Statuen. Kapitän Sokratis ätzte: "Für die Bedeutung des Spiels waren wir nicht wirklich anwesend; die Tore, die wir bekommen haben, waren lächerlich." Ob die Griechen und ihr Trainer noch einmal aus der Schockstarre finden?

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