Vor dem Ironman in Hawaii:Ein Tüftler aus Eisen

Ironman-Triathlet Timo Bracht hat in diesem Jahr alle Großen geschlagen, bei der WM in Hawaii gilt er als Mitfavorit. Dabei vertraut er auf kühle Waden.

Thomas Hummel

Timo Bracht hat einmal vor einem Wettkampf verschiedene Socken nass gemacht und sie anschließend gewogen, um eventuell ein paar Gramm weniger über die Strecke zu schleppen. Ein anderes Mal hat er Kompressionsstrümpfe getestet, die seine Wadenmuskulatur kühlen sollten. Stundenlang, so heißt es, schraubt er an seinem Fahrrad herum, um die Aerodynamik zu verbessern, um Gewicht zu sparen. Timo Bracht wird wegen solcher Episoden in der Triathlonszene "penibler Tüftler" genannt. Auch wenn er das selbst nicht so gerne hört. Er sagt: "Ich denke, dass ich einfach nur sehr professionell an die Sache herangehe."

Vor dem Ironman in Hawaii: Sein größter Sieg: Timo Bracht gewinnt Anfang Juli den Ironman in Frankfurt.

Sein größter Sieg: Timo Bracht gewinnt Anfang Juli den Ironman in Frankfurt.

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Wie man es auch nennt, der 32-Jährige aus Eberbach am Neckar ist mit seiner Art in der Weltspitze der Langstrecken-Triathleten angekommen. Wenn am Samstag bei der Ironman-Weltmeisterschaft in Hawaii vor allem Deutsche als Favoriten gelten, fallen dabei nicht nur die Namen Normann Stadler (Sieger 2004 und 2006) und Faris Al-Sultan (Sieger 2005). Viele trauen Timo Bracht den großen Sieg zu.

Das liegt vor allem daran, dass er die populären Kollegen in diesem Jahr schon bei einem großen Rennen geschlagen hat. Beim Ironman in Frankfurt Anfang Juli lief zur Überraschung vieler weder die braungebrannte Diva Stadler noch der bärtige Naturbursch Al-Sultan als Erster ins Ziel, sondern der schlaksige, recht unscheinbare Timo Bracht. Und das mit einem neuen Streckenrekord. "Das war der absolute Knaller für mich. Mein Leben als Sportler und Privatperson hat sich verändert", sagt er.

"Denen werde ich es zeigen"

Vorher, das war die Zeit, in der fast ausschließlich Stadler und Al-Sultan im Rampenlicht standen. Vor dem Frankfurter Ironman gaben sie Interviews in Zeitungen und im Fernsehen. Für Bracht, der ein Jahr zuvor immerhin Zweiter in Frankfurt gewesen war, interessierte sich kaum jemand. "Ich habe daraus eher Kraft geschöpft, auf die Art 'denen werde ich es zeigen'."

Seit seinem Sieg kann er sich über fehlende Aufmerksamkeit indes nicht mehr beschweren. Sogar im Kindergarten seines Sohnes wurden Glückwunschplakate für ihn gemalt, der Postbote drückt nun vor den Rennen die Daumen. Und in Frankfurt waren auch "die Sponsoren begeistert", was das Dasein als Triathlon-Profi erheblich erleichtert.

Dass sein Beruf einmal aus 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und 42,195 Kilometer Laufen bestehen würde, war allerdings lange nicht abzusehen. Die Familie war dem Skisport zugeneigt, Bruder Kai brachte es bis zum Junioren-Skisprung-Weltmeister, er selbst begann mit Nordischer Kombination. 1993 wechselte er dann zum Triathlon, Geld verdiente er als Trainer in Fitnessstudios.

Ein Tüftler aus Eisen

Erst mit 29 Jahren entschloss sich Bracht, Triathlon professionell zu betreiben, ohne einen Betreuer, ohne Beratung durch den Verband. Er betreibt den Sport als Einzelkämpfer, schreibt seine Trainingspläne selbst. "Ich trainiere sehr hart, viel und clever", sagt er. Über das Jahr verteilt kommt er nach eigener Rechnung auf 800 Kilometer im Wasser, 27.000 auf dem Rad und 3500 in den Laufschuhen.

Doch obwohl er seit Jahren zu den Besten im Ironman-Triathlon gehört, benötigte Timo Bracht einen großen Sieg, damit die Öffentlichkeit auf ihn aufmerksam wurde. Bracht glaubt: "Nur wenn du ganz oben bist oder warst, wird über dich berichtet." Was schade ist, denn Timo Bracht hätte schon vor Frankfurt einiges erzählen können.

"Wir Sportler brauchen auch Hilfe"

Dem Thema Doping-Generalverdacht gegen Ausdauersportler zum Beispiel begegnet er mit dem "umfangreichen Blut- und Urin-Kontrollsystem mit DNA-Profil", das vom Frankfurter Veranstalter initiiert wurde. "Wenn das alles nicht reicht, sollen mir die Kritiker bitte sagen, was noch zusätzlich nötig ist. Wir Sportler brauchen auch Hilfe und Beratung von außen. Draufhauen kann jeder und dient der Sache nicht."

Und warum die Deutschen seit einigen Jahren die Ironman-Szene beherrschen? "Die 'Germans' sind international berühmt und berüchtigt für ihr hartes und umfangreiches Training. Die typischen Tugenden wie Wille, Ausdauer, Kampf, Einstellung helfen beim Ironman sehr." Dennoch wolle er nicht, dass die Triathleten als "verbissene und verbohrte Trainingsmaschinen" angesehen werden, sondern "die Mischung aus entbehrungsreichem Training, eigenverantwortlichem Handeln und easy living" mache den Reiz der Sportart aus.

Bisher nur Platz acht in Hawaii

Trotz aller Akribie und Innovation gelang ihm in Hawaii allerdings bisher kein gutes Ergebnis. Einmal war er durch einen Radsturz im Vorfeld gehandicapt, einmal wurde er wegen Windschattenfahren disqualifiziert, seine beste Platzierung war Rang acht. Er habe "den Schlüssel, um hier zu gewinnen, bisher noch nicht gefunden", sagt er. Vielleicht hilft ihm ja, dass er auf seinem neuen Rad noch etwas tiefer mit dem Oberkörper sitzt und so dem Wind auf der Pazifik-Insel weniger Angriff bietet. Dazu hat er die Sattelstellung verändern lassen, "da geht es um Millimeter", sagt er.

Und natürlich hat er seine "bewährten Siegersocken" aus Frankfurt eingepackt, knielange Kompressionssocken. "Am Anfang sah das ein bisschen komisch aus, mittlerweile sind sie der Renner."

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