Vor dem Formel-1-Finale:Eine rücksichtslose Wettfahrt

Im brasilianischen Sao Paolo erwartet die Formel 1 das spannendste Finale seit Jahren. Drei Fahrer können noch Weltmeister werden - und das sind zwei zu viel.

René Hofmann

Die Wettervorhersage verspricht Regen für die nächsten Tage in São Paulo. Kommt es so, dürfte es zum Abschluss noch einmal besonders lustig werden. In der Formel1, in der Hunderte Ingenieure im Voraus zu berechnen versuchen, was in jeder Sekunde passiert, geht es drunter und drüber, wenn es feucht wird. Zwei Schlechtwetter-Rennen in Fuji und in Schanghai haben dafür gesorgt, dass am Sonntag um 18 Uhr deutscher Zeit das spannendste Finale seit Jahren steigt. Der Brite Lewis Hamilton startet mit 107 Punkten, sein spanischer McLaren-Mercedes-Kollege Fernando Alonso kommt auf 103, der finnische Ferrari-Lenker Kimi Räikkönen auf 100.

Vor dem Formel-1-Finale: Die Reifen sind schon mal da: Sao Paolo wartet auf das spannendste Formel-1-Finale seit 1986.

Die Reifen sind schon mal da: Sao Paolo wartet auf das spannendste Formel-1-Finale seit 1986.

(Foto: Foto: dpa)

Drei Piloten mit Titelchance im Finale - das gab es zuletzt 1986. Damals siegte in Adelaide der Franzose Alain Prost, weil am Auto des als Favorit gestarteten Nigel Mansell bei Tempo 300 ein Reifen platzte und der Dritte im Bunde, Nelson Piquet, davon aufgeschreckt sicherheitshalber seine Pneus noch einmal wechseln ließ. Der Motorsport hat oft gezeigt: Auf der letzten Runde ist alles möglich.

Die drei Kandidaten starten aus völlig unterschiedlichen Ausgangslagen: Hamilton wäre mit 22 Jahren der jüngste Weltmeister der WM-Historie, er wäre der Erste, dem schon im Debüt-Jahr der Triumph glückt, und er wäre der erste dunkelhäutige Weltmeister. Hamilton zieht zwar mit Vorsprung los, aber auch mit dem Handicap, erstmals auf der Strecke von Interlagos zu fahren.

Für Alonso wäre es der dritte WM-Titel in Serie und ein besonderer Triumph: Seit Monaten terrorisiert er sein McLaren-Mercedes-Team, zu dem er erst im Winter gewechselt war. Der Spanier fühlt sich in dem britischen Rennstall nicht hoch genug geschätzt. Für Räikkönen, der nach dem siebten der 17 Rennen bereits 26 Punkte zurücklag, wäre es ein später Triumph. 2003 bot sich ihm schon einmal eine Titelchance. Damals verlor er gegen Michael Schumacher, dessen umjubelter Nachfolger er jetzt bei Ferrari werden kann.

High-Tech-Zellen und Spionage

Egal, wer am Ende ganz oben steht - das Finale ist die würdige Krönung einer turbulenten Saison, die interessante Einblicke in die Szene gab. Spektakuläre Unfälle zeigten, wie gefährlich die Wettfahrten immer noch sind. Weil aber alle Havarierten den Wracks weitgehend unverletzt entstiegen, wähnen sich die Piloten dank der High-Tech-Fahrerzellen nicht mehr in Lebensgefahr. Und im Zuge der großen Spionage-Affäre kam heraus, wie systematisch jeder im Fahrerlager nach Geheimnissen des Konkurrenten forscht.

Weil der Chefmechaniker von McLaren-Mercedes 780 Seiten vertraulicher Ferrari-Unterlagen zu Hause hortete, wurde der Rennstall vom Sportgericht aus der wichtigen Konstrukteurswertung geworfen und zu einer Rekordstrafe von 100Millionen Euro verurteilt. Pikanterweise blieben die Fahrer unbestraft. Titelverteidiger Fernando Alonso profitierte von der Kronzeugenregelung. Zuvor hatte er mit seinem Wissen offenbar versucht, sich vom eigenen Team freizupressen. Um zu verhindern, dass er beim Saisonfinale in der McLaren-Mercedes-Box gegenüber Hamilton benachteiligt wird, wünscht er sich nun sogar einen amtlich bestellten Aufpasser in der Garage.

Wie bedingungslos an der Rennstrecke um Vorteile gerungen wird, war lange nicht mehr so gut zu beobachten wie in dieser Saison. Die Rennkommissare ermittelten eifriger als je zuvor. Auf den Pisten wurde gerempelt und geblockt - und eine rücksichtslose Wettfahrt wird auch am Sonntag befürchtet. Es wird ein Verdrängungsprozess, denn drei Anwärter sind zwei zu viel.

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