Vollmer gegen Werner in der NFL:"Dieses Duell ist großartig für Deutschland"

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Björn Werner (links) will die Super Bowl erreichen - Sebastian Vollmer auch. (Foto: dpa)

Patriots gegen Colts, Sebastian Vollmer gegen Björn Werner: Ein deutscher NFL-Profi wird in diesem Jahr die Super Bowl erreichen. Im Halbfinale sind beide eher für die Geheimdienstaufgaben zuständig.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Sebastian Vollmer gehört wahrlich nicht zu jenen Menschen, die einfach zu übersehen sind. Er ist 2,03 Meter groß und 145 Kilogramm schwer, eine Ein-Mann-Naturgewalt mit prächtigem Baumfäller-Bart - und doch fällt es Zuschauern, die mit der Sportart Football nicht besonders vertraut sind, bisweilen schwer, den Right Tackle der New England Patriots auf dem Spielfeld zu identifizieren. Er wühlt und ackert da vorne als Mitglied der Offensivlinie, er beschützt den Spielmacher Tom Brady oder blockt Lücken für die Laufspieler Jonas Gray und Shane Vereen. Auf die konzentrieren sich die Kameras, Vollmer dagegen ist im Geheimdienst ihrer Majestät unterwegs: unauffällig, jedoch höchst effektiv.

Beim Halbfinale der Profiliga NFL zwischen den Patriots und den Indianapolis Colts (Montag 0.40 Uhr MEZ/live in Sat1 und im Stream auf ran.de) dürfte es nun zu zahlreichen Rangeleien zwischen zwei deutschen Profis kommen: Björn Werner ist Verteidiger bei den Colts, ein Outside Linebacker und damit möglicher direkter Gegenspieler von Vollmer. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Liga duellieren sich zwei deutsche Footballspieler um den Einzug in die Super Bowl, die in diesem Jahr am 1. Februar im University of Phoenix Stadium ausgetragen wird.

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Ein deutscher Spieler erreicht in jedem Fall das Finale

Derzeit sind vier deutsche Profis in der NFL angestellt, neben Vollmer und Werner sind das Kasim Edebali (New Orleans Saints) und Markus Kuhn (New York Giants), dem kürzlich der erste Touchdown eines deutschen Akteurs in der Liga gelang. Sicher ist nun, dass ein deutscher Spieler bei diesem gewaltigen Spektakel dabei sein wird. "Das ist das Größte, was man kriegen kann", sagt Vollmer, 30, der seit 2009 in der NFL agiert und Anfang 2012 mit den Patriots im Finale den New York Giants unterlag: "Dieses Duell ist großartig für Deutschland." Vor Vollmer hatte bislang nur Uwe von Schamann das Finale erreicht, der Kicker aus Berlin verlor mit den Miami Dolphins das Endspiel gleich zwei Mal (1983 und 1985). Einen deutschen Profi mit einem Meisterschafts-Ring am Finger gibt es also noch nicht.

Nun ist auch Werner nicht gerade ein leicht zu übersehendes Wesen, 116 Kilogramm verteilen sich da auf 1,90 Meter - und doch lässt sich das Duell der beiden vereinfacht so ausdrücken: Je weniger bei diesem Spiel von Vollmer und Werner zu sehen sein wird, desto besser für Vollmer. Es gehört zu Werners Aufgaben als Pass-Rusher, sich durch die Verteidigungslinie von Vollmer zu wühlen und Brady daran zu hindern, ungestört seine Passempfänger Rob Gronkowski, Julian Edelman und Brandon LaFell anzuspielen. Bestenfalls soll er Brady gar für Raumverlust zu Boden reißen. "Wenn einem auf meiner Position ein Quarterback-Sack gelingt, dann kann man auch im Vordergrund stehen", sagt Werner. Dahinter oder daneben wäre dann vermutlich ein deprimierter Sebastian Vollmer zu sehen, der das erlaubt hat.

"Björn weiß genau, was er machen muss und wie er sich gegenüber seinem Gegenspieler einen Vorteil verschaffen kann. Deshalb wird er eine Herausforderung sein", sagt Vollmer. Bereits im November standen sich die beiden während einer Partie der regulären Saison gegenüber, die Patriots gewannen mit 42:20. Vollmer und Werner lieferten sich dabei einige Rangeleien, die jedoch weitgehend unauffällig blieben. Heißt übersetzt: Vollmer hat dieses Duell am 11. Spieltag deutlich für sich entschieden.

Werner, 24, gilt ohnehin als Akteur, dessen Qualität und Talent sich nicht unbedingt in Statistiken widerspiegeln. Vier Sacks und 50 Tackles schaffte er in dieser Saison - das sind noch nicht die Zahlen, die in der NFL erwartet werden von einem First-Round-Pick (Werner wurde 2013 an 24. Stelle seines Jahrgangs gewählt). "Er spielt uneigennützig, er lässt seine Mitspieler die Spielzüge beenden", sagt sein ehemaliger High-School-Trainer Chris Adamson: "Er sorgt dafür, dass seine Mannschaft gewinnt, Statistiken oder Auszeichnungen sind ihm egal." Werner selbst sagt über sich, dass seine persönliche Entwicklung noch längst nicht abgeschlossen sei: "Ich bin noch nicht da, wo ich hin will, ich habe noch viel Arbeit vor mir."

In den Vereinigten Staaten konzentrieren sich die Debatten freilich weniger auf die deutschen Geheimdienst-Mitarbeiter als vielmehr auf die jeweiligen Majestäten. Bei den Patriots etwa auf Tom Brady, der seinem Klub am vergangenen Wochenende gegen die Baltimore Ravens zum gewaltigsten Playoff-Comeback der Vereins-Geschichte verholfen hat - mit Hilfe von Vollmer, der die Gegenspieler Terrell Suggs und Elvis Dumervil nicht in die Nähe des Spielmachers ließ. Oder auf Trainer Bill Belichick, von dem es aufgrund seiner strategischen Qualitäten bisweilen heißt, dass er Schach spielen würde, während sich alle anderen Trainer in der Disziplin Dame versuchen würde. Im November etwa verblüffte er die Colts mit einer Sechs-Mann-Offensivlinie und sorgte dadurch dafür, dass Running Back Jonas Gray vier Touchdowns erzielen konnte.

Die Frage lautet also: Wie wird Colts-Trainer Chuck Pagano auf die Trickspielzüge und taktischen Kniffe seines Gegners reagieren? Und wie wird er seinen eigenen Spielmacher Andrew Luck einsetzen? Der ließ sich während des Viertelfinales am vergangenen Sonntag nicht umreißen, präsentierte überraschend seine Beweglichkeit und blieb in prekären Momenten gelassen (er musste 16 Mal eilig werfen). Seine Jugend verbrachte Luck übrigens unter anderem in Frankfurt, weil sein Vater Oliver für die NFL Europe (als Liga-Präsident und Manager von Frankfurt Galaxy und Rhein Fire) arbeitete.

Ein super Leader - und ein Supertyp

"Er ist ein super Leader und ein noch besserer Mensch. Er hat schon so viel bewiesen, ihm fehlt nur noch der Super Bowl", sagt Werner über den Quarterback. Auch für seinen Landsmann Vollmer findet er nur lobende Worte: "Sebastian ist ein Supertyp und einer der besten Profis auf seiner Position. Ich wünsche ihm nur das Beste. Am Sonntag ist er jedoch nur ein Gegner wie jeder andere."

Ein Gegner, dem er schon jetzt verwehren will, am 1. Februar einen dieser fetten Meisterschaftsringe überzuziehen. Denn wer so einen Klunker am Finger trägt, der ist zumindest für Anhänger dieser Sportart niemals zu übersehen.

© SZDigital vom 17.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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