Volleyball:Wurm im Kopf

Timo Lippuner Rote Raben Vilsbiburg Trainer jubelnd Porträt Einzelbild Volleyball 1 Bundesl; Timo Lippuner

„Im Januar sollten alle auf dem gleichen Stand sein – athletisch wie taktisch.“ – Trainer Timo Lippuner.

(Foto: imago/Steffen Prößdorf)

Die Roten Raben Vilsbiburg scheitern im Pokal-Viertelfinale an Schwerin und den eigenen Nerven - ihr Findungsprozess geht weiter.

Von Katrin Freiburghaus

Das Spiel dauerte nur 80 Minuten, der Schock saß noch am Tag danach tief. Vilsbiburgs Volleyballerinnen hatten im Pokal-Viertelfinale gegen Meister Schwerin am vergangenen Sonntag viel vorgehabt und es einen knappen Satz lang auch umgesetzt. Doch dann vergab das Team von Trainer Timo Lippuner sechs Satzbälle und verlor jeden Zugriff auf die Partie. Das 0:3 (25:27, 16:25, 19:25) auf der Anzeigetafel markierte den unbefriedigenden Abschied aus dem Pokalwettbewerb und das Verfehlen des ersten Saisonziels.

Ins Finale nach Mannheim hatte es der Klub schaffen wollen, auch wenn klar gewesen sei, "dass wir gegen Schwerin einen harten Kampf, Glück und einen richtig guten Tag brauchen", wie Geschäftsführer André Wehnert am Montag sagte. All das hatte Vilsbiburgs noch im Findungsprozess befindliches Team angeboten - bis zum Stand von 24:19 im ersten Satz. "Ich bin immer noch sprachlos, dass wir den nicht gewonnen haben", sagte Wehnert. Da die günstigere Spielsituation beim Volleyball jene ist, in der das Aufschlagsrecht beim Gegner liegt, ist ein solcher Vorsprung auf Erstliganiveau im Grunde nicht mehr zu verspielen. Vilsbiburg hatte sozusagen einen Elfmeter, bei dem der Torwart bereits am Boden lag, und schoss ihm in die Arme.

"Jetzt kommt für uns der Monat der Wahrheit", sagt Lippuner

Coach Lippuner sah dem Geschehen fassungslos zu. Er nahm noch eine Auszeit, versuchte die Nervosität zu lösen - alles vergeblich. Überheblichkeit, sagte er bestimmt, sei nicht der Grund gewesen, "eher das Gegenteil, die eine oder andere ist erschrocken, dass wir es tatsächlich schaffen können - das war Angst vorm Gewinnen". Die Schlüsselspielerinnen leisteten sich Fehler, niemand auf dem Feld habe dem Druck standgehalten und gesagt: "Los, ich mach den Ball jetzt, und dann ist Schluss". In dieser Situation war es wenig zweckdienlich, dass noch immer kein Ersatz für Angreiferin Vanessa Agbortabi vom VCO gefunden ist, die zwar auch für Vilsbiburg spielberechtigt ist, in Berlin aber noch die Schule beenden muss. Lippuner fehlte somit die Möglichkeit, eine mental frische Angreiferin einzuwechseln.

Was nach dem Satzverlust folgte, hatte mit einem Wettkampf nicht mehr viel zu tun. Schwerin agierte wie in einem besseren Trainingsspiel. "Die waren nicht überragend, es war unser Verschulden, dass wir das Selbstvertrauen nicht wiedergefunden haben", monierte Wehnert. Lippuner sah zwei quälend lange Sätze mit an, wie nichts von dem, was anfangs funktioniert hatte, mehr griff. "Wenn der Wurm im Mentalen sitzt, nützt die Taktik nichts", sagte er resigniert. Zu Spielbeginn hatte Vilsbiburg Schwerins Annahmegewohnheiten hervorragend ausgeguckt und ein schnelles Aufbauspiel der Gäste konsequent unterbunden, nun reagierte das Team nur noch.

"Das war die Wirkung des ersten Satzes", sagte Lippuner. Auch Wehnert äußerte Verständnis dafür, "dass das im Kopf hängenbleibt", fügte allerdings hinzu: "Ich habe das Aufbäumen vermisst." Den größten Handlungsbedarf sieht Lippuner auf psychologischer Ebene: Grundsätzlich ist der Schweizer mit der Entwicklung zufrieden, "aber dass wir uns so schnell verunsichern lassen, ist ein Problem, da hatte ich mit mehr Leaderqualitäten gerechnet".

Die Lage ist dennoch nicht dramatisch. Ligaprimus Schwerin ist im Kampf um den Anschluss an die Ligaspitze, also Tabellenplatz vier oder fünf, nicht der Maßstab. "Jetzt kommt für uns der Monat der Wahrheit", sagte Lippuner", "wir brauchen neun Punkte aus vier Spielen."

Vilsbiburg zollt noch immer der zerfahrenen Saisonvorbereitung Tribut, weshalb es vorrangig um eine gute Ausgangsposition für die Rückrunde geht. "Im Januar sollten alle auf dem gleichen Stand sein - athletisch wie taktisch", sagte Lippuner. Speziell mental anspruchsvolle Situationen ließen sich im Training jedoch nur bedingt reproduzieren. Er selbst benötige Zeit, um auszuloten, "welcher Spielerin ich noch zehn Anweisungen mehr geben kann, und welche von den ersten zehn schon nur eine verarbeitet kriegt". Vier Spiele in vier Wochen sind jedenfalls eine gute Arbeitsgrundlage.

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