Volleyball-Bundesligist Haching:Nach Weihnachten beginnt die Abwicklung

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Hachings Spieler wie Ewoud Gommans (links, gegen Berlins Tomas Kmet) sind bereits auf Bewerbungstour. (Foto: dpa)

Neben dem Fußball wächst in München gerade eine teure neue Sportlandschaft, doch Volleyball-Bundesligist Haching kann nicht mithalten und bereitet sich auf sein Ende vor. Die gesamte Liga droht damit Schaden zu nehmen. Dabei hätten die Hachinger gerade eine zukunftsträchtige Mannschaft.

Von Sebastian Winter

Vor zwei Wochen war Thomas Krohne zu Besuch bei Unterhachings Volleyballern. Der Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) sah sich in der Münchner Vorstadt das erste Saisonspiel des viermaligen Pokalsiegers gegen Aufsteiger Coburg/Grub an. Krohne lebt in München, die Visite lag nahe. Sie sollte auch ein Zeichen des umtriebigen Funktionärs sein, der von Beruf Sportrechtevermarkter ist und gerade versucht, Volleyball zu entstauben.

"Ich hoffe, dass wir zu den vor uns liegenden Sportarten Handball, Basketball und Eishockey aufschließen", sagte Krohne im vorigen Jahr, kurz nach seinem Amtsantritt. Den Fußball hat der 51-Jährige bewusst ausgeblendet.

Jedenfalls hat Krohne an jenem Sonntagnachmittag einen klaren 3:0-Sieg der Unterhachinger gesehen. Doch was er an Zwischentönen hörte um dieses Bundesliga-Spiel herum, kann ihm nicht gefallen haben. Denn es sieht ganz danach aus, dass Generali Haching, wie sich der Klub nennt, bald nicht mehr existieren wird.

In diesem Frühsommer hat der Hauptsponsor angekündigt, sein Engagement bei Unterhachings Volleyballern nach der laufenden Saison zu beenden - der Versicherungskonzern sortiert sein komplettes Sportsponsoring neu, Haching passt nicht mehr ins Portfolio. Die Entscheidung reißt ein Loch von etwas mehr als einer Million Euro in den Etat, ein neuer Geldgeber ist nicht in Sicht.

"Die Tage sind gezählt, das ist die Realität", sagt Hachings Trainer und Geschäftsführer Mihai Paduretu. Er sieht noch sechs Wochen Zeit, um fündig zu werden. Dann ist Weihnachten, und danach ist es zu spät. "Es gibt gewisse Fristen, die wir einhalten müssen, um den Verein nicht in finanzielle Bedrängnis zu bringen. Im Januar werden wir mit der gesunden Abwicklung beginnen", sagt Paduretu.

Nur in Berlin steigen die Zuschauerzahlen

Es geht auch um sein Lebenswerk. Seit fast 17 Jahren ist der aus Rumänien stammende Paduretu Trainer in Unterhaching. Genauso lange wie Stelian Moculescu in Friedrichshafen, dessen Volleyball-Schüler Paduretu einst war. Der 46-Jährige hat Haching in die Bundesliga geführt und dort drei Mal ins Meisterschaftsfinale, außerdem zu vier Pokalsiegen und in die Champions League. Ohne ihn gäbe es den Klub nicht. Jetzt sagt Paduretu: "Es ist nur schade, weil hier jahrelange Arbeit verloren geht. Für den Volleyballsport - nicht für irgendeinen Spieler oder Trainer."

Unterhaching bildete jahrelang mit Friedrichshafen und den Berlin Recycling Volleys eine Dreierspitze im deutschen Männer-Volleyball. Doch die Kräfteverhältnisse haben sich in Richtung Hauptstadt verschoben. Der einstige SC Charlottenburg hat - anders als Friedrichshafen und Haching - eine Mannschaft, die seit Jahren zusammenspielt und nicht vornehmlich aus Wanderarbeitern besteht. Jahr für Jahr brechen die Berliner Zuschauerrekorde, während die Zahlen bei den beiden Konkurrenten stagnieren oder rückläufig sind.

Berlins Etat ist in diesem Jahr erneut gestiegen, er bewegt sich in Richtung zwei Millionen Euro. Berlins Volleyballer haben zudem ein großes Entsorgungsunternehmen im Rücken. Es ermöglicht ihnen, so viele hauptamtliche Mitarbeiter zu beschäftigen wie kein anderer deutscher Volleyball-Klub. Ihre Heimspielstätte, die Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg, könnte zudem zentraler kaum sein. Vor allem aber sind sie in ein Netzwerk der besten Berliner Profi-Sportklubs eingebettet: Auf einer gemeinsamen Plattform werben Hertha BSC, die Eisbären, Alba, die Füchse und die Recycling Volleys füreinander, Fans können sich Kombitickets kaufen.

In Unterhaching gibt es so etwas nicht. Am Münchner Stadtrand schmoren sie ein wenig im eigenen Saft, in familiärer, aber etwas piefiger Atmosphäre. Diego Contento und Horst Seehofer, die dort vorbeikamen, sind A-Promis. Die Volleyballer schauen, wie Libero Ferdinand Tille kürzlich sagte, "ein bisschen neidisch" in die Stadt. Zu den vom eigenen Klub großherzig unterstützten FC-Bayern-Basketballern, zu den Eishockeyspielern des EHC, auch wenn denen der neue Hauptsponsor zurzeit eher keine Flügel verleiht.

Neben dem Fußball erwächst dort gerade eine neue Sportlandschaft. Nur ohne Volleyball. "München würde es gut stehen, dass es bei uns weitergeht", sagt Paduretu: "Aber mit einem Mini-Budget um Platz neun oder elf zu spielen, das ergibt keinen Sinn. Mittelmaß interessiert in München niemanden." Das Problem sei auch, dass Volleyball Volkssport ist, aber nur als Randsport wahrgenommen werde.

Schaden für die Attraktivität der Liga

Vor etwa einem Jahr haben Unterhachings Volleyballer ein Experiment gewagt. Sie sind für das Heimspiel gegen Berlin in die Münchner Olympiahalle gezogen. Knapp 4000 Zuschauer kamen, kein schlechter Wert für den Anfang - in die eigene Halle passen nur 1500 Fans. Doch die Miete für die große Münchner Arena kostete viel Geld, die Volleyballer beendeten das Abenteuer ohne schwarze Zahlen. In der jetzigen Situation lassen sie solche Experimente erst recht sein. "Wir sind ein gesunder Verein", sagt Paduretu, "und wir werden keinen Euro Schulden machen."

Falls Unterhaching bald tatsächlich von der Volleyball-Landkarte verschwinden würde, gäbe es nur noch zwei deutsche Spitzenklubs. Das steigert die Attraktivität der Liga nicht gerade. Zwar lockten die Beachvolleyballer mit Olympia-Gold und auch das Frauen-Nationalteam bei der EM Millionen Zuschauer vor die Fernseher, die Bundesliga aber läuft nach wie vor nur in Nischensendern. Am Sonntag vor einer Woche sahen sich vielleicht 20 000 Zuschauer im Internet-Fernsehen das Spitzenspiel von Unterhaching in Friedrichshafen an.

Paduretus Mannschaft gewann 3:2, es war ein Erfolg der bittersüßen Art. Denn das Paradoxe ist, dass Unterhaching in dieser Saison eine junge, zukunftsträchtige Mannschaft hat, mit fünf deutschen Nationalspielern. "Sie haben viel frischen Wind gebracht in den Verein", sagt Paduretu. Der Wind kommt nur zu spät für den Verein. Die Spieler sind längst auch auf Bewerbungstour.

© SZ vom 02.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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