Volleyball-Bundesliga:"Wenn wir gewinnen, ist das ja uninteressant"

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Die Kräfteverhältnisse im deutschen Volleyball verschieben sich: Nach dem Halbfinal-Aus bei den Berlin Volleys hofft der Volleyball-Serienmeister VfB Friedrichshafen nun wenigstens auf eine Wildcard für die Champions League.

Max Bosse, Berlin

Am Ende wusste Stelian Moculescu nicht mehr, wohin er schauen sollte. Was er auf dem Feld zu sehen bekam, gefiel dem Trainer vom VfB Friedrichshafen jedenfalls ganz und gar nicht. Sein Blick schweifte durch die Max-Schmeling-Halle, in der 7042 orange gekleidete Berliner tobten, und blieb dann an der Decke haften. Fünf Punkte fehlten den Berlin Volleys zu diesem Zeitpunkt noch zum Einzug ins Finale um die deutsche Volleyball-Meisterschaft.

Leonardo dos Santos kann es nicht fassen: Nach sieben Meistertiteln in Folge scheiterte Serienchampion und Pokalsieger VfB Friedrichshafen im Playoff-Halbfinale an den Berlin Recycling Volleys. (Foto: Conny Kurth)

Kurz darauf senkte Moculescu den Kopf, die Augen starr auf den Boden gerichtet - da waren es nur noch drei. Beim Matchball der Berliner wanderte der Blick zunächst zu seinen Auswechselspielern in der Ecke, anschließend in Richtung Ausgang und dann war es tatsächlich passiert: Der Rekordmeister und Titelverteidiger war im Halbfinale ausgeschieden. 1:3 (25:17, 22:25, 22:25, 22:25) unterlag Friedrichshafen in Berlin, ebenso 1:3 ging die Best-of-five-Serie verloren.

VfB-Trainer Stelian Moculescu hat seit seinem Amtsantritt 1997 pro Saison mindestens einen Titel an den Bodensee geholt, er weiß: "Jetzt werden wir so viel Presse haben wie selten. Wenn wir gewinnen, ist das ja uninteressant." Gewonnen haben die Häfler, wie die Volleyballer vom Bodensee von ihren Fans genannt werden, in den vergangenen Jahren fast alles. Haben sieben Meisterschaften in Serie und der Champions-League-Titel 2007 erfolgsmüde gemacht?

Kapitän Joao José wies das entrüstet zurück: "Nein! Jeder von uns wollte gewinnen." Wieso es trotzdem nicht gereicht hat? "Berlin hat eigentlich nichts Besonderes gemacht - weder hart aufgeschlagen noch hart angegriffen", analysierte Joao José. Niemand beim VfB wollte nach dem Spiel die Leistung des Siegers übermäßig loben: smart, konsequent, einfach und weniger Fehler waren die meistgebrauchten Attribute, die für Berlins Spiel gebraucht wurden.

Eine andere Mannschaft mit Superlativen zu schmücken passt nicht ins Anspruchsdenken der Friedrichshafener. Vor der Partie hatte sich Mittelblocker Matthew Denmark trotz des 1:2-Rückstands sorglos gegeben: "Ich weiß einfach, dass wir besser sind." Am Sonntagabend klang das dann so: "Ich habe keine Idee, was ich jetzt machen soll. Das habe ich nicht erwartet."

In den vergangenen Jahren waren in der Abschlusstabelle oftmals nur Siege vermerkt. 2012 hat Friedrichshafen in der Punkterunde hingegen viermal verloren. Die Kräfteverhältnisse im deutschen Volleyball verschieben sich. Generali Haching dominierte die Saison, Berlin hatte sich nach der Finalniederlage gegen Friedrichshafen im Vorjahr verstärkt.

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Daher gab sich Berlins Coach Mark Lebedew nicht überrascht, dass sein Team die einstige Übermannschaft aus Baden-Württemberg dreimal innerhalb von einer Woche bezwingen konnte. Schließlich habe man nicht gegen den Serienmeister von früher gespielt, sondern gegen die Version Friedrichshafen 2011/12. "Diese Mannschaft war zu schlagen", fand Lebedew. Nach der vergangenen Saison hatte Lukas Tichacek den Verein verlassen. Er war das Herzstück des Teams gewesen, in das im Oktober sechs Neue integriert werden mussten - vorwiegend Talente.

"Die Mannschaft hat sich toll entwickelt", fand VfB-Geschäftsführer Jürgen Hauke, fügte aber an: "Der krönende Abschluss hat gefehlt." Das Schmerzhafte daran ist, dass Friedrichshafen nun auf eine der zwei Wildcards hoffen muss, um im nächsten Jahr in der Champions League spielen zu dürfen.

Am Sonntag verspielten die Häfler die Chance, die Qualifikation aus eigener Kraft zu schaffen. Der erste Satz wurde zwar klar gewonnen, auch im dritten und vierten Satz führte der VfB zur ersten und zweiten technischen Auszeit. Doch der Vorsprung ging verloren. "Es war eine lange Saison. Es gewinnt, wer am Ende physisch besser ist", sagte der enttäuschte VfB-Kapitän José.

Physisch besser waren die Berliner. Das war offensichtlich, obwohl Ricardo Galandi verletzt zuschauen musste und sich der Olympiasieger Scott Touzinsky aus den USA mit einer Bänder- und Meniskusverletzung im Knie durch die Partie kämpfte. Zudem knickte Urpo Sivula, Berlins bis dato zuverlässigster Scorer in den Playoffs, bereits im ersten Satz um. Paul Carroll ersetzte ihn und tat dies überragend mit 24 Punkten. Friedrichshafen fand darauf keine Antwort. "Die Mannschaft war leider leer", schloss sich Trainer Moculescu später der Erklärung seines Spielführers an.

Nichtsdestotrotz zog er ein positives Fazit: "Wir sind in der Champions League Fünfter geworden und haben den Pokal gewonnen. Unser Ziel war ein Titel. Das haben wir geschafft." Dass es nicht zu mehr reichte, machten seine Spieler vor allem an sich selbst fest. "Wir hätten uns mehr auf unser einfaches Spiel konzentrieren müssen", sagte José. Mitspieler Nikola Jovovic drückte es so aus: "Wir haben dumme Fehler gemacht."

Einen davon steuerte Leonardo dos Santos bei, der unnötigerweise einen Schlag von Carroll weit im Aus stehend annahm. Dadurch brachte er sein Team um einen wichtigen Punkt im vierten Satz. Der Brasilianer entschuldigte sich sofort gestenreich bei seinem Trainer. Doch Moculescus Blick war da bereits auf Wanderschaft.

© SZ vom 03.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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