Vitor Pereira:Heißblütiger Tänzer für 1860

Heißblütig mit Hang zum Beleidigtsein: Vitor Pereira passt gut zu Sechzig, Blau steht ihm auch.

Heißblütig mit Hang zum Beleidigtsein: Vitor Pereira passt gut zu Sechzig, Blau steht ihm auch.

(Foto: imago/Seskim Photo)

Nur noch die Unterschrift fehlt: Der TSV 1860 München steht vor der Verpflichtung von Trainer Vitor Pereira - charakterlich scheint er gut zum Klub zu passen.

Von Markus Schäflein

Am Dienstag verschickte der Fußball-Zweitligist TSV 1860 München eine Pressemitteilung. Es ging darin nur im letzten Satz und ohne die üblichen Floskeln des Dankes um die Freistellung des Sportdirektors Thomas Eichin, die tags zuvor zwar stattgefunden hatte, aber vom Klub nicht offiziell kommuniziert worden war. Stattdessen handelte das Schreiben in erster Linie von der Aufhebung des Medienboykotts.

Seit elf Tagen hatten auf Anweisung von Investor Hasan Ismaik weder Spieler noch Trainer oder Verantwortliche mit Journalisten reden dürfen. "Natürlich begrüßen wir weiterhin kritische Berichterstattung", erklärte 1860-Präsident Peter Cassalette nun in der Mitteilung, "aber nicht, wenn sie unsachlich, unfair und unter der Gürtellinie ist. Was wir nicht zulassen, sind Beleidigungen gegenüber unserem Hauptgesellschafter Hasan Ismaik. Er ist nicht nur unser größter Sponsor, sondern längst fester Bestandteil unserer Löwen-Familie."

In den letzten beiden Spielen bis zur Winterpause bleiben Bierofka und Bushuev Trainer

Und diese Familie, die ihre sonstigen Mitglieder ebenso schnell verstößt, wie sie sie aufnimmt, bekommt nach Lage der Dinge in Kürze wieder Zuwachs. "Wir haben uns gemeinsam auf einen Trainer verständigt", sagte Cassalette. "Wir werden ihn demnächst vorstellen. Er wird mit dem Trainingsauftakt im Januar beginnen - für die letzten beiden Spiele bis zur Winterpause gegen Bochum und Heidenheim vertrauen wir unserem Trainer-Duo Daniel Bierofka und Denis Bushuev."

Ob Eichins Freistellung auch mit Meinungsverschiedenheiten zur Trainerverpflichtung zu tun hatte, blieb offen, in die Suche oder gar Auswahl war er jedenfalls nicht eingebunden. Der neue Übungsleiter, dessen Erscheinen Ismaik bereits am Samstag in einer Facebook-Botschaft angekündigt hatte, wird - einen kurzfristigen Sinneswandel ausgeschlossen - der 48-jährige Portugiese Vitor Pereira sein; es fehlt nur noch seine Unterschrift.

Was die Heißblütigkeit und einen gewissen Hang zum Beleidigtsein angeht, scheint er Ismaik in nichts nachzustehen. Von Pereira kursiert ein Video im Internet, das ihn bei einer aus dem Ruder geratenen Pressekonferenz bei seinem früheren Verein Al-Ahli in Saudi-Arabien zeigt; dort beschimpft er in unterhaltsamem Englisch einen Spieler, den Schiedsrichter und vor allem den Pressesprecher, der ihn bittet, nicht über einzelne Spieler zu sprechen ("In first place, I saw a bad professional player and a child reaction"; "I talk about what I want"; "It's the first time in my life that someone tell me what I can say"). Auch von seinem vergangenen Verein, Fenerbahce Istanbul, gibt es ein Filmchen; dort führt Pereira in der Kabine einen Tanz auf.

Seine tänzerischen Fähigkeiten sind in der Türkei daher unbestritten, seine Kompetenzen als Trainer hingegen durchaus. Im August musste er, noch vor dem Start in die Süper-Lig-Saison, wegen der verpassten Champions-League-Qualifikation gehen. Er hatte die Mannschaft im Juni 2015 übernommen, in der Saison 2015/16 die Meisterschaft und das Pokalfinale verpasst und war im Achtelfinale der Europa League ausgeschieden.

In Piräus musste Pereira trotz des Doublegewinns gehen, weil er den Klubbesitzer verärgerte

Seine Karriere als Trainer hatte Pereira 2011 beim FC Porto begonnen, mit dem er zweimal portugiesischer Meister wurde, 2012 und 2013. Er war dort zuvor Assistent von André Villas-Boas gewesen, der dann zum FC Chelsea wechselte. Nach seiner Station 2013 bei Al-Ahli, bei der das legendäre Video entstand, wechselte er zum griechischen Rekordmeister Olympiakos Piräus. Dort verbrachte er allerdings nur ein halbes Jahr, trotz des Doublegewinns musste er gehen. Nach Medienberichten hatte er den Klubbesitzer Vangelis Marinakis durch Verhandlungen mit den Glasgow Rangers verärgert. Dann ging Pereira in die Türkei.

Zuletzt war er als Trainer bei Inter Mailand im Gespräch gewesen, wo der Londoner Fußball-Geschäftsmann Kia Joorabchian einen guten Draht zu den chinesischen Investoren der Suning-Gruppe hat. Joorabchian berät auch Ismaik und brachte die derzeit langzeitverletzten Brasilianer Ribamar und Victor Andrade nach Giesing. Der Weg, wie Sechzig den neuen Trainer fand, ist damit zu erahnen. Präsident Cassalette wird nach der Aufhebung des Redeverbots vermutlich bald erklären, dass es sich auch um seinen Wunschkandidaten handelte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: