Violinistin Vanessa-Mae im Riesenslalom:Olympiasiegerin für einen Moment

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Freude über den letzten Platz: Vanessa-Mae im Riesenslalom (Foto: REUTERS)

Die weltberühmte Violinistin Vanessa-Mae startet für Thailand im Riesenslalom. Mit mehr als 50 Sekunden Rückstand kommt sie als Letzte ins Ziel - belagert wird sie anschließend, als hätte sie das Rennen gewonnen.

Von Michael Neudecker, Krasnaja Poljana

Vanessa-Mae Vanakorn Nicholson ist klein und zierlich. Zerbrechlich sehe sie aus, findet Maria Höfl-Riesch, sie sagt, sie mache sich fast Sorgen für den Fall, dass Vanessa-Mae gegen eine Torstange fährt. Vanessa-Mae, so nennt sie sich, ist eine weltberühmte Violinistin, aber in Sotschi war sie für Thailand für ein Skirennen gemeldet, den Riesenslalom am Dienstag, das hat eine Zeit lang für eine gewisse Aufregung gesorgt. "Wir schauen uns das sehr gespannt an", sagt Maria Höfl-Riesch.

Das Rennen beginnt um 9.30 Uhr Ortszeit, für Vanessa-Mae ein bisschen später, sie fährt mit der Nummer 87, als viertletzte Starterin des ersten Durchgangs. Vom ekelhaften Wetter lässt sich Vanessa-Mae nicht unterkriegen, die 35-Jährige zieht ihre Schwünge in den weichen Schneebrei, stoisch, aufrecht.

Vor der Saison war sie in Zermatt im Trainingslager, sie hat da unter anderem mit den Deutschen trainiert, am Anfang sei das "schon ein bisschen komisch gewesen", sagt die deutsche Skirennfahrerin Barbara Wirth, aber dann "doch ein schöner Moment". Vanessa-Mae, sagt Wirth, "ist so eine große Musikerin, und sie hat sich gefreut, dass sie mit uns trainieren darf". Eigentlich müsste es doch andersherum sein, findet Barbara Wirth.

Viele Reporter haben gewartet

Jeder, der sich auskennt, sieht jetzt, dass sich das Training in Zermatt für Vanessa-Mae gelohnt hat. Sie gibt ein bisschen zu wenig Druck auf den Ski, fährt nicht immer voll auf Zug, kann manchmal ihre Linie nicht halten, aber sie macht keinen Innenskifehler. Und das mit der Torstange: kein Problem. Vanessa-Mae macht einen ausreichend großen Bogen um die Tore herum.

Als sie ins Ziel kommt, jubeln die wenigen Zuschauer, die jetzt noch auf der Tribüne sind, auf der Anzeigetafel steht: Vanessa-Mae ist 74., Letzte also, ihr Rückstand auf die Führende beträgt da 26,98 Sekunden. Dann kommt sie in die Interviewzone, viele Reporter haben auf sie gewartet, manche sind noch mal an die Strecke gekommen. Vanessa-Mae ist einen Moment lang Olympiasiegerin.

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Das Personal des TV-Vermarkters, das hier auftritt wie das Sicherheitspersonal beim G8-Gipfel, begleitet sie von einer Kamera zur nächsten, die Aufpasser sind zu dritt, nach drei Fragen beginnen sie, an ihrem Arm zu zupfen, bisweilen zerren sie, Vanessa-Mae sagt "thank you", geht weiter, bisweilen hetzt sie. Sie lächelt dauernd, das ist irritierend, weil sie ihren Zahnschutz trägt, der so groß ist, dass sie ihren Mund kaum zumachen kann. Der Zahnschutz ist grün-rosa gepunktet.

Die letzten Meter in der Abfahrtshocke

Eine Skifirma hat ihr für dieses Rennen Riesenslalom-Ski zur Verfügung gestellt, die Vermarkter haben ihr für die Kameras beide Skier in die Hand gedrückt, einen rechts, einen links, aber Vanessa-Mae hat noch nie Interviews mit Skiern in der Hand gegeben. Sie hält die Skier falsch herum, mit der schwarzen Lauffläche nach vorne.

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Irgendwann kommt sie am Ende der Verwertungskette an, dort, wo die Zeitungsjournalisten stehen, es gäbe jetzt so viele interessante Fragen zu stellen, zum Beispiel, wie sie sich erklärt, dass sie vom Start bis zur dritten Zwischenzeit jeweils mehr als sieben Sekunden verloren hat, von der dritten Zwischenzeit bis zum Ziel aber, also im Steilhang, nur noch viereinhalb Sekunden. Aber die Aufpasser zupfen, und Vanessa-Mae ist aus dem Stadium des Fragen-Beantwortens ohnehin längst raus. Sie sagt zwei Sätze, die wie auswendig gelernt klingen, sie schleudert die Sätze den Reportern lächelnd ins Gesicht. Alle starren auf den Zahnschutz.

Bei Olympia darf jeder zwei Mal fahren, auch Vanessa-Mae fährt im zweiten Durchgang noch mal. Fünf Athletinnen sind ausgefallen im zweiten Lauf, Vanessa-Mae verbessert sich um fünf Plätze, ihr Rückstand auf die Vorletzte, eine gewisse Lina Xia aus China, beträgt 11,05 Sekunden, der Rückstand auf die Siegerin Tina Maze 50,10 Sekunden. Vanessa-Mae hat im zweiten Durchgang 3,86 Sekunden auf Maze aufgeholt, und jedem, der sich auskennt, war sofort klar, warum. Sie ist die letzten Meter in der Abfahrtshocke gefahren, mit den Stöcken unter den Armen.

© SZ vom 19.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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