Viktoria Köln:Schäl Sick statt Hörsaal

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Dezenter Jubel: Viktoria Kölns Trainer Tomasz Kaczmarek hat nach dem Pokal-Coup nur kurz gefeiert - dann fuhr er heim zu den Schwiegereltern. (Foto: Marius Becker/dpa)

Der Viertligist aus dem Rheinland verblüfft im Pokalwettbewerb - ein Verdienst des jungen Trainers Kaczmarek.

Von Sebastian Fischer, Köln/München

Ein Platz im Fußballlehrer-Lehrgang des DFB ist begehrt. Mancher Trainer wartet jahrelang auf eine Einladung, andere bekommen sie nie. Für Tomasz Kaczmarek von Viktoria Köln war in diesem Jahr ein Platz reserviert. "Man sagt ihm nach, dass er sehr talentiert ist", sagt DFB-Ausbilder Frank Wormuth. Kaczmarek hat ihm erst mal abgesagt.

"Ich musste mich leider entschuldigen", erklärt er am Sonntagmorgen am Telefon. Denn seine Mannschaft, im Sommer mit 15 Zu- und 15 Abgängen durcheinander gewürfelt, brauche gerade täglich ihren Trainer. Wormuth war über diese Nachricht kurz verdutzt, aber dann hat er sich gedacht, dass dieser junge Mann von 30 Jahren, der jüngste Trainer in den ersten vier Ligen Deutschlands, schon wisse, was er da tut. Am Samstag nun, als Kaczmarek mit dem Viertligisten Viktoria den Zweitligisten Union Berlin mit 2:1 aus dem DFB-Pokal warf, dachten das einige.

Zum Beispiel Norbert Düwel, der Berliner Trainer. Verdutzt schaute er in die Kameras, sprach vom "sehr organisierten" Gegner, der "absolut verdient" gewonnen hatte. Viktoria ging in Rückstand und hatte Glück, als Union einen Elfmeter verschoss. Köln war aber besser, spielte mutig und mit dem überragenden Kapitän Mike Wunderlich ansehnlich nach vorne - und drehte das Spiel: "Ich habe viel Vertrauen in die Truppe", sagte Kaczmarek nüchtern: "Ich habe nur zugeguckt." Er jubelte nach dem Abpfiff, besuchte die Feier danach aber bloß ein paar Minuten: Die Schwiegereltern waren zu Besuch. Außerdem war am nächsten Morgen Training.

Um Kaczmareks Arbeit zu würdigen, muss man auch seinen Arbeitgeber kennen. Die Viktoria ist in Köln der Verein von der "Schäl Sick", der verpönten rechten Rheinseite. Dort kam einst Hennes Weisweilers Trainerkarriere vorwärts, danach aber kam nicht mehr viel. Bis vor ein paar Jahren in Millionär Franz-Josef Wernze ein spendabler Mäzen anheuerte und mit ihm Geld und kühne Träume vom Profifußball zurückkehrten. Stets hat Wernze den Aufstieg als Ziel ausgegeben, ihn jedoch mit einem aufgeblähten Kader voller ehemaliger Profis - Albert Streit war der prominenteste Name - nun schon dreimal verpasst. Während der ungeliebte linksrheinische Rivale Fortuna in die dritte Liga aufstieg, produzierte Viktoria vor allem Skandale. Als der Klub in der vergangenen Saison erneut vom geplanten Kurs abkam, sorgte Wernze für die Entlassung des früheren Zweitligatrainers Claus-Dieter Wollitz. Auf Wollitz sollte im vorigen Winter zunächst wieder ein Ehemaliger folgen, doch dann stellte sich Kaczmarek vor - ohne hohe finanzielle Forderungen, mit neuen Ideen. Er trainierte souverän teilweise ältere Spieler, verlor in der Rückrunde nur einmal. Der Kader wurde jünger und schmaler, Skandale gab es zuletzt keine mehr. Im Sommer erhöhte Wernze Kaczmareks Gehalt.

Der gebürtige Pole, aus dem das Rheinische klingt, hat an der Sporthochschule in Köln studiert, seine Diplomarbeit ("Psychophysiologische Leistungsoptimierung" ) in den USA bei Mark Verstegen geschrieben, dem früheren Fitnesstrainer der DFB-Nationalelf, in der Zeit von Jürgen Klinsmann. Kaczmareks Büro war damals im gleichen Haus wie die Geschäftsstelle der US-Nationalmannschaft, im Kraftraum traf er den damaligen Nationaltrainer Bob Bradley. Vier Jahre später, 2012, holte Bradley Kaczmarek als seinen Assistenten zur Nationalmannschaft Ägyptens. 2014 wechselten sie gemeinsam zum norwegischen Erstligisten Stabaek IF. Kaczmarek analysierte Gegner, bereitete Einheiten vor - "eine ganzheitliche Ausbildung", sagt er.

"Der wird in der Bundesliga trainieren", hatte Mäzen Franz-Josef Wernze bei Kaczmareks Vorstellung bei der Viktoria posaunt. Der sagt selbst: "Jeder sucht etwas im Leben, dass er besser kann als die Dinge, die er nicht so gut kann." Was Kaczmarek gar nicht so gut konnte, war Fußballspielen: Er war bloß Verbandsligakicker. Keine gute Voraussatzung eigentlich, um noch mal zum Fußballlehrer-Lehrgang zugelassen zu werden. Aber Kaczmarek ist zuversichtlich: 2016 würde er gerne anfangen.

© SZ vom 10.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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