Vierter Einwechselspieler im Fußball:Vorbildlicher Fifa-Aktionismus

Germany v Argentina: 2014 FIFA World Cup Brazil Final

Fußball als Vollkontaktsportart: Bastian Schweinsteiger.

(Foto: Getty Images)

Die Fifa will den vierten Einwechselspieler zulassen. Das ist vernünftig - aber doch nur ein Ablenkungsmanöver: So wird die Frage nach der laxen Linie der Schiedsrichter verdrängt.

Kommentar von Christof Kneer

Nach großen Turnieren stellen sich ja immer die großen Fragen. Was wollte uns das Turnier sagen? Gab es Trends, die man in den Alltag übernehmen kann? Und warum sind die Engländer wieder so früh rausgeflogen?

Die WM in Brasilien ist eine Herausforderung für alle, die sie entziffern wollen. Wenn man sich recht erinnert, gab es dauernd Ersatzspieler zu sehen, die sich mit den Stammspielern gemeinsam über Tore freuten, und es gab einen deutschen Bundestrainer, der sich ungerührt vollregnen ließ, obwohl ihm jemand einen Schirm reichte. Ob die Branche mit diesen Trends etwas anfangen kann, ist aber schon deshalb fraglich, weil sich ein brasilianischer Tropenregen in der Bundesliga recht schwer nachstellen lässt.

Am Ende wäre es fast noch so gekommen, dass man der Fifa danken muss, weil sie den einzig belastbaren Trend des Turniers aufgespürt und weiterentwickelt hat. Man muss ihr aber doch nicht danken, weil der Weltverband auch mit diesem Thema so taktisch umgeht wie mit vielen anderen. Die Idee, in der Verlängerung künftig eventuell einen vierten Spielerwechsel zuzulassen, klingt zwar charmant nach einem Turnier, das der Einwechselspieler Götze entschieden hat. Den Trend zum Einwechselspieler hat der Weltmeistertrainer Löw ja sogar auf einen prägnanten Begriff gebracht, er hat seine Einwechselspieler als "Spezialkräfte" geadelt.

Die Motive, die der Fifa-Idee zugrunde liegen, bleiben aber viel zu sehr im Ungefähren, als dass man von einem seriösen Plan sprechen könnte. Recht vage führt die Fifa medizinische Gründe an, sie verspricht sich mehr Schutz für angeschlagene Spieler, die man in der 98. Minute erlösen kann, bevor sie der Wadenkrampf umwirft. Das klingt vorbildlich, allerdings lässt sich aus der Veranstaltung in Brasilien nicht zwingend die Notwendigkeit für eine solche Blitzgesetzgebung ableiten. Es war keine Wadenkrampf-WM; es war eher ein Turnier, in dem sich der Fußball als ebenso leidenschaftliche wie ruppige Vollkontaktsportart präsentiert hat.

Nach Neymars Vollkontakt-Verletzung hat die Branche vernehmbar über zu laxe Schiedsrichter diskutiert und darüber, ob die Fifa ihren Referees womöglich empfohlen hat, nicht allzu streng zu sein. Gemäß des Handbuchs für Krisen-PR ist es bestimmt keine schlechte Idee, in solchen Momenten ein bisschen Aktionismus zu veranstalten und einfach mal eine Idee auf den Markt zu werfen, die gut klingt.

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