Viertelfinal-Erfolg gegen Manchester United:Bayern wuchtet sich ins Halbfinale

FC Bayern Muenchen v Manchester United - UEFA Champions League Quarter Final

Die Tore von Thomas Müller (rechts) und Arjen Robben lösten den Knoten endgültig

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Kurz gezittert, dann geglänzt: Bis zum Rückstand nach gut einer Stunde tut sich der FC Bayern gegen Manchester United im Viertelfinal-Rückspiel schwer. Doch nach dem prompten Ausgleich gegen die defensiven Engländer drehen Guardiolas Männer auf - Tore von Mandzukic, Müller und Robben führen zum 3:1, der Einzug ins Halbfinale der Champions League ist geschafft.

Aus dem Stadion von Claudio Catuogno

In der 58. Minute dieses Viertelfinal-Rückspiels gegen Manchester United war der FC Bayern - der Triple-Sieger, der Klub-WM-Sieger, der beste Verein des Planeten, der bekanntlich vom größten Trainergenie des Universums angeleitet wird - kurz mal ausgeschieden. Rein rechnerisch. Und es war womöglich kein Zufall, dass zwei Männer dabei besonders im Fokus standen: Toni Kroos und Philipp Lahm.

Toni Kroos ließ auf dem linken Flügel Antonio Valencia flanken. Philipp Lahm kam zu spät, um einen Schuss zu verhindern, den Patrice Evra dann passgenau ins Lattenkreuz des Bayern-Tors zimmerte zum 0:1. Eine Schreckminute. Womöglich sogar ein willkommener Reiz. Manchmal muss eine Bestie gereizt werden, um ihren Jagdinstinkt noch mal neu zu justieren.

In der 59. Minute war der FC Bayern jedenfalls wieder drin in dieser Partie, Mario Mandzukic verwandelte eine Hereingabe von Franck Ribéry mit dem Kopf zum 1:1, das Hinspiel-Ergebnis vom letzten Dienstag war damit eingestellt. Neun Minuten später lenkte Thomas Müller eine Vorlage von Arjen Robben zum 2:1 ins Netz (68.) - das war weiterhin ein bedrohlicher Zwischenstand, denn bei einem weiteren Treffer der Engländer wäre der FC Bayern wieder raus gewesen.

Doch es dauerte dann nur noch acht weitere Minuten, ehe sichergestellt war, dass die Münchner diesen ebenso verwegenen wie berechtigten Traum vorerst weiterträumen dürfen: als erste Mannschaft überhaupt den Titel in der Königsklasse des europäischen Fußballs zu verteidigen. Da erzielte Arjen Robben das 3:1 (76.); und zwar mit dem ebenso alten wie bewährten Arjen-Robben-Trick: von rechts in den Strafraum ziehen, mit links abschließen, jubeln.

Und damit ist nun also auch ein Schlussstrich zu ziehen unter eine Debatte, die am Samstag nach der ersten Saisonniederlage der Bayern beim FC Augsburg (0:1) begann. Darf Pep Guardiola das: sich nur noch auf die Champions League fokussieren? Antwort: Ja, er darf das. Er muss das wohl sogar. Denn auch wenn Manchester nicht der kniffligste Gegner war: Eine Ahnung des Scheiterns wehte am Mittwoch durchaus durch die Münchner Arena. Wenn auch nur von der 58. bis zur 59. Minute.

"Ich bin sehr sehr stolz auf meine Mannschaft", sagte Guardiola nach dem Spiel. "Wir waren geduldig und hatten auch ein bisschen Glück, aber wir sind im Halbfinale", sagte der spanische Coach. "Ich wusste, dass es schwer werden würde. Das ist Champions League, das ist Viertelfinale, und Manchester hat mit dem Torwart und acht Spielern im Strafraum gestanden."

Schweinsteiger und Martínez gesperrt, Thiago und Shaqiri verletzt - da Guardiola erstmals in einem wichtigen Spiel nicht mehr sein Kader der unbegrenzten Möglichkeiten zur Verfügung stand, gab es vor dem Anpfiff vermeintlich nur eine offene Stelle zu vergeben, die im Sturm. Müller oder Mandzukic? Der Rest der Startelf würde zwangsläufig aus den Übriggebliebenen bestehen, wobei man diese Übriggebliebenen nicht als Not-Elf bezeichnen musste: Bis auf Toni Kroos und Mario Götze standen sie ja alle im Finale im vergangenen Mai.

Aber da dieser Pep Guardiola bekanntlich zwei Dinge besonders liebt, Mittelfeldspieler und Überraschungen, brachte er beides auf verblüffende Weise zusammen: die Mittelfeldspieler mit den Überraschungen. Und Müller mit Mandzukic. Draußen blieb stattdessen: Rafinha.

Dafür blieb dort, wo sonst bei den Bayern eine robuste Doppel-Sechs Passwege zustellt, Bälle erobert und das Aufbauspiel koordiniert, auf dem Papier nur noch einer übrig. Einer, der nach herrschender Meinung eine Menge Talente hat (super Schusstechnik, super Übersicht, super Frisur), aber nicht gerade das Talent als Bollwerk und Wellenbrecher: Toni Kroos.

Mutig? Wagemutig? Übermütig?

Und das Spiel musste nun darüber Aufschluss geben, wie das zu nennen war. Mutig? Wagemutig? Übermütig?

In der Praxis sah die Ich-liebe-Mittelfeldspieler-Aufstellung dann so aus, dass die Außenverteidiger Alaba und Lahm häufig in die Mitte rückten, hinten formierte sich dann eine Dreierkette, bestehend aus Boateng, Dante - und Kroos. Wenn Alaba und Lahm dann wieder an ihre Außenlinien zurückkehrten, kam bisweilen eine Fünferkette heraus; mit Kroos als flexibler Libero.

Wobei Toni Kroos trotzdem nur die zweitwichtigste Rolle zukam mit seinem Schnupperpraktikum im Abwehrverbund. Das war nämlich noch gar nichts im Vergleich mit dem offenbar an Philipp Lahm ergangenen Auftrag, sich selbst und Rafinha gleichzeitig zu spielen. Dass dieser Lahm als Fußballer alles kann, ist weltweit bekannt. Dass er gleichzeitig als Mittelfeldspieler und als Rechtsverteidiger aufläuft, wodurch dann weiter vorne eine zusätzliche offensive Planstelle frei wird, war neu.

Ein Trainer, der so nachhaltig in die Team-Statik eingreift, setzt damit zwangsläufig das Motto eines solchen Spiels: Er erklärt es zu taktischen Reifeprüfung im Ernstfall-Modus. Und die Frage war, ob das gut gehen kann: ein neues System mit neuen Aufgaben, neuen Laufwegen dem Praxistest zu unterziehen, während auf der anderen Seite Manchester United nur darauf lauert, den Favoriten zu stürzen.

Zunächst sah es nicht gut aus für die Münchner: Wenn sich Wayne Rooney in der 8. Minute zwischen Ballannahme und Schussversuch im Bayern-Strafraum nicht noch schnell ein Butterbrot geschmiert hätte - jedenfalls dauerte es in etwa so lang -, wäre schon früh eingetreten, wovor Guardiola gewarnt hatte: dass aus der dichten Deckung und dem überfallartigen Umschaltspiel der Engländer ein Rückstand für die Gastgeber resultiert.

Glück gehabt, wie auch bei diversen anderen Szenen in Manuel Neuers Revier. Andererseits hatten die vielen, vielen Super-Super- Mittelfeldspieler auf dem Platz zwangsläufig den gewünschten Effekt, dass an Anspielstationen kein Mangel war. Dafür fehlten bisweilen: Automatismen, Passsicherheit, die letzte Konsequenz.

"Ich fand's überragend, wie die Mannschaft trotz dieses kleinen Rückschlags zurückgekommen ist", sagte Torschütze Müller, der in der ersten Halbzeit mit Arjen Robben gehadert hatte. "Wenn man sich beide Spiele anschaut, sind wir verdient weitergekommen."

Als das Spiel dann entschieden war, wechselte Guardiola die Normalität ein: Rafinha. Und eines wissen sie jetzt ganz sicher in München: Ihr Pep coacht zwar eigenwillig. Aber ganz sicher nicht schlecht.

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