Vierschanzentournee:Totale Gerechtigkeit ist eine Utopie

Vierschanzentournee: Richard Freitag stürzt in Innsbruck

Richard Freitag stürzt in Innsbruck

(Foto: AFP)

Die Vierschanzentournee wurde durch den Sturz von Richard Freitag mitentschieden. Doch auch wenn der Weltverband viele Regeln erlassen hat: Ein Sport wie Skispringen lässt sich nicht vollständig kontrollieren.

Kommentar von Volker Kreisl

Diese turbulente Tournee hatte mehrere Pechvögel, auch unbekanntere wie die US-Amerikaner, denen bei der Anreise die Ski abhandenkamen. Oder wie der Österreicher Stefan Kraft, der nach einer Frühlandung zum Gesicht der Krise seines Verbandes wurde. Sie waren aber nur Randpechvögel. Die Hauptrolle in der 66. Vierschanzentournee spielte - neben dem souveränen Sieger Kamil Stoch - Richard Freitag.

Sein Pech war mitentscheidend für den Ausgang der Tournee, es war auch symbolisch dafür, dass die Gerechtigkeit im Skispringen weiterhin Grenzen hat. Mit seinem Sturz wich schlagartig die Spannung, als hätte einer mitten in einer Geschichte die Pointe dazwischengerufen. Neutrale Zuschauer, die - falls sie nicht gerade über eigene Pechvögel nachdachten - noch die Spannung genossen, gingen ernüchtert nach Hause, und die Deutschen ärgerten sich mit Recht.

Freitag war ja gestürzt, weil er die Skier zu spät geschlossen hatte; das ist ein technischer Fehler. Andererseits hatte er miserable Sicht, es regnete, und die Landepiste war mangels Markierung in dieser Zone undurchdringlich weiß wie eine Wolke. Verhindert hätte diesen Sturz wohl eine Verkürzung des Anlaufs. Den kann auch der Trainer bestimmen, allerdings nur mit hohem Risiko. Verfehlt sein Springer eine Mindestweite, kriegt er keinen Sonderbonus und stürzt im Klassement ab - welcher Coach nimmt dies in der heißen Tourneephase in Kauf, zumal bei wechselndem Wind? Lässt er seinen Springer andererseits ins Weiße segeln, riskiert er einen Sturz. Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera, welche eine umsichtige Jury dem Trainer abnehmen könnte, indem sie den Anlauf für alle restlichen Springer risikofrei verkürzt.

Letztlich ist aber der Innsbrucker Streit auch Teil eines Sports, der trotz vieler Erneuerungen an Gerechtigkeitsgrenzen stößt. Der Weltverband hat mit Windkompensation, der Kontrolle des Körpergewichts und des Materials schon vieles bereinigt, alles wird sich nicht regeln lassen. Die Deutschen haben sich vernünftigerweise abgeregt und schauen auf den Rest der langen Saison. Richard Freitag versucht, bei der Skiflug-WM in Oberstdorf dabei zu sein, Andreas Wellinger kommt nach zwei dritten Plätzen zum Tournee-Ende wieder in Schwung. Insgesamt wirkt das Team solide genug, um Rückschläge auszugleichen.

Da haben es andere Pechvögel schwerer. Um Kosten zu sparen, hatten die US-Springer mit Top-Mann Michael Glasder einen komplizierten Flug nach Ljubljana gebucht, Gepäck und Ski blieben hängen, kamen aber noch rechtzeitig in Bischofshofen an. Und Glasder durfte nach der langen Reise mitspringen, wenn auch nur einmal: Wegen eines Fehlers im Material wurde er danach disqualifiziert.

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