Vierschanzentournee:Erleichterter Zweiter

66. Vierschanzentournee

Freut sich über Rang zwei beim Auftaktspringen in Oberstdorf: Skispringer Richard Freitag.

(Foto: dpa)

Von Saskia Aleythe, Oberstdorf

25 500 Zuschauer lassen Richard Freitag dann noch nicht ganz kalt. Der Skispringer ist es in diesem Winter ja fast schon gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, drei Weltcup-Springen hat er gewonnen, fünf Mal stand er auf dem Podium. Doch als die Vierschanzentournee am Samstagnachmittag in Oberstdorf startete und er seinen zweiten Sprung absolviert hatte, da merkte auch Freitag: "Ein bisschen Anspannung ist doch da."

Um 12 Uhr mittags öffnete das Stadion, bis zu sieben Stunden haben die Fans in Oberstdorf an der Schanze verbracht, es waren sieben Stunden voller Regen und am Ende jubelte: auch Richard Freitag. Als Tourfavorit war er in dieses Springen gegangen, er landete hinter dem Polen Kamil Stoch auf Platz zwei. Auf Stoch regnete es Goldfäden bei der Siegerehrung, doch auch Freitag stieß erleichterte Rufe ins Stadion aus, Stochs Teamkollege David Kubacki wurde Dritter. "Wir sind erstmal ganz am Anfang der Tournee", sagte Freitag später, "ich bin voll zufrieden mit Training, Quali, dem heutigem Tag. Es macht Spaß, zu springen". Er wirkte erleichtert. Fast so, als hätte er sich selber erst noch bestätigen müssen, dass er so eine Favoritenrolle tatsächlich verkraften kann.

"Ritschi kann mit den Situationen sehr gut umgehen"

Dass die Bezeichnung Siegerspringer nun auch auf den Namen Richard Freitag passt, ist ja gerade erst seit einem Monat so: Am 2. Dezember sprang er im russischen Nischni Tagil auf Platz eins, es folgten Siege in Titisee-Neustadt und Engelberg, so eine Saison hatte er noch nie. Als Weltcupführender startete der 26-Jährige also in Oberstdorf, zusätzlich beladen mit dem Auftrag, 16 Jahre nach dem Sieg von Sven Hannawald wieder ein deutscher Vierschanzenkönig zu werden. Wie er die Rolle annimmt? In Oberstdorf recht souverän.

Es war ein Wettbewerb voller Unwägbarkeiten, den die Sportler beim Auftaktspringen durchmachten. Bereits in der Qualifikation hatte starker Rückenwind die Athleten beeinträchtigt, Freitag musste lange ausharren vor seinem Sprung. Es ist eine Situation, die kein Skispringer mag, doch der Sachse blieb unbeeindruckt: Mit 130,5 Metern und einem nicht gerade kleinen Vorsprung von sechs Punkten auf den zweitplatzierten Japaner Junshiro Kobayashi zeigte Freitag gleich, was von ihm zu erwarten ist. Über Anspannung und den Druck redet man im Team nicht allzu gerne, doch Bundestrainer Werner Schuster weiß auch, dass sie nicht wegzuschweigen sind. "Nach so einer Leistung in der Qualifikation wird es eher schwerer. Man spürt: Man kann die Erwartungen von außen erfüllen, dann kommen die eigenen Erwartungen auch noch dazu", sagte Schuster, "aber Ritschi kann mit den Situationen sehr gut umgehen".

Freitag sprang im ersten Durchgang bei mäßigem Rückenwind auf 128,5 Meter, im zweiten schaffte er mit stärkerem Rückenwind 127 Meter. "Richard ist auf dem Podium gelandet, das ist eine sehr gute Leistung", sagte Schuster, der bei Sieger Stoch "etwas glücklichere Verhältnisse" erkannt hatte. "Er ist ein ganz toller Springer und hat die Bedingungen tadellos genutzt und einen absolut tollen Sprung gezeigt", sagte Schuster, Stoch hatte mit 137 Metern und minimalem Rückenwind im zweiten Versuch den weitesten Sprung gezeigt. Das konnte auch Freitag uneingeschränkt anerkennen, "da hat er voll einen rausgehauen". Und so sehr wie sich der Athlet selber über Rang zwei freute, sah er selber noch Verbesserungspotenzial: "Die Sprünge waren auf einem guten Level, aber nicht so, dass ich sage: Dieses Gefühl möchte ich haben. Dann macht es noch mehr Spaß. Das werde ich in Garmisch versuchen." Mit 4,2 Punkten Rückstand auf Stoch in der Gesamtwertung ist für ihn noch alles möglich.

Wellinger ist eher erleichtert als zufrieden

Andere Springer hatten in Oberstdorf mehr Pech, etwa der Weltcup-Zweite Andreas Wellinger. Im ersten Durchgang erwischte er mit die schlechtesten Windverhältnisse, landete nur bei 115 Metern und war 17., dann kämpfte er sich mit einem starken zweiten Sprung (123 Meter) immerhin noch auf Rang zehn. "Bei mir überwiegt die Erleichterung, der zweite Sprung war definitiv eine Steigerung", sagte der 22-Jährige: "Heute war es schwierig, ich habe zweimal nicht wirklich Glück gehabt, im ersten Versuch auch zu viele Fehler eingestreut. Die verlorenen Punkte ärgern mich." Markus Eisenbichler kam auf Rang neun. Der Norweger Daniel Andre Tande, Dritter im Weltcup, wurde nur 20., auch die Österreicher erlebten nicht gerade einen Freudentag. Stefan Kraft war mit Rang vier der einzige Springer in den Top Ten, was für die Skisprungnation schon für Betrübnis sorgen dürfte. Kraft hat nun schon 17 Punkte Rückstand auf Stoch. "Ich kann noch ums Podium fighten und das werde ich probieren", sagte der Österreicher.

Schon am Sonntag geht das Springen in Garmisch-Partenkirchen mit der Qualifikation weiter, "Regeneration ist der Schlüssel", sagte Freitag noch und schickte gleich mal eine Botschaft an den Team-Physiotherapeuten: "Ich glaube, dass er heute den längsten Tag von allen haben wird." Mit drei Springern in den Top Ten dürfte die Stimmung im deutschen Team recht formidabel sein. Und Werner Schuster gab seinen Sportlern ohnehin noch eine Prognose mit auf den Weg: "Ich denke, es wird eine turbulente Tournee", sagte Schuster, "es wird noch einiges passieren. Auch Wellinger und Eisenbichler sind noch nicht aus dem Spiel raus". Dass sich beim Auftaktspringen gleich die ganze Tour entscheidet, ist auch eher ein seltenes Szenario.

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