Vierschanzentournee:Eisenbichler tüftelt an einem großen Werk

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Plötzlich bester deutscher Skispringer: Markus Eisenbichler auf der Bergiselschanze in Innsbruck (Foto: Bongarts/Getty Images)

Lange ist Markus Eisenbichler nur hinterhergesprungen, nun hat der 25-Jährige plötzlich gute Chancen bei der Vierschanzentournee. Was ist passiert?

Von Volker Kreisl, Innsbruck

Im Jubel steckt viel von der Persönlichkeit. Beim Skispringen sieht man coole Athleten, die nach einer guten Landung höchstens ein bisschen die Arme hoch nehmen. Es gibt introvertierte Springer, die selbst nach einer Führungsweite bloß ein bisschen den Kopf wiegen, und dann sind da noch die strahlenden Gute-Laune-Sportler, deren Lachen auch im Jubel Charisma hat. Sie würden nie die Luft malträtieren oder mit aufgerissenen Augen auf die eigenen Fäuste starren wie Markus Eisenbichler.

Es gibt auch im Skispringen diese etwas diskriminierende Unterscheidung in die Talente, denen alles zufliegt, und die Arbeiter-Typen, die weniger veranlagt sind. "Was die anderen von selbst können, das schaffst du mit deinem Fleiß!" - damit wird der Arbeitsschüler gerne gelobt, aber es ist ein schales Lob. Jeder weiß, dass die Gesellschaft mehr auf niemals schwitzende Genies steht. Und doch schauen sehr viele Sportfans in Deutschland gerade auf den aktuellen Vierten in der Gesamtwertung der Vierschanzentournee, den fleißigen Arbeiter Markus Eisenbichler.

Anders als etwa Richard Freitag und Andreas Wellinger wurde ihm nie das ganz große Talent bescheinigt. Eisenbichler war auch nicht schon als Teenager im A-Kader oder feierte da gar einen Weltcupsieg. Er ist einer von denen, "die etwas länger brauchen", wie Bundestrainer Werner Schuster sagt. Umso erfreuter ist er nun über die Entwicklung des 25 Jahre alten Siegsdorfers.

17 Jahre lang hat er trainiert und probiert, und im Dezember ist er als Dritter in Lillehammer erstmals bei einem Weltcup auf das Siegerpodest gekommen. Und nun ist er der Einzige aus Schusters Team, der nach zwei von vier Springen noch Chancen in der Tournee-Gesamtwertung hat, wenngleich er bei 19,2 Punkten Rückstand auf den Führenden Kamil Stoch für den Sieg schon eine kleinere Sensation bräuchte.

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Es sind die besten Tage in der bisherigen Karriere des Markus Eisenbichler, er könnte sie entspannt genießen, aber das ist nicht seine Art. Er beendet seine Analysen meistens mit den Worten: "Es kann noch ein bisschen besser sein." Oder: "Es fehlen noch ein paar Prozent." Und dennoch: Eisenbichler steht kurz vor seinem Durchbruch, weil er in den vergangenen Jahren besonders verzweifelt war und in diesem Sommer besonders ehrgeizig gearbeitet hat.

2015 war er erstmals mit besseren Aussichten in die Tournee gestartet und bitter gescheitert. Er belegte die Plätze 44, 50, 53 und 32. In der folgenden Saison war sein bestes Weltcup-Resultat ein 15. Platz, er kam aber nur selten im Weltcup zum Einsatz. Man konnte schon glauben, da habe einer die Konzentration und die Einstellung verloren, aber an Willenskraft und Fleiß mangelt es Arbeitsschülern nicht. Es geht eher darum, den Fleiß richtig einzusetzen, und das gelang Eisenbichler, nachdem er im vergangenen Frühjahr in die B-Mannschaft gesteckt worden war.

"Ich habe ganz akribisch und hartnäckig trainiert, ich bin bei meinen Punkten geblieben, ich habe mich nie aus dem Konzept bringen lassen", sagt Eisenbichler. Sein Problem war nie das Fliegen, sondern eher das Gefühl für den Absprung und da wiederum irgendein verstecktes Detail, eine entscheidende Schraube im Ablauf, eine Stelle, über die er nicht redet. Geholfen hat ihm, dass er von zu Hause aus arbeiten konnte. Die Heimat gibt ihm Motivation, und von Siegsdorf im Chiemgau erreicht man auch viele Schanzen, um zu trainieren: Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck, Bischofshofen. Eisenbichler legte mehr Wert auf die Athletik, er springt nun höher und kommt schneller in die ideale Fluglage, weil er "etwas verändert" hat. Was genau? "Das behalte ich lieber für mich."

In Innsbruck wartet viel Arbeit auf Eisenbichler

Es ist wie immer im Arbeitsleben: Keiner, der an einem größeren Werk tüftelt, gibt Erklärungen darüber ab, ehe es wirklich fertig ist. Und noch ist nichts fertig, noch hat Markus Eisenbichler viel zu tun. Wenn er spricht, spürt man den Ehrgeiz, der ihn antreibt, er plaudert nicht, sondern antwortet in durchdachten, knappen Sätzen. Auch nach seinen weiten Sprüngen in Garmisch beharrte er darauf: "Ich habe ein paar Punkte liegen lassen." Wie schon in Oberstdorf war es erneut die Landung, die ihm im zweiten Sprung verrutschte. Nach 139,5 Metern in der Luft setzte er den Telemark, verlor aber fast das Gleichgewicht.

Vielleicht ist es so, dass Genies der Erfolg zufliegt, aber Typen wie Eisenbichler fliegen dann eben selber hin zum Erfolg, auch wenn das noch so lange dauert. In Bischofshofen, bei der vierten Station am 6. Januar, kann er sich vielleicht mehr auf seine Flug-Fähigkeiten verlassen, in Innsbruck braucht er am Mittwoch seine gesamte Konzentration. Die Schanze ist kurz, sie bevorzugt geborene Abspringer, und die Landung ist besonders wichtig. Ein Haufen Arbeit für Markus Eisenbichler.

© SZ vom 03.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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