Vierschanzentournee:"Der Wettbewerb war ein Witz"

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Verstand die Entscheidung der Jury nicht: Der Schweizer Simon Ammann. (Foto: REUTERS)
  • Der Norweger Daniel Andre Tande gewinnt das Chaos-Springen in Innsbruck.
  • Der vierfache Olympiasieger Simon Ammann findet für den unfairen Wettkampf die drastischsten Worte. Der beste Deutsche im Klassement, Markus Eisenbichler, stürzt ab.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Vierschanzentournee.

Von Volker Kreisl, Innsbruck

Skispringen ist ein Freiluftsport. Dieser Satz ist so abgenutzt wie ein Schanzenauslauf im April, und doch hat er ständig Konjunktur. Die Floskel vom Outdoor-Event ist ja auch eine Fluchtmöglichkeit, wenn Skispringer mal wieder benachteiligt wurden und vor Mikrofonen ihren Zorn irgendwie umlenken müssen: Es hilft ja nichts. Oder, wie Stefan Kraft, der wohl am meisten benachteiligte Skispringer am Mittwochnachmittag sagte: "Es war a bissl a Scheißtag, aber es nutzt eh nix."

Das Bild der 65. Vierschanzentournee hat sich binnen weniger Stunden stark verändert. Nach einem wegen kräftigen Windes verkürzten Wettbewerb in Innsbruck werden nur noch Kamil Stoch aus Polen und der Norweger Daniel-André Tande in Bischofshofen um den Gesamtsieg springen. Innsbruck-Sieger Tande liegt nur 1,7 Punkte vor Stoch, der im Probedurchgang aber auf die Schulter stürzte, was ihn im Tournee-Finale am Freitag beeinträchtigen könnte. Der Bischofshofener Kraft hatte bis Innsbruck noch beste Chancen, diesen beiden zu enteilen, weil er ja die österreichischen Schanzen gut kennt.

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:Tande gewinnt Chaos-Springen in Innsbruck

"Der Wettbewerb war ein Witz", schimpfte der Schweizer Simon Ammann. Stürmische Winde verhindern bei der Vierschanzentournee einen fairen Wettkampf. Markus Eisenbichler hat besonders viel Pech.

Doch daraus wird nichts. Stefan Kraft bekam nicht genügend Luft unter die Ski, zudem plagten den 23-Jährigen noch die Folgen eines akuten nächtlichen Brech-Anfalls. Enttäuschend war dieser Tag auch für Markus Eisenbichler, der Siegsdorfer verlor mit nur 112 Metern und Rang 29 seine letzte Chance auf einen Podestplatz in der Gesamtwertung; er liegt knapp 25 Punkte zurück. Schon lange bevor es nach Innsbruck ging, waren die Sorgen spürbar, die man sich im Springer-Lager vor der Ankunft machte. Auf dem Bergisel südlich der Stadt herrschen ohnehin oft starke Winde, die Schanze ragt hoch hinauf in die Luft. Dann sagten auch noch die Wetterdienste einen Schneesturm voraus, eine komplette Absage wie vor neun Jahren war also nicht ausgeschlossen. Um das dritte Springen trotzdem irgendwie über die Runden zu bringen, war somit ein Notfallplan erforderlich.

Die Taktik der Wettkampf-Jury bestand darin, sich gewissermaßen kleinzumachen und unter dem Sturm hinweg zu ducken. Ein Durchgang statt der üblichen zwei Runden würde ja genügen, um einen Sieger zu küren. Es galt also, den ersten Sprunglauf ab 14 Uhr so schnell wie möglich durchzuziehen und dann notfalls im Schneetreiben nach Hause zu fahren.

Doch der Wind nahm schon früh chaotische Dimensionen an, er blies den Springern auf dem Balken entweder in den Rücken oder an die Schläfen oder ins Gesicht. Wer Pech hatte, musste bei starkem Rückenwind ran. Simon Ammann, der zweimalige Doppel-Olympiasieger früherer Jahre, berichtete: "Die Ampel hat gewackelt." So einen Wind-Wettkampf habe er noch nicht erlebt: "Ein Witz." Und Österreichs Junioren-Trainer Florian Liegl ließ seinen Schützling Stefan Huber trotz grüner Ampel erst gar nicht starten, er kennt die Schanze: "Da kommen Windböen und Windhosen von hinten, das ist einfach zu gefährlich."

Es war also ein Glücksspringen. Immer wieder kam es zu Unterbrechungen, nur drei Teilnehmer überboten die 125-Meter-Linie, die Weiten und die Punktzahl aller deutschen Springer hielten sich stark in Grenzen. Bester war Stephan Leyhe als Elfter mit einem annehmbaren Sprung auf 118 Meter. Markus Eisenbichler hatte nach seinem 112-Meter-Hüpfer noch den letzten Optimismus herausgekramt. Er sagte in der ARD, er habe sich nicht schlecht gefühlt, er könne im zweiten Durchgang viel gut machen und fügte hinzu: "Wehe, die brechen ab!" Sie brachen ab, recht schnell sogar, denn der Wind wurde nicht schwächer, zudem dämmerte es, und in Innsbruck gibt es kein Flutlicht. Nun bleiben also noch zwei Springer übrig, die sich in Bischofshofen um den goldenen Vierschanzen-Adler streiten werden, der Rest ist weitgehend geklärt. Stefan Krafts Rückstand auf den Zweiten und sein Vorsprung auf den Vierten lassen fürs Ende der Tournee kaum noch Zweifel zu, dass er Dritter wird - es sei denn, es gibt am Donnerstag abermals unberechenbare Verhältnisse - mit umgekehrter Glücksverteilung.

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Den Ehrgeiz in Stefan Kraft wird dies kaum beruhigen, seinem Körper wird es aber guttun. In Bischofshofen kann er nun relativ befreit drauflos springen, nachdem er vor Innsbruck eine sehr unangenehme Nacht verlebte. Noch beim Abendessen war die Welt von Trainer Heinz Kuttin und seinen Athleten in Ordnung, doch dann geriet alles durcheinander. Die Symptome des Magen-Darm-Virus meldeten sich nachts fast in der gesamten Mannschaft.

Am schlimmsten erwischte es das Doppelzimmer von Kraft und Michael Hayböck, aber auch Andreas Kofler und Florian Altenburger waren geschwächt. Manuel Fettner schlief zwar zu Hause, litt aber noch an einem Atemwege-Infekt. Kraft schüttelte den Kopf: "Dem ganzen Team hat's eini g'schissen, so was musst du erst mal erleben." Alle hatten Pech, heißt das in eine gewähltere Sprache übersetzt - aber auf gewählte Sprache hatte der Mann, der in Innsbruck die Tournee verlor, keine Lust mehr.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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