Videobeweis:Warum der Videobeweis beim Köln-Spiel wichtig war

Borussia Dortmund v 1. FC Koeln - Bundesliga

Der erregte Kölner Spordirektor Jörg Schmadtke diskutiert mit Schiedsrichter Patrick Ittrich.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Aufregung um das zweite Tor von Dortmund beim 5:0-Sieg gegen Köln zeigt: Der Widerstand gegen den Videobeweis speist sich zu oft aus irrationalen Argumenten. Aber für solche Szenen ist er da.

Kommentar von Thomas Kistner

Man könnte mit den empörten Kölnern meinen, der Sachverhalt sei klar. Der Referee hatte die Spielszene in Dortmund abgepfiffen, bevor der von Sokratis getretene Ball die Torlinie überschritt. Die Partie war unterbrochen: und damit der Torerfolg einen Wimpernschlag später nichtig? Formal ist da was dran. Das begründet einen Protest.

Dass es aber ein massives Fehlurteil wäre, die Sache nun tatsächlich so zu entscheiden und das Dortmunder 5:0 zu kassieren, liegt an den Besonderheiten des Falles. Sie reichen sogar aus, um hier keinen Präzedenzfall entstehen zu lassen. Das ist wichtig. Denn der Widerstand gegen den Videobeweis speist sich zu oft aus irrationalen Argumenten; es braucht aber kühlen Sachverstand statt heißer Herzen.

Zum BVB-Tor gibt es zwei zentrale Fakten. Erstens war es korrekt. Zweitens der Ball schon unterwegs ins Netz, als der falsche Pfiff ertönte. Gleich darauf überquerte er die Torlinie, nichts und niemand hätte das verhindern können. Insofern taugt diese Szene auch nicht als Vergleich für Situationen, die nur höchstwahrscheinlich zum Torerfolg führen; etwa, wenn ein Spieler mit Ball aufs leere Tor zudribbelt. Sondern nur, wenn es um einen Treffer geht, dessen Entstehungsgeschichte zum Zeitpunkt des Pfiffes abgeschlossen ist.

Ist aber ein Tor nicht trotzdem ungültig, wenn die Situation abgepfiffen war?

Das wirft die Frage nach Sinn und Wesen des Videobeweises auf. Der Sinn ist, dass er überall dort saubere Urteile fällt, wo das möglich ist. Dass dies nicht immer klappen kann, wird von Video-Gegnern zwar gern hervorgehoben, ist aber kein taugliches Argument. Denn über Szenen, die selbst in feinster Auflösung nicht eindeutig zu klären sind, darf sich jeder nach Kräften empören - nur hat hier niemand die Wahrheit gepachtet. Was doch gerade diejenigen freuen sollte, die dank des Videobeweises die alte Stammtisch-Romantik des Fußballs untergehen sehen.

Nur so lassen sich spielentscheidende Fehler beheben

Und das Wesen des Videobeweises? Besteht genau darin, falsche Pfiffe zu korrigieren. Nur so lassen sich spielentscheidende Fehler beheben. Im Übrigen fällt auch das sportliche Argument, Köln wäre im Falle der Toraberkennung nur mit 0:1-Rückstand in die Pause gegangen und hätte die Partie später drehen können, viel stärker für den BVB in die Waagschale: Wäre ihm ein reguläres Tor genommen worden, hätte er vielleicht deshalb tatsächlich den Ausgleich kassiert; statt die Partie sicher zu gewinnen. Just diese Konsequenz wäre die falscheste von allen, die aus dieser Szene sportlich folgen darf.

Was bleibt? Ein Fehlpfiff, der das Spiel manipuliert, muss per Videobeweis zu korrigieren sein. Alles andere ist der Rückfall in eine institutionalisierte Ungerechtigkeit namens Tatsachenentscheidung. Diese ist ein archaisches, für Manipulation anfälliges Konstrukt und steht den Grundregeln des Sports im Wege. Sie zielen auf Objektivität und faire Resultate.

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