Videobeweis im Fußball:Crashkurs für Schiedsrichter

Videobeweis im Fußball: Verwechslungsgefahr: Der Videobeweis soll Konfusion vorbeugen.

Verwechslungsgefahr: Der Videobeweis soll Konfusion vorbeugen.

(Foto: Franck Fife/AFP)
  • Die Einführung des Videobeweises beim Confed Cup sorgt bei einigen Entscheidungen für Konfusion.
  • Ab der kommenden Saison werden Videoschiedsrichter auch in der Fußball-Bundesliga eingesetzt.
  • Umfassende Schulungen und professionelles Personal sollen dann die Anzahl der Fehlentscheidungen auf ein Minimum reduzieren.

Von Carsten Scheele, Hannover

Es sind manchmal qualvolle Abende beim Confed Cup für all jene, die den Videobeweis für ein sinnvolles Instrument halten. Auch für Hellmut Krug, den Projektleiter beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), der den WM-Test in Russland aus der Ferne beobachtet und feststellt, dass die Video-Assistenten in jedem Spiel zum Einsatz kommen: jene Männer also, die künftig für mehr Gerechtigkeit im Fußball sorgen sollen.

In den meisten Fällen finden der Schiedsrichter auf dem Platz und die Assistenten im Technikraum gemeinsam die richtige Entscheidung. Doch auch Krug sieht: Nicht alles geht glatt beim Confed Cup. Meist dauert es unglaublich lange, bis Klarheit herrscht. Stattdessen häufig: totale Konfusion.

So auch beim Vorrundenspiel Deutschland gegen Kamerun am Sonntag, als Schiedsrichter Wilmar Roldán aus Kolumbien große Unruhe verursachte. Nach einem heftigen Foulspiel hatte er dem Kameruner Sébastian Siani die gelbe Karte gezeigt - leider dem falschen Spieler, wie die beiden Video-Assistenten aus Portugal und Argentinien nach kurzer Zeit feststellten und deshalb intervenierten.

Roldán lauschte seinem Knopf im Ohr, verstand aber etwas völlig Anderes: Er wählte eine noch härtere Bestrafung und zeigte Siani Rot, obwohl der immer noch der falsche Spieler war. Es dauerte also ein bisschen, bis er Ernest Mabouka, den wahren Übeltäter, vom Platz gestellt hatte. Eine vertretbare Entscheidung, doch zu welchem Preis?

Hellmut Krug muss lachen. Eine unglaubliche Szene, eigentlich. "Da war das gesamte Schiedsrichter-Team auf dem Holzweg", sagte der frühere Bundesliga-Schiedsrichter am Tag danach. Keiner der Referees und Assistenten auf dem Platz hatte gesehen, dass Siani das Foul gar nicht begangen hatte; auch für solche Szenen ist der Videobeweis gedacht. Ebenso für strittige Tore, Fouls im Strafraum, versteckte Tätlichkeiten. In der abgelaufenen Saison habe es in der Bundesliga 104 spielrelevante Fehlentscheidungen gegeben, sagt Krug. Er und seine Kollegen glauben, dass sie 77 hätten korrigieren können.

Krug, 61, veranstaltete am Montag einen Workshop in Hannover, er tingelt derzeit mit dem DFB durchs Land, um Werbung für die Video-Assistenten zu machen und Fragen zu beantworten. Krug, der einst renommierteste Bundesliga-Schiedsrichter (240 Spiele), macht sich keine Illusionen: "Es ist normal, dass in den nächsten Wochen viel diskutiert werden wird."

Anschauungsunterricht für die Bundesliga

Doch vieles soll in der Bundesliga besser laufen als beim Confed Cup. Wenn das System zum ersten Spieltag in Deutschland (und kurz zuvor beim Supercup) eingeführt wird, ist eine mehr als einjährige Testphase beendet. Alle beteiligten Referees wurden aufwendig geschult, auch die "Operatoren" genannten Techniker im Kölner Videozentrum, die den Video-Assistenten sekundenschnell die beste Zeitlupe auf den Bildschirm spielen sollen. Die Schiedsrichter haben sich abgestimmt, welche Art von Entscheidungen künftig korrigiert werden müssen und welche Situationen nicht so bedeutend sind, dass ein Video-Assistent einschreiten müsste. Besprochen wurde auch, wie die Kommunikation verlaufen muss, damit auf dem Platz wenige Missverständnisse entstehen.

Beim Confed Cup gab es einen Crashkurs für Schiedsrichter und Assistenten, vielleicht nicht ausreichend für ein großes Turnier im öffentlichen Fokus. Neun bis elf Tage wurden die dortigen Video-Assistenten vorbereitet. Auch Krug half mit, zumindest das Basiswissen mit auf den Weg zu geben, doch im Vergleich zu den Bundesliga-Referees sei das Personal weniger geschult. "Natürlich passieren Dinge, von denen man glaubt, die dürfte es gar nicht geben", sagt Krug. Er meint Roldán und seine Verständigungsprobleme.

Die Bundesliga wählt nur aktuelle und ehemalige Referees aus

In der Bundesliga soll alles schneller und geräuschloser ablaufen. Schon weil das Personal professioneller ist: Als Assistenten kommen nur aktuelle und ehemalige Bundesliga-Referees zum Einsatz, als Supervisoren fungieren Mitglieder der Schiedsrichter-Kommission. Die meisten Checks finden im Hingrund statt, ohne dass das Spiel unterbrochen wird. Greifen die Video-Assistenten ein, soll eine Abseitssituation in zehn bis 15 Sekunden geklärt sein. Nicht wie beim Confed Cup in der Partie Chile gegen Kamerun geschehen, als der Spielbetrieb nach einer knappen Abseitsstellung des Chilenen Vargas minutenlang unterbrochen war - und niemand im Stadion wusste, was als Nächstes passiert.

Das ist ja auch das Gute an den Konfusionen beim Confed Cup: Die aktiven Bundesliga-Schiedsrichter und Funktionäre bekommen gerade eine Menge Anschauungsunterricht, wie es ab August eben nicht laufen soll.

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