VfL Wolfsburg:"Wir haben Spieler, die vielleicht zu lange hier sind"

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Für den Moment im Jubel vereint: Mario Gomez (links) und Wolfsburgs Trainer Andries Jonker. (Foto: REUTERS)
  • Nach dem 1:0 im Relegations-Rückspiel in Braunschweig fordert Daniel Didavi einen Umbruch beim VfL Wolfsburg.
  • In der Mannschaft dürfte es einige Veränderungen geben.
  • Muss auch der junge Sportchef Olaf Rebbe gehen?

Von Carsten Scheele, Braunschweig

Man hatte Mario Gomez an diesem Abend hadern sehen, schimpfen, meckern, doch nun sprudelte es aus ihm heraus: Eine einzige Reporterfrage quittierte er mit einem minutenlangen Monolog; er lachte und philosophierte, schilderte seine ganze Erleichterung nach der geschafften Relegation seines VfL Wolfsburg gegen den Zweitligisten Eintracht Braunschweig. "Hardcore" seien diese Spiele gewesen, "schlimmer als ein Champions-League-Finale", zumindest für den Kopf.

"Mario, komm' in die Strümpfe, wir wollen irgendwann los", rief auf einmal sein Teamkollege Christian Träsch, die Situation war klar: Die ganze Mannschaft wartete abfahrbereit am Bus, nur Mario Gomez war noch nicht mal geduscht.

Irgendwann schaffte es auch Gomez zum Bus. So endete die Wolfsburger Irrfahrt in dieser Saison. "Mit der letzten Ausfahrt", wie es Sportchef Olaf Rebbe formulierte, war der Klassenerhalt geglückt, mit einem 1:0 im Relegations-Rückspiel in Braunschweig, ein irrsinnig hitziges Spiel, das auch hätte schiefgehen können. Der Stolz darüber, im entscheidenden Moment Charakter gezeigt zu haben, dürfte nur einen Abend währen - bald werden beim VfL etliche Dinge ins Rollen geraten.

Eine missratene Spielzeit für den VfL

Und zwar nicht gerade im positiven Sinne, denn es war eine inakzeptable Saison, die der Klub zeigte. Erst in der Extrarunde konnte die Mannschaft den Fall in die zweite Liga abwenden, obwohl sie mit berechtigten Ambitionen aufs europäische Geschäft gestartet war. Eine missratene Spielzeit mit zwei Trainer- und einem Managerwechsel, mit vielen neuen Spielern, die geholt wurden - und vor allem mit vielen Enttäuschungen.

Eine solche Saison soll sich nicht wiederholen, da waren sich am Montagabend alle einig. Gut möglich, dass einige, die diesen Satz sagten, in der kommenden Saison gar nicht mehr da sein werden. Da Trainer Andries Jonker ("gibt heute nichts zu feiern") noch am Abend verkündete, dass er sich mit der Vereinsspitze auf die Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit geeinigt habe, könnte es den jungen Sportchef Rebbe treffen, selbst erst seit Winter in verantwortlicher Position, der die Mannschaft mit seinen Zukäufen nicht entscheidend verbessern konnte.

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Über seine Ablösung wird spekuliert, der Aufsichtsratsvorsitzende Francisco Garcia Sanz ließ die Möglichkeit, Rebbe das Vertrauen auszusprechen, in Braunschweig ausdrücklich verstreichen. "Natürlich kann es so nicht weitergehen. Oder glauben Sie, ich will jedes Jahr Relegation spielen?", erklärte der Chef der Wolfsburger Delegation vielsagend. Zu Personalien wollte er sich aber (noch) nicht äußern.

Ganz sicher wird es auch in der Mannschaft Veränderungen geben. Es war bemerkenswert, wie sich etliche Spieler während der Saison selbst dann weigerten, den Abstiegskampf anzunehmen, als er längst begonnen hatte. Wolfsburg hatte sich ein Team mit vielen teuren Einzelkönnern gebastelt, die nur selten als Mannschaft funktionierten. Sie wurden überflügelt von kleineren Vereinen, die eigentlich viel weniger Manpower haben sollten: von Augsburg, von Werder Bremen, ja vom kleinen Freiburg.

Die deutlichste Kritik übte einer, der sonst nicht für die lauten Töne zuständig ist: Daniel Didavi. Der Ex-Stuttgarter spielt erst seit 2016 für den Klub, hatte gleich mit Verletzungen zu kämpfen, wird aber entgegen anderslautender Gerüchte (der HSV soll Interesse haben) wohl in Wolfsburg bleiben. Didavi hatte ein Jahr Zeit, die Begebenheiten beim VfL zu betrachten.

"Viele unzufriedene Spieler" habe er gesehen; der Umbruch im vergangenen Sommer, als Großverdiener wie André Schürrle oder Max Kruse den Klub verließen, im Winter dann auch Julian Draxler, sei vielleicht nicht ausreichend gewesen. "Wir haben Spieler, die vielleicht zu lange hier sind", kritisierte Didavi: "Wir brauchen einfach Spieler, die den Willen haben, etwas zu erreichen." Die Möglichkeiten in Wolfsburg seien nach wie vor "riesig und das muss man endlich ausschöpfen".

Gomez freut sich auf den Urlaub

Auch Gomez - ja, er redete immer noch - zeigte auf, woran es gefehlt hatte. Der Abstiegskampf habe die Defizite der Mannschaft deutlich werden lassen, "wir haben es nie geschafft, uns auf die Situation einzustellen", sagte Gomez. Sein eigener Abend war wegen der fortlaufenden Schmähgesänge der Braunschweiger Fans eher unschön verlaufen, umso erleichterter war er, dass er hier so bald nicht mehr auflaufen muss. "Ich habe mich noch nie so sehr auf den Urlaub gefreut", erklärte Gomez mit einem Lächeln.

Wenn er wiederkommt (und dann noch immer VfL-Spieler ist), dürfte er eine andere Mannschaft vorfinden. Schon am Dienstag meldeten Bild und Sky, dass der US-Amerikaner John Anthony Brooks für geschätzte 17 Millionen Euro von Hertha BSC nach Wolfsburg kommen soll. Es wäre nur der Anfang eines turbulenten Wolfsburger Transfersommers.

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