VfL Wolfsburg:Tränen im Bernabéu

Real Madrid CF v VfL Wolfsburg - UEFA Champions League Quarter Final: Second Leg

Derangiert: Nicht nur bei Freistößen hatten die Wolfsburger Mühe, sich der Gewalt zu erwehren, die Cristiano Ronaldo entfesselte.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Nach dem tragischen Abschied von der großen Fußballbühne ärgert sich Wolfsburg nun erst so richtig über die missratene Bundesligasaison.

Von Javier Cáceres, Madrid

Ein Hauch von Tragik über Wolfsburgs Ausscheiden brach sich dann doch noch Bahn im Estadio Santiago Bernabéu, personifiziert durch Maximilian Arnold. Die Kunde, dass Real Madrid durch einen 3:0-Erfolg den Wolfsburger 2:0-Triumph aus dem Hinspiel im Viertel- finale der Champions League zertrümmert hatte, war längst in alle Welt hinausposaunt worden, als Arnolds Augen sich wieder und wieder mit Tränen füllten. Jeder Satz, den er in Angriff nahm, brach ab. Vergessen war, wie viel er dafür getan hatte, dass es überhaupt zu diesem Traum gekommen war: Dass der VfL Wolfsburg das große Real Madrid beschämt hatte. Es war Arnolds Foul an Luka Modric gewesen, das in der VW-Arena die Wolfsburger Respektlosigkeit proklamiert hatte, es war sein Tor zum 2:0-Endstand im Hinspiel gewesen, das Madrid zur großen Aufholjagd blasen ließ, die im 3:0-Triumph endete.

Der defensive Mittelfeldmann Luiz Gustavo klagt: "Das tut weh."

Doch all das war fort, hinweggewischt wie der Madrider Smog vom Regen. "Dieser Katastrophenpass", stammelte Arnold in Erinnerung an jenen Ball, der vor dem 1:0 erst in den Füßen von Rechtsverteidiger Carvajal und dann beim dreifachen Torschützen Cristiano Ronaldo gelandet war, "da haben wir . . . nein, da hab' ich Real eingeladen", stammelte Arnold weiter. "Damit ging alles los." Es folgte noch ein weiterer Satz, der nach Selbstzerfleischung klang: "Es tut mir leid."

In der missratenen Aktion von Arnold aus der 16. Minute erkannte VfL-Manager Klaus Allofs ein "Spiegelbild der Saison", die in Sachen Pflichtübungen für Wolfsburg eine einzige Enttäuschung ist. Sollte nicht noch ein Wunder geschehen, wird die VW-Filiale die neuerliche Champions-League-Qualifikation verpassen. "In den falschen Momenten machen wir Fehler, die uns eigentlich nicht passieren dürfen. Fehler, die man im Bernabéu-Stadion, in der Champions League nicht ausgleichen kann", sagte Allofs.

Der defensive Mittelfeldmann Luiz Gustavo hatte noch lange nach Spielende auf dem Platz gelegen, die Hände vors Gesicht geschlagen. "Wir hatten eine Chance, wir haben sie nicht genutzt. Das tut weh", sagte der Brasilianer später. Die Wolfsburger hatten wie Zocker gewirkt, die im Suff einen hohen Betrag auf Sieg gesetzt und anderntags, defätistisch und verkatert, die Wettschulden im Voraus beglichen hatten. "Wir hatten zu viel Respekt. Mehr als nötig", sagte Rechtsverteidiger Vieirinha, und belegte dies mit einer durchaus treffenden Beobachtung: "Nach dem 0:2 haben wir Fußball gespielt." Beziehungsweise genauer: erst nach dem 0:2-Rückstand, der Real in die Hände spielte.

Doch Henrique, die Geheimwaffe des Hinspiels, vergab die große Chance zum wichtigen Anschlusstreffer (38.

). "Unser Plan war nicht nur, zwei schnelle Tore zu machen. Sondern von Anfang an draufzugehen, Wolfsburg unter Druck zu setzen, die Fans mitzunehmen und die Stimmung zu kreieren, die dann da war", sagte Reals deutscher Nationalspieler Toni Kroos. Wohl wahr: Das Publikum war kämpferisch gestimmt. Andererseits: Selbst da war - wie beim fußballerischen Vortrag Reals - noch Luft nach oben. "Aseptisch", nannte der Chefkommentator der Zeitung Marca die Inszenierung der Madrilenen. Wolfsburg blieb nur der Blick aufs Betriebsergebnis - und die Freude über die Rubrik namens außerordentliche Erträge.

"Wir haben von zehn Champions-League-Spielen sieben gewonnen, das ist außergewöhnlich", sagte Manager Allofs und betonte, dass er die Mannschaft gar nicht "künstlich aufbauen" wolle. "Ich denke, wir können unglaublich stolz sein, wie wir diese Champions League gespielt haben, auch diese beiden Spiele gegen Real." Das müsse die Mannschaft auch wissen: "Wir werden bis zum Samstag ein bisschen leiden. Aber dann müssen wir dieses Selbstbewusstsein daraus ziehen, dass wir eine Mannschaft wie Real Madrid zumindest an den Rand des Ausscheidens gebracht haben." Auf dass es dem VfL in den letzten fünf Bundesligapartien helfe! Am Samstag heißt der Gegner SV Werder.

Für Klaus Allofs ist es wie beim Mensch-ärger-dich-nicht

"Ich hoffe, dass wir lernen", sagte Luiz Gustavo, der Mann, der auf dem Boden gelegen und die Bitternis zu ordnen versucht hatte, die wohl auch bei ihm Tränen geweckt hatte. Er wisse, was es für einen Verein und einen Spieler bedeute, in der Königsklasse zu spielen, habe er da gedacht.

"Wir merken jetzt, wie schwierig es ist, einen Champions-League-Platz zu kriegen", sagte Luiz Gustavo, der längst weiß, dass ebendieser Platz für die aktuell Achten der Bundesliga-Tabelle schon lang verloren ist. "Jetzt ist es wie bei ,Mensch ärger dich nicht': Einmal aussetzen, dann geht's weiter", meinte Manager Klaus Allofs zu den Champions-League-Perspektiven des Klubs.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: