VfL Wolfsburg:Richtig Bock auf Bayern

SV Darmstadt 98 v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Julian Draxler (re.): Samstag Darmstadt, Dienstag FC Bayern

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Frank Hellmann, Darmstadt

Beim SV Darmstadt 98 gehen die Uhren anders. Die ulkige dreieckige, vergilbte Digitaluhr aus den Siebzigerjahren über der Nordkurve, die zu jedem Heimspiel in der charmanten Bruchbude in Regelbetrieb genommen wird, war zur Partie gegen den VfL Wolfsburg völlig außer Takt geraten. Der Stundenzeiger bewegte sich in Rekordtempo, in 90 Minuten schaffte er geschätzt 30 Umdrehungen. "Hier herrschen andere Bedingungen", stellte VfL-Manager Klaus Allofs zum Abschied vom Stadion am Böllenfalltor fest. Und er monierte den Rasen. Der sei viel zu lang gehalten, in der Absicht, die spielstärkeren Teams durch die Kraft der Natur auszubremsen. "In Darmstadt ist der Platz ganz anders", so Allofs, "aber darüber müssen wir jetzt nicht mehr jammern."

Denn letztlich gaben sich die Niedersachsen beim Aufsteiger keine Blöße. Sie festigten mit einem 1:0 (0:0)-Arbeitssieg nicht nur ihren Spitzenplatz, sondern sammelten auch Selbstvertrauen für den DFB-Pokal-Schlager am Dienstag gegen den FC Bayern. "Wir sind der Titelverteidiger, wir spielen zu Hause, also sind wir leichter Favorit", sagte Allofs mit einem Schmunzeln. Weiter ging Trainer Dieter Hecking: "Klare Ansage: Wir wollen weiterkommen. Dafür brauchen wir einen Sahnetag." Hecking sieht nach drei Siegen in einer Woche "gute Voraussetzungen, dass wir am Dienstag in die nächste Runde einziehen".

Mit dem ersten Ballkontakt gelingt Caligiuri das Siegtor

Dass es ein anderes Spiel wird als der zähe Abnutzungskampf auf den zu langen Halmen, bereitet den Wolfsburgern gute Laune. "Ohne Darmstadt weh tun zu wollen: Auf das Bayern-Spiel freuen wir uns, weil da mehr die spielerische Komponente gefragt ist", so Siegtorschütze Daniel Caligiuri. Der Deutsch-Italiener war in der zugigen Mixed Zone unter der Haupttribüne der gefragteste Darsteller. Erst in der 75. Minute eingewechselt, glückte ihm drei Minuten später mit einem leicht abgefälschten Schuss das Tor des Tages. "Mein erster Ballkontakt: Besser geht es nicht", meinte der Matchwinner.

Zuvor hatte sich Darmstadts Torhüter Christian Mathenia gegen den heranstürmenden Vieirinha verschätzt: "Ich komme einen halben Schritt zu spät, weil ich eine halbe Sekunde zögere. Das nehme ich auf meine Kappe." Letztlich ermöglichte nach der Konfusion eine Vorlage des ansonsten ebenso wie Julian Draxler arg unauffälligen Max Kruse das Caligiuri-Tor.

Bundestrainer Löw sieht, wie Weltmeister Schürrle erneut vergibt

Caligiuri dürfte auf der Tribüne auch Joachim Löw interessiert haben. Von Bundestrainer hieß es, er habe neben Kruse, Draxler und Christian Träsch auch den bislang nur zu einem Lehrgang für Italiens Nationalteam eingeladenen, aber dort noch nicht eingesetzten Caligiuri, 27, begutachten wollen. Löw sah ihn nur kurz, Hecking erzählte, warum: "Er hat die meisten Kilometer in den Beinen. Und wir haben noch viele schwere Spiele vor uns." Will heißen: Für die wichtigen Partien ist Caligiuri gesetzt. Im Gegensatz zu Weltmeister André Schürrle, der, spät eingewechselt, beinahe kläglich die Chance zum 2:0 verstolperte. "Wir hätten das sicher noch souveräner lösen können", stellte daher Allofs heraus.

Mit den bekannten Mitteln - Leidenschaft, Laufstärke - hatte Darmstadt dem Favoriten den Tag erschwert. Konstantin Rausch traf bei der besten Chance nach toller Vorarbeit des flinken Marcel Heller nur das Außennetz (42.). "Kämpferisch waren wir total auf Augenhöhe. Wir haben lange sehr ordentlich, sauber und aktiv verteidigt", analysierte Trainer Dirk Schuster, "letztlich mussten wir uns dann doch der individuellen Qualität beugen."

Der Vorteil seiner Auswahl der Ausgemusterten und Abgeschobenen: Sie hat bereits gegen fast alle Spitzenteams - Bayern, Dortmund, Schalke, Leverkusen, Wolfsburg - gespielt. "Wir haben gegen die Großen teils super Spiele gemacht. Auch spielerisch wird es immer besser", stellte Rausch heraus: "Jetzt wollen wir das am Dienstag noch besser machen." Dann kommt Hannover 96 im Pokal ans Böllenfalltor. Vielleicht geht die Stadionuhr ja wieder.

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