VfL Wolfsburg:Näher dran am Gehäuse

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Kommt ein wieder entdeckter Torjäger geflogen: Max Kruse erzielt sein drittes Tor, es war das 4:2 der Wolfsburger gegen Hoffenheim. (Foto: Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images)

Stürmer Max Kruse beendet seine Liga-Torflaute spektakulär: Er erzielt beim 4:2 gegen Hoffenheim drei Treffer und sorgt für Entspannung bei seinem Arbeitgeber.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Das Echo seiner Heldentaten reichte 180 Kilometer weit, und es war auch noch zu hören, als der Sieg des VfL Wolfsburg gegen die TSG 1899 Hoffenheim bereits drei Stunden vorüber war. "Fußballgott! Fußballgott!", riefen ein paar Fans im Stakkato, als sie Max Kruse auf der Rolltreppe des gigantischen Berliner Hauptbahnhofs sahen, und nötigten den Stürmer, der mit ein paar Freunden im ICE von Wolfsburg in die Hauptstadt gereist war, zu einem gütigen Lächeln.

Fußballgott? Drei Tore hatte der Nationalspieler beim 4:2-Sieg gegen Hoffenheim (1., 63. und 82. Minute) erzielt - und damit am neunten Spieltag nicht nur seine ersten Treffer für den VfL Wolfsburg geschossen, der ja erst seit diesem Sommer sein Arbeitgeber ist, sondern der fußballspielenden Tochtergesellschaft des dieselkriselnden Volkswagen-Konzerns nach vier sieglosen Pflichtspielen zu einem Triumph verholfen. Der war nötig, um den Anschluss an die Verfolger-Gruppe hinter dem rastlos marschierenden Spitzenreiter FC Bayern nicht zu verlieren. "Es ist wichtig, dass wir in die Erfolgsspur zurückgefunden haben", sagte Kruse, als er, noch in Arbeitskleidung, in den Katakomben der Wolfsburger Arena sprach.

Kruse, 27, war von Borussia Mönchengladbach nach Wolfsburg gewechselt, es floss eine Ablösesumme von immerhin rund zwölf Millionen Euro. In Wolfsburg weckte er mit seinem großzügigen, aufopferungsvollen, arbeitsamen Stil Emotionen, auch weil er sich etwas bewahrt hat, was man Amateurismus nennen könnte: aufrichtige Liebe zum Spiel. Zuletzt schimmerte im Umfeld des VfL aber auch Ungeduld durch: Die Tore fehlten.

"Es ist wie so oft: Man gibt den Spielern gar nicht die Zeit, richtig anzukommen", ärgerte sich Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking nach der Partie. Auch Bas Dost, der das frühe 2:0 erzielt hatte (7.), ehe die Hoffenheimer durch Jeremy Toljan (30.) und Jonathan Schmid (54.) ausglichen, sah vor der Partie offenkundig die Zeit gekommen, Kruse gut zuzureden. "Es ist kurios, ich habe ihm gesagt, dass er ein Tor erzielen würde. Und dann macht er drei!", sagte der niederländische Mittelstürmer. Dennoch betonte Dost, er habe nicht das Gefühl gehabt, dass an Kruse etwas nage: "Er ist kein Typ, in dessen Kopf so etwas hängen bleibt", sagte Dost. Mit "so etwas" meinte er Kruses Tor-Flaute.

Am Tag vor dem Spiel führte Kruse ein Gespräch mit Trainer Hecking. Thema: Torgefahr!

Kruse bestätigte Dosts Einschätzungen. Druck? "Ich nicht", sagte er. Zumal er gut argumentieren konnte, dass seine Leistungen für den VfL zuvor schon von Opferbereitschaft geprägt waren: "Man kann nicht sagen, dass ich nicht alles gegeben habe."

Im Übrigen, fügte er hinzu, stehe er in einem Adaptationsprozess. In der Tat: In Wolfsburg spielte er bislang eher auf der Position der "Nummer 10", also deutlich hinter den Spitzen. Damit beraubte er sich seiner Torkraft, war er doch viel zu weit vom gegnerischen Gehäuse entfernt, um Abschlüsse zu suchen. Dass er nach Besserung trachtete, machte Kruse selbst öffentlich: Er habe am Freitag mit seinem Vorgesetzten Hecking gesprochen, um seine Torgefährlichkeit auszubauen.

Was bei diesem Gespräch herauskam, war vor allem eine Verschiebung von Kruse nach vorne. "Max hatte schon in den vorangegangenen Spielen seine Gefährlichkeit angedeutet, aber nie im letzten Drittel. Er hat viele Bälle festgemacht, aber meistens in der Mittelfeldzone, und da ist er nicht ganz so gefährlich" - die Lösung, so Hecking: "Bei eigenem Ballbesitz sollte er vorgehen bis auf die Abseitslinie und von da aus sein Spiel machen, damit die beiden Sechser" - also die defensiven Mittelfeldspieler des Gegners - "keinen Zugriff auf ihn finden." Kruses Fazit am Samstag: "Hat ja ganz gut funktioniert!" Einerseits verlängerte sein Dreierpack Hoffenheims schlechtesten Saisonstart seit dem Bundesliga-Aufstieg 2008. Andererseits stärkte er die gute Laune des Stürmers, die er seit seinem Länderspieleinsatz herumträgt.

Kruse hatte sechs Tage zuvor die Nationalelf mit seinem Tor zum 2:1 gegen Georgien zur EM 2016 nach Frankreich geschossen - und damit Bundestrainer Löw einen Hinweis gegeben, wie dessen Stürmerproblem zu lösen wäre. Kruse begnügte sich nun aber mit dem Faktischen: "Das waren zwei sehr schöne Momente in nur einer Woche für mich", sagte er. Äußerlich blieb er ungerührt, aber er war erkennbar beseelt.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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