VfL Wolfsburg:Mario Gomez unter Slapstick-Verdacht

VfL Wolfsburg - Borussia Dortmund

Mario Gomez (l.): Gegen Dortmund mit unglücklichen Aktionen

(Foto: dpa)

Von Carsten Scheele, Wolfsburg

Plötzlich war er wieder da, der Slapstick-Verdacht. Julian Draxler hatte den Ball scharf aufs Tor geschossen, BVB-Torwart Roman Bürki sensationell abgewehrt. Doch da stand Mario Gomez und es sah so aus, als müsste er den Ball nur noch über die Linie schubsen.

Es fehlten nur Zentimeter. Doch Bürki kam mit seiner Faust noch vor dem Stürmer an den Ball, Gomez trat deshalb etwas grotesk vorbei, von irgendeinem Körperteil prallte der Ball an den Pfosten, von dort wieder gegen Bürkis Arm und dann raus. Gomez blieb auf dem Rasen liegen, fassungslos.

Gomez, 31, ist ein erfahrener Stürmer, der gute und schlechte Karrierephasen erlebt hat. Mal hat er aus zwei Chancen drei Tore gemacht, mal monatelang keinen Ball versenkt. Er kennt das, er kann das einschätzen. Er konnte in dieser Szene nach der Halbzeit eigentlich nicht viel dafür, trotzdem tut der Slapstick-Verdacht weh.

Der VfL nutzt seine Chancen nicht

Da war diese Szene bei der EM 2008, die nun überall hervorgekramt wird. Als Gomez vor dem Tor der Österreicher den Ball aus drei Metern nicht im Tor unterbrachte, sondern senkrecht in die Luft schoss. Gomez weiß, dass er seitdem unter verschärfter Beobachtung der Öffentlichkeit steht. Er entschied sich deshalb, die Angelegenheit mit Humor zu betrachten. Er habe sich bei der Aktion "beinahe das Bein gebrochen", erklärte der Stürmer nach dem Schlusspfiff. Und ja, er könne es selbst kaum glauben, dass der Ball nicht im Tor gelandet sei.

Nun ist es viel zu früh, Gomez nach nur drei Spielen ohne Treffer eine persönliche Krise ans Bein zu reden. Er war in der vergangenen Saison sehr erfolgreich vor dem Tor, kam als Schützenkönig der türkischen Liga nach Wolfsburg, traf zudem bei der EM in Frankreich, bevor er sich verletzte. Die andere Geschichte ist jedoch, dass sein Verein, der VfL Wolfsburg, gerade einige Punkte verliert, weil das Team seine zahlreich gut herausgespielten Chancen nicht nutzt. Vier Spiele hat der VfL in dieser Bundesligasaison absolviert, dabei zweimal 0:0 gespielt. Das allein wäre halb so wild, doch es wirkt besorgniserregend, wie viel Wolfsburg derzeit verballert.

20 Torschüsse hatten gegen Hoffenheim nicht zu einem Tor gereicht, beim bitteren 1:5 gegen Dortmund am Dienstagabend zählten die Statistiker erneut 15 Versuche. Doch nur der eingewechselte Daniel Didavi brachte den Ball zu Beginn der zweiten Halbzeit im BVB-Tor unter, ein kümmerlicher Ertrag.

"Irgendwann flutscht es wieder"

Das ist natürlich auch Gomez' Problem, der so bei null Saisontoren steht, obwohl es bereits vier oder fünf sein könnten. Die Wolfsburger Saisonplaner müssen sich auch fragen, ob ihr Kader in der Stürmerposition nicht etwas zu sehr auf Kante genäht ist. Zwar wird Gomez irgendwann schon wieder treffen, doch im Grunde war eine Situation wie diese nicht eingeplant: dass dem einzig echten Stürmer im Kader die Erfolgserlebnisse versagt bleiben. So scheint Wolfsburg in der Lage, jedem Gegner ernsthafte Probleme zu bereiten - auch dem BVB, dem das Spiel in der Wolfsburger Drangphase beinahe entglitten wäre. Doch nur bis zu jenem Moment, wenn die Offensivkräfte zum Torschuss ansetzen.

In Max Kruse und Bas Dost hat der VfL im Sommer zwei Stürmer verloren, für sie kam Gomez. Außer ihm stehen im Kader noch der junge Brasilianer Bruno Henrique und der junge Spanier Borja Mayoral. Henrique zeigte gegen den BVB auf der linken Außenbahn, dass er in vielen Situationen zu verspielt agiert. Mayoral attestieren sie in Wolfsburg größere Anpassungsprobleme im Bundesligabetrieb. Bis er dem Team helfen kann, dürfte noch Zeit vergehen.

Dazu muss der Klub auf den Torschützen Didavi für unbestimmte Zeit verzichten. Hecking erklärte nach der Partie, dass der Zugang aus Stuttgart im Laufe der Woche wegen anhaltender Kniebeschwerden operiert werden soll. "Da wird eine OP anstehen. Wir haben im Vorfeld des Spiels gewusst, dass ein gewisses Risiko besteht, aber er wollte unbedingt spielen", sagte Hecking. Didavi und Knieprobleme? Das ist kein gutes Zeichen, stand der 26-Jährige doch deshalb schon einige Male vor einem Karriereende.

So ist das Angriffsspiel allein auf Gomez zugeschnitten - der das natürlich weiß. "Ich bin hier um Tore zu machen. Es tut mir leid, dass ich sie nicht gemacht habe", sagte Gomez. Trainer Dieter Hecking rechnete vor, dass seine Mannschaft gegen Dortmund "minimum vier Tore" hätte erzielen müssen. Nicht nur Gomez vergab Großchancen, auch Draxler, Henrique und Rodriguez hätten treffen können.

Wäre dem VfL Mitte der zweiten Halbzeit ein zweites Tor geglückt, die Partie wäre wohl anders verlaufen. So blieb Mario Gomez nur, den Fans zu versichern, dass auch wieder andere Zeiten kommen werden. "Irgendwann flutscht es wieder", versprach der Nationalstürmer. Dann wird er den Ball wieder selbstverständlich über die Linie drücken. Er hat das ja alles schon mal durchgemacht.

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