VfL Wolfsburg in der Europa League:Mit 50 Fans in eine antike Arena

VfL Wolfsburg in der Europa League: Große Aufgabe in Krasnodar: Wolfsburgs Ivica Olic.

Große Aufgabe in Krasnodar: Wolfsburgs Ivica Olic.

(Foto: AP)

Nächste Station Krasnodar: Die Europa League hält entlegene Reiseziele bereit, so auch für den VfL Wolfsburg, der in der politisch komplizierten Kaukasusregion antritt. Immerhin bietet das Stadion einen seltenen Anblick.

Von Carsten Eberts

Ein schönes Zitat zur Europa League stammt von Wolfgang Holzhäuser, dem früheren Geschäftsführer von Bayer Leverkusen. Es war im Sommer 2012, die Auslosung stand an, und Leverkusen hatte eher bescheidenes Glück: Wie schon zwei Jahre zuvor landete Bayer mit Metallist Charkow und Rosenborg Trondheim in einer Gruppe, mit Klubs aus zwei der kältesten Orte, an denen in Europas Winter guter Fußball gespielt wird.

Holzhäuser betrachtete also das Tableau, dachte an die weiten Reisen in unwirtliche Regionen und sagte: "Als Betriebswirt bin ich froh, dass sich die 20 Paar beheizbaren Schuhe, die wir vor zwei Jahren für die Spiele in der Ukraine und Norwegen angeschafft haben, nun refinanzieren lassen."

So ist das in der Europa League. Während die Champions League fast ausnahmslos in glänzenden Hauptstädten oder gut erreichbaren Großstädten ausgespielt wird, kann es in der Europa League in die grauen Randregionen des Kontinents gehen. Die Reisen sind weiter, teilweise sind arg unbekannte Gegner dabei, von denen kaum ein fußballinteressierter Mitteleuropäer zuvor gehört hat: Hannover 96 musste vor drei Jahren zu Worskla Poltawa in die Ukraine. Hertha BSC Berlin weiß immerhin, wie es bei FK Ventspils in Lettland aussieht.

In diesem Jahr hat es den VfL Wolfsburg erwischt. Am Donnerstagabend ab 18 Uhr (Liveticker auf SZ.de) tritt der Klub in mehr als 2000 Kilometern Entfernung bei FK Krasnodar an. Fußballerische Großtaten sind von dem 2008 gegründeten Klub nicht bekannt, außer dass er einmal im russischen Pokalfinale stand - und so ist es auch keine Schande für Wolfsburgs Daniel Caligiuri, dass er bekannte, er habe von diesem Verein "zum ersten Mal bei der Auslosung" gehört.

Politisch komplizierte Region

Die Region Krasnodar dürfte jenen bekannt sein, die sich mit dem Austragungsort der vergangenen Olympischen Winterspiele auseinandergesetzt haben. Die Industriestadt mit ihren 800.000 Einwohnern liegt 300 Kilometer von Sotschi entfernt, 1200 Kilometer südlich von Moskau, in der politisch als kompliziert geltenden Region nahe Abchasien (Georgien), Tschetschenien und Dagestan. Im wenige Hundert Kilometer entfernten Wolgograd gab es 2013 Anschläge mit 40 Toten. Während der Winterspiele erließen die USA eine Terrorwarnung für die Region. Die Ostukraine und die Krim, kürzlich von Russland übernommen, sind ebenfalls nicht weit.

Nur etwa 50 Fans werden den VfL deshalb in Krasnodar unterstützen. Viele Anhänger hätten ein "unsicheres Gefühl und wollen deshalb nicht mit", erklärte der Wolfsburger Fanbeauftragte Michael Schrader. "Ein unbequemes Spiel", erwartet auch Caligiuri. Nicht nur wegen des Gegners, auch wegen der Umstände. Mit europäischem Hexenkesselfußball wird es wenig zu tun haben, was den VfL erwartet.

Erst vor sechs Jahren wurde der FK Krasnodar gegründet, von einem Milliardär, wie das in Russland so ist. Das Stadion ist sehr alt, Baujahr 1960, nebenan wird ein neues gebaut, auch eine Nachwuchsakademie entsteht. Über den Zuschauerplätzen gibt es kein Dach, um das Spielfeld herum ist eine Laufbahn installiert. Eine solch antik anmutende Arena finde man "nicht mehr so häufig, da kann man weit reisen", sagte Geschäftsführer Klaus Allofs im Radio des NDR, etwas ungewiss, was am Donnerstagabend atmosphärisch auf seine Spieler zukommen wird.

Vorsicht vor dem Umkehrspiel

Sportlich wähnen sich die Wolfsburger Protagonisten gut vorbereitet. Eine "hammerharte Aufgabe", erwartet Trainer Dieter Hecking. Viel Geld wird in Krasnodar ausgegeben, um eine schlagkräftige Mannschaft aufzustellen. Unter anderem spielt hier Marat Ismailow, ein vom FC Porto ausgeliehener Linksaußen, der einst als größtes Talent in Russland galt. Ein "überragendes Umkehrspiel" attestiert Hecking dem aktuell Fünften der russischen Liga. Allofs ist sich sicher, dass Wolfsburg nicht so viele Chancen erhalten wird wie neulich beim SC Freiburg.

Nach dem Spiel geht es mit dem eigenen Charterflieger erst nach Braunschweig, dann zurück nach Wolfsburg. In der Bundesliga muss der VfL erst am Sonntag wieder ran. Wer in der Europa League weit reist, bekommt einen Tag länger zugesprochen, um sich von den Strapazen zu erholen.

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