VfL Wolfsburg:Im Werksfahrzeug zur Relegation

Hamburger SV v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Auf ihm ruht die Hoffnung: VfL-Stürmer Mario Gomez.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der VfL Wolfsburg bereitet sich auf die Abstiegsrelegation gegen Braunschweig vor.
  • Das Duell ist nicht nur von sportlicher Brisanz, sondern wird von zwei maßgeblich vom VW-Konzern finanzierten Vereinen ausgetragen.
  • Die DFL schließt Interessenkollisionen jedoch aus.

Von Javier Cáceres

Marketingsprüche können ja auch nach hinten losgehen. #TheExtraMile lautet der Slogan, der den VfL Wolfsburg durch die Fußball-Bundesliga-Saison begleitet hat, er prangt unter anderem gut sichtbar auf dem Mannschaftsbus der VW-Filiale, sowohl back- wie auch steuerbords. Und siehe da: Die Wolfsburger fahren jetzt tatsächlich Extra-Meilen. Zur Vorbereitung auf das Relegationsspiel gegen den Dritten der abgelaufenen Zweitliga-Saison Eintracht Braunschweig (Donnerstag, 20.30 Uhr, live in der ARD) begaben sich die VfL-Profis ins niederländisch-deutsche Grenzgebiet, genauer: in die Ortschaft De Lutte.

Dort, in der Region Twente, steht ein Sportzentrum, das Ajax Amsterdam seit Jahrzehnten für Trainingslager nutzt. Eigentlich Indiz genug dafür, dass die Grundvoraussetzungen für eine hinreichende Vorbereitung auf die beiden Partien gegen die Eintracht (Rückspiel am Montag in Braunschweig) gegeben sind, in der die Bundesliga-Zugehörigkeit in der kommenden Saison auf dem Spiel steht.

Gleichwohl gab es besorgte Fragen Wolfsburger Journalisten, auf dem Internet-Auftritt des Landhuishotel Bloemenbeek sei nur das Foto eines besseren Bolzplatzes zu sehen. VfL-Trainer Andries Jonker lächelte. Wer glaube, er willige einer Vorbereitung ohne regulären Fußballplatz ein, der habe ihn in seiner nunmehr zehnwöchigen Amtszeit nur schlecht kennengelernt.

Die gute Laune und Gelassenheit, die Jonker vor der Relegation ausstrahlt, scheint einen tieferen Grund zu haben: Der Trainer hat begriffen, dass der VfL nur eine Chance hat: rational Fußball zu spielen. Denn auf dem Feld der Emotionen, die in so einem Derby (die Stadien beider Teams liegen rund 25 Kilometer auseinander) eine entscheidende Rolle spielen können, wirkt Eintracht Braunschweig sogar in den Augen der Wolfsburger Presse überlegen.

Der Bessere gewinnt nicht immer

"Emotion frisst Klasse", schrieb die Wolfsburger Allgemeine Zeitung. Doch wer weiß: Selbst der Kapitän der Wolfsburger, der Brasilianer Luiz Gustavo, geht von einem "50/50-Spiel" aus, auch weil er sich gut an die beiden Bundesliga-Derbys aus seinem ersten Wolfsburger Jahr erinnern kann (2013/14), als Braunschweigs Kampfgeist dazu führte, dass die Eintracht in Wolfsburg 2:0 siegte und daheim ein 1:1 holte. Ergebnisse, mit denen Wolfsburg ab- und Braunschweig aufsteigen würde.

Schon seit Wochen versuche er, "Ruhe in die Köpfe zu bekommen", zu viele Profis seien übermotiviert gewesen und hätten "zu viele Meter laufen wollen", sagt wiederum Jonker. Ja, sein Team müsse "überragenden Kampfgeist", an erster Stelle aber doch "ein gutes Fußballspiel" liefern. Das bedeutet auch, zu verdrängen, "dass beim Fußball nicht immer der Bessere gewinnt", wie am Samstag bei Wolfsburgs 1:2-Niederlage beim Hamburger SV zu sehen war - am letzten Spieltag einer Saison, die ein fürwahr kurioses Werksduell gebar.

Konzerninternes Duell um den Ligaerhalt

Wolfsburg gegen Braunschweig: Das ist ja nicht nur ein regionales Duell, das unter anderem dadurch seine Schatten vorauswirft, dass zahlreiche Braunschweiger ohne Ticket nach Wolfsburg reisen dürften. Die Behörden in Wolfsburg sind deshalb alarmiert. Jonker jedenfalls fühlte sich an klangvolle Derbys aus der eigenen Vita erinnert: Tilburg gegen Breda in den Niederlanden, FC Barcelona gegen Espanyol in der spanischen Liga, Arsenal gegen Tottenham in England. Vor allem aber ist es eine Betriebsmeisterschaft der besonderen Art.

Der VfL hängt zu einhundert Prozent am Tropf des Volkswagen-Konzerns, Eintracht Braunschweig könnte ohne die Zuwendungen der VW-Tochter Seat und der VW Financial Services nicht überleben. Und weil VW schon diverse Affären angehäuft und unter anderem Abgas-Werte manipuliert sowie Betriebsräte geschmiert hat, spukt in manchen Köpfen sogar die Idee einer Stallorder. "Darf Braunschweig überhaupt aufsteigen?", fragte die tendenziell eher industriefreundliche Bild-Zeitung am Dienstag. Sowohl beim Deutschen Fußballbund (DFB), der millionenschwere VW-Sponsorenmittel erhält, als auch bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) wird betont, dass jegliche Interessenkollisionen geprüft und ausgeschlossen worden seien.

Suche nach dem Grund zum Frohsinn

In Wolfsburg wiederum wird gerätselt, was es zu bedeuten hat, dass VW-Manager und VfL-Boss Francisco Javier García Sanz im Seat vorfuhr, als er die VfL-Profis ins Trainingslager verabschiedete. Und dabei erfuhr, dass der Trainer Jonker auf Jakub Błaszczykowski (Adduktorenprobleme), Sebastian Jung (Muskelbeschwerden im Oberschenkel) und Riechedly Bazoer (Knieverletzung) verzichten muss.

Vielleicht wollte Jonker auch wegen dieser Personal-Engpässe nicht darüber philosophieren, ob es angezeigt sei, die Relegation gleich in den ersten 90 oder doch erst nach (mindestens) 180 Minuten zu entscheiden. Der Trainer will den Druck auf seine individuell klar besser besetzte Elf nicht zu groß werden lassen. In den vergangenen Wochen habe der VfL - mit Ausnahme von Nationalstürmer Mario Gomez - zu große Probleme gehabt, Tore zu erzielen, meinte Jonker: "Wir müssen nach zwei Spielen mit unseren Fans zusammen froh sein können. Mit welchem Ergebnis, ist mir komplett egal."

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