VfL Wolfsburg:Freddie Ljungberg - mehr Sex-Appeal für Wolfsburg

Calvin Klein Werbung

Tottenham Court Road in London, 2003: Freddie Ljungberg in Unterhosen. So war das damals.

(Foto: Steve Finn/Getty Images)
  • Beim VfL Wolfsburg interessieren sich neuerdings alle für den Co-Trainer.
  • Freddie Ljungberg gilt als Berühmtheit - weil der Schwede Titel gewann und auch mal für Fotos posierte.
  • Beim VfL will er sich für den Trainerberuf fit machen.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Wenn Gewissenhaftigkeit ein Ausweis für die Ernsthaftigkeit ist, mit der man einen Job verrichtet, wird es schwierig werden, Karl Fredrik Ljungberg etwas nachzusagen. Die Trainingseinheit beim VfL Wolfsburg ist längst vorbei, und auch die anschließende Begehung des weitläufigen Trainingsgeländes des niedersächsischen Bundesligisten mit dem von Chefcoach Andries Jonker angeführten Trainerteam ist beendet, da kehrt Ljungberg noch einmal allein auf den Rasen zurück.

Akribisch misst er eine Fläche auf dem grünen Rasen ab, offenkundig um die nächste Übungseinheit vorzubereiten, erst dann kehrt er zurück in die Kabine. Und natürlich wirkt das alles irreal. Ljungberg, 39, ein Mann von Welt, zumindest in diesem sonderbaren Universum namens Fußball, der zuletzt erklärtermaßen das Leben in der Metropole London genossen hat, weil er dort nicht auffiel, weil so viele Menschen dort leben und leben lassen, stellt nun am Mittellandkanal Hütchen auf und verteilt Leibchen. Als Assistenzcoach bei einem als Plastik-Klub verschrienen Bundesligisten, der mit dem Abstieg kokettiert.

Verkündet wurde die verblüffende Personalie von Jonker persönlich, bei seiner eigenen Vorstellung am Montag als Nachfolger des mindestens glücklosen Valérien Ismaël (neun Niederlagen in 15 Spielen). Oliver Mutschler werde Athletik-Trainer bleiben, und Uwe Speidel, mit dem er beim FC Bayern zusammengearbeitet hatte, solle Assistenztrainer werden, sagte Jonker. "Der andere sagt euch vielleicht ein bisschen mehr: Ich bringe den Freddie Ljungberg mit", fügte er hinzu, und durch den Pressesaal ging so etwas wie ein Raunen.

So kam Ljungberg zu sportlichem Ruhm

Ljungberg? Jener Freddie Ljungberg aus der legendären "Invincibles"-Mannschaft des FC Arsenal, den Unbesiegbaren rund um Dennis Bergkamp, Thierry Henry, Robert Pirès, Patrick Vieira und Jens Lehmann? Dem Team, das 2004 ohne eine einzige Niederlage (26 Siege, zwölf Remis) Meister wurde? Ja, genau der.

Jener sagenhafte Triumph fiel in die Zeit, in der Ljungberg nicht nur einer der besten Kicker war, sondern zu einer der schillerndsten Personen des modernen Fußballs wurde. Grund: Für Reklamefotos hatte er fast alle Hüllen fallen lassen, als Nachfolger des einstigen Rappers und späteren Schauspielers Mark Wahlberg posierte er für die Wäschefirma Calvin Klein als Slip-Model. Die schwül-erotischen Fotos erregten auch die Aufmerksamkeit der nicht gerade fußballaffinen New York Times. Sie wunderte sich im Mai 2004, "dass ein Fußballspieler aus Schweden, der für einen Top-Klub in England spielt, für eine US-Sportswear-Firma auf einer gigantischen Werbetafel auf dem Times Square Unterwäsche vorführen kann".

Jahre später sorgte eine weitere Unterwäsche-Kampagne in Ljungbergs Heimat für einen Eklat. Mochte er noch so sehr als Schwedens Antwort auf die Metrosexuals-Ikone David Beckham (Manchester United) gelten - Stockholms Stadtverwaltung verbot die Exhibition von Werbefotos, auf denen sich Ljungberg lasziv mit einem weiblichen Model räkelte. Das Urteil: "sexistisch".

Gemessen an all dem war es zuletzt still geworden um Ljungberg. Er hat sich rar gemacht. Journalisten, die ihn nach seinem Karriere-Ende 2014 interviewen wollten, harren noch immer einer Antwort auf Anfragen, und auch in Wolfsburg werden die umgehend geäußerten Interviewwünsche aus dem In- und Ausland vorerst nur gestapelt.

"Da hab' ich gesagt: Komm mal vorbei."

Aus der Welt war Ljungberg freilich nicht: Eingeweihte wussten, dass er Trainer werden will, bei seinem Stammverein Halmstads BK in Schweden hospitierte und beim FC Arsenal als Jugendtrainer angeheuert hatte. Unter ebendiesem Jonker, der 2014 von Wolfsburg, wo er zwei Jahre lang als Trainerassistent gearbeitet hatte, als Chef an die Arsenal-Akademie gegangen war. Vor anderthalb Jahren, so Jonker, habe sich dann Ljungberg bei ihm gemeldet: "Kannst du mir helfen? Ich möchte eine Trainerkarriere anfangen. Da hab' ich gesagt: Komm mal vorbei."

Ein halbes Jahr lange habe Ljungberg "jedes Training und jedes Spiel der U16 verfolgt, höchst motiviert", berichtet Jonker. Danach habe Ljungberg um einen Vollzeitjob gebeten. Jonker vertraute ihm die U15 an und holte ihn in den Trainerstab der U19, wohl auch, um sich selbst davon zu überzeugen, dass Ljungberg ernsthafte Absichten verfolgt: "Da habe ich rausgefunden, dass er wirklich interessiert ist an der individuellen Entwicklung der Spieler."

Wer Ljungbergs Vita studiert, kann davon nur mäßig überrascht sein. Er hat sich schon als Spieler nicht nur fürs nackte Kicken, sondern in einem umfassenden Sinn für Fußball interessiert. Legendär sind in Schweden die ideologischen Grabenkämpfe über die richtige Spielweise der Nationalelf, die er sich mit dem heutigen Manchester-United-Stürmer Zlatan Ibrahimovic leistete: Hier der von Arsenals Trainerlegende Arsène Wenger geprägte Ljungberg, dort der José-Mourinho-Jünger Ibrahimovic.

Hier der Versuch, Erfolge über Ästhetik zu erzielen, dort die Maßgabe, das Resultat stehe über allen anderen Erwägungen. "Sie hassen einander", sagt einer, der Ibrahimovic und Ljungberg kennt. Für diese These spricht, dass Ibrahimovic in seiner Autobiografie sich nicht dazu herablässt, Ljungberg beim Namen zu nennen. Er nennt ihn "Primadonna".

Dass Ljungberg meinungsstark ist, hält Jonker für einen Vorzug. Der freundliche und gewinnend wirkende Schwede sei einer, der "die Spieler überzeugt" und ihnen zeigen kann, was verlangt wird. Jonker, 54, war niemals Profi; Ljungberg hat nicht nur bei Halmstads und Arsenal gespielt, sondern auch bei West Ham United, Seattle Sounders, Chicago Fire, Celtic Glasgow, Shimizu S-Pulse in Japan und Mumbai City in Indien. Er war bei zwei Weltmeisterschaften (2002, 2006) und drei Europameisterschaften (2000, 2004, 2008); er holte zwei englische Meistertitel und drei FA Cups. Vor allem scheint er genau die Figur zu sein, die den als kalte Söldner verschrienen Wolfsburger Profis einen emotionalen Schub geben könnte.

Er werde jetzt von seinem Idol trainiert, bekennt ein VfL-Profi. Ob das für die Punkte bürgt, die der Tabellen-14. braucht? Um den mondänen Ljungberg zu halten? Dass der in die zweite deutsche Liga will, darf bezweifelt werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: