VfL Wolfsburg:Ein Mann namens Wagner

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Hoch, höher, drin: Frankfurts Torwart Hradecky streckt sich vergeblich nach dem Kopfball des Wolfsburgers Bruma. (Foto: Jan Huebner/imago)

Trotz des 1:0-Sieges gegen Frankfurt droht Trainer Ismäel die Ablösung. Ein Nachfolger könnte feststehen.

Von David Joram, Wolfsburg

Neuerdings müssen leidenschaftliche Wolfsburger Fußballfans verstärkt auf Nottingham Forest oder Leeds United achten. Das klingt nach Premier League, stimmt aber nicht ganz. Beide Vereine, die zusammen vier englische Meisterschaften und fünf Europapokal-Titel sammelten, kicken in der sogenannten Championship - das hört sich wiederum ein bisschen nach Champions League an, ist davon aber erst recht weit entfernt. Die Championship vereint 24 englische Zweitligavereine. Just dort soll sich der VfL Wolfsburg um einen neuen Trainer bemühen, neuerdings noch intensiver, berichtet der kicker.

Intensiver heißt: Zwischen dem gehandelten Kandidaten David Wagner, Coach von Huddersfield Town, und dem VfL soll enger kommuniziert worden sein. Noch enger als wohl ohnehin schon. Über den genauen Inhalt ist wenig bekannt, als unwahrscheinlich gilt aber, dass Wagner demnächst ein Brexit-Seminar in Wolfsburg abhält. Bekannt geworden ist diese neue Stufe der Intensivierung erst, nachdem die Wolfsburger 1:0 gegen Eintracht Frankfurt gewonnen hatten. Ein Ergebnis, das die Chancen von Trainer Valérien Ismaël auf einen Verbleib beim Bundesligisten eigentlich stärken müsste. Das Gegenteil ist aber offenbar der Fall - wegen Wagner.

Der Klub hofft noch auf eine höhere Ablöse für Julian Draxler

Aktuell steht der 45-Jährige mit Huddersfield auf Platz vier, knapp vor Leeds United. Am zweiten Weihnachtsfeiertag, dem Boxing Day, kommt Nottingham Forest ins John Smith's Stadium nach Huddersfield. Womöglich schaut dann auch ein VfL-Vertreter zu. Wagner stammt aus Frankfurt, aus jener Stadt, gegen die Wolfsburg gerade den ersten Saison-Heimsieg feierte. Jeffrey Brumas Kopfballtor (33. Minute) bringt dem VfL zwar drei Punkte, Ismaël aber vermutlich nichts mehr.

Inwieweit Wagners Laune durch die niedersächsische Debattenlage beeinträchtigt ist, weiß niemand so recht. Um den Gemütszustand von Valérien Ismaël stand es aber schon mal besser. "Das ist einfach nervig. Wenn wir verloren hätten, hätte ich das verstanden", antwortete er auf die Frage nach seiner Zukunft. Niko Kovac, der unterlegene Frankfurter Trainer, meinte sarkastisch: "Valerien, ich würde dich rausschmeißen." Kovac fügte gleich an, das sei natürlich im Scherz gemeint, es solle da nicht zu Missverständnissen kommen. Den Zusatz hätte er sich sparen können.

Nach dieser nun fast beendeten Vorrunde kennen sie sich in Wolfsburg mit Missverständnissen bestens aus. Nur taugte keines dazu, die VfL Wolfsburg Fußball GmbH in eine VfL Spaß GmbH umzuwandeln. Die Moderation dieser krisenhaften Hinrunde hat neben Personal (Trainer Hecking, Manager Allofs) viele Nerven gekostet, weshalb die Fußballverantwortlichen der VW-Tochter VfL genauso denken wie die Fabrikarbeiter im Autowerk: Bloß schnell und unbeschadet in den Weihnachtsurlaub kommen. Der aktuelle sportliche Leiter Olaf Rebbe und VfL-Aufsichtsratschef Francisco Javier Garcia Sanz müssen in dieser Pause aber noch mindestens zwei Personalien klären. Außer dem Trainer Ismaël fokussiert sich ja immer noch vieles auf Julian Draxler. Das heißt im Falle des ehemaligen Schalkers: Es fokussiert sich auf europäische Topklubs.

Dem Onlineportal transfermarkt zufolge wechselt Draxler mit einer Wahrscheinlichkeit von 35 Prozent zum FC Arsenal (Tendenz: fallend). Ebenfalls tendenziell möglich: Paris 31 Prozent (steigend), Juventus 19 Prozent (fallend), FC Bayern 15 Prozent (unverändert). Auch der FC Sevilla ist wohl interessiert. Zu wie viel Prozent stand am Sonntagabend noch nicht fest. Kurzum: Fast jeder europäische Topklub hat Draxler im Visier, Borussia Dortmund vielleicht ausgenommen, tendenziell jedenfalls.

Noch läuft Draxler aber im hellgrünen Leibchen auf. Und in diesem gelang ihm gegen Frankfurt etwas, was ihm in elf Saisonspielen zuvor nicht geglückt war: Er bereitete ein Tor direkt vor. Seinen Eckball erwischte Bruma so tadellos per Kopf, dass sich Eintracht-Torwart Lukas Hradecky vergeblich streckte. Auch sonst rackerte Draxler so, als könne er sich nun - nach der Trennung des von ihm wenig geschätzten Managers Allofs - plötzlich vorstellen, seinen Vertrag bis Juni 2020 zu erfüllen.

Sehr wahrscheinlich ist dieses Szenario aber nicht. Draxler will weiterhin weg, er will aber weiterhin gut entlohnt werden. Ihm ist deshalb daran gelegen, sich abschließend ordentlich zu präsentieren. Und der VfL hat sowieso nichts dagegen, wenn Draxler dem Klub drei weitere Punkte am Dienstagabend in Mönchengladbach beschert - und zusätzlich eine höhere Ablöse. So kurz vor Weihnachten will sich niemand solche zusätzlichen Geschenke entgehen lassen. Zumindest dies würde ein wenig über die stressige Phase hinweghelfen, die derzeit beim VfL Wolfsburg herrscht.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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