VfL Wolfsburg: Diego:Der Eklat von Hoffenheim

Der letzte Spieltag bringt Wolfsburg nicht nur den Klassenerhalt, sondern auch einen handfesten Skandal: Spielmacher Diego verweigert vor dem Spiel gegen Hoffenheim die Arbeit. Am Sonntag trainiert er zwar wieder, doch Trainer Magath droht mit juristischen Konsequenzen.

Jürgen Schmieder

Der VfL Wolfsburg ist in dieser Saison wirklich zu allem fähig - sogar die bedeutungsloseste Trainingseinheit der Saison spannend zu gestalten. Da stand also am Sonntagvormittag nach einer Heimfahrt mit dem Feier-Zug das Jahresabschlussauslaufen auf dem Programm, und alle fragten sich: Was ist mit Diego, diesem Arbeitsverweigerer, der vor dem letzten Saisonspiel gegen Hoffenheim einfach seine Sachen packte, als er von seiner Nichtberücksichtigung für die Startelf erfahren hatte?

VfL Wolfsburg - 1. FC Kaiserslautern

Mannschaftssitzung? Ohne mich. Wolfsburgs Diego.

(Foto: dapd)

Die Antwort: Er tauchte am Trainingsgelände auf, als sei am Vortag nichts geschehen. Doch Trainer Felix Magath erinnerte ihn sogleich wieder dran, als er die Sanktionen für den Spielmacher verkündete: eine Abmahnung und eine Geldstrafe in unbekannter Höhe. "Er hat einen Vertrag und anscheinend gemerkt, dass man Pflichten erfüllen muss", sagte Magath

Am Abend vorher hatte es noch nicht danach ausgesehen, als fände diese Auslaufeinheit mit dem zu Saisonbeginn für 15 Millionen Euro verpflichteten Brasilianer statt. Da herrschten unter den Wolfsburger Verantwortlichen ob Diegos Verhalten Unverständnis und Ratlosigkeit. "Er ist aufgestanden und hat den Raum verlassen, mehr weiß ich auch nicht", sagte Magath noch vor dem Anpfiff. Und Pressesprecher Gerd Voss ergänzte spöttelnd: "Wir wissen nicht, ob er sich noch eine Eintrittskarte gekauft hat."

Nach übereinstimmenden Berichten der Verantwortlichen hatte sich bei der Mannschaftssitzung des VfL Wolfsburg folgende Szene ereignet: Magath verkündete seine Startelf und damit auch seine Entscheidung, anstelle von Diego den Dänen Thomas Kahlenberg spielen lassen - der hatte seit dem 20. Spieltag keine Partie mehr absolviert. Der Brasilianer verließ den Raum, und auf die Frage, ob er den Mittelfeldspieler zur Umkehr habe bewegen sollen, sagte Magath lapidar: "Warum sollte ich?"

Freilich gilt Diego nun als persona nun grata beim VfL Wolfsburg, im Internet-Forum des Vereins schimpfen die User heftig. "Hau' ab", ist dort zu lesen oder auch: "Den würde ich jahrelang auf der Tribüne versauern lassen". Magath sagte: "Dass ein Spieler die Sitzung verlässt, das habe ich noch nicht gesehen", und Magath hat in seinen 453 Spielen als Bundesliga-Trainer gewiss schon einiges gesehen.

"Diese Aktion von Diego vor so einem wichtigen Spiel ist nicht zu entschuldigen. In so einer Situation die Besprechung zu verlassen, das geht gar nicht", sagte Kapitän Marcel Schäfer. Kollege Sascha Riether ergänzte: "Das war natürlich nicht im Sinne der Mannschaft. Wir mussten das auf dem Platz ohne ihn hinkriegen. Aber vielleicht hat uns das auch noch enger zusammengeschweißt."

Zerrüttetes Verhältnis

Diego war in dieser Saison häufiger negativ in Erscheinung getreten, meist ging es um Undiszipliniertheiten. Beim Spiel gegen Hannover im Februar schnappte er sich den Ball und trat zum Elfmeter an, obwohl Patrick Helmes als Schütze vorgesehen war - und verschoss. "Ich bin enttäuscht und wütend", sagte der damalige Trainer Steve McClaren danach, eine Boulevardzeitung nannte den Brasilianer "Diegoist".

Bei einem anderen Spiel zeigte er Schiedsrichter Wolfgang Stark den Vogel, ein anderes Mal trat er gegen den Dortmunder Sebastian Kehl nach. Auch gegen Frankfurt leistete er sich eine Tätlichkeit, für den Tritt gegen Patrik Ochs wurde er jedoch nicht bestraft. Bei all diesen Aktionen stellte sich der Verein stets vor Diego, sein Egoismus wurde als Eigenwilligkeit ausgelegt. Im Gegenteil: Die Verfehlungen Diegos wurden eher McClaren angelastet.

Das Verhältnis zum neuen Trainer Magath galt von Beginn als schwierig, in den vergangenen Wochen entwickelte es sich zu "zerrüttet". Magath kritisierte den sensiblen Brasilianer wiederholt öffentlich, dafür verweigerte Diego seinem Coach nach der Auswechslung gegen Bremen den Handschlag, sondern ließ sich lieber von den Bremer Fans feiern. "Ich wollte mich schnell für das Auslaufen umziehen", sagte Diego danach.

Aus dem Umfeld in Wolfsburg ist zu hören, dass Disziplin-Freund Magath nicht mit dem eigenwilligen Dribbler zurechtkam und trotz der Ankündigung, alle Spieler auch in der zweiten Liga im Kader zu belassen, nicht unbedingt mit Diego plante. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung am Samstag warf er seinen Spielern vor, keine Mannschaft zu sein - und bestätigte indirekt das Interesse, den Spielmacher Zvjezdan Misimovic zurück nach Wolfsburg holen zu wollen. Der Eklat um Diego vor dem letzten Spieltag kam also nicht unbedingt überraschend, sondern war eher eine Eskalation der Entwicklung der vergangenen Wochen.

Nach dem Sieg in Hoffenheim kann Wolfsburg nun für die kommende Bundesliga-Saison planen. Beim Umgang mit Diego gibt es drei Varianten. Der Verein kann versuchen, den Brasilianer zu veräußern, der für 15 Millionen Euro von Juventus Turin gekommen war und dessen Vertrag bis 2014 datiert ist. Es wäre auch möglich, Diego zwei Jahre lang auf der Tribüne schmoren zu lassen oder bei der Amateur-Mannschaft kicken zu lassen - der Verein verfügt über die finanziellen Mittel, dieses Exempel zu statuieren. Die dritte Möglichkeit wäre, dass sich Magath und Diego aussprechen.

Am Samstag nach dem Spiel hatte Magath gesagt: "Wir werden sehen, welche rechtlichen Konsequenzen so etwas hat. Das werden Anwälte entscheiden. Wir werden zusehen, dass wir diese Situation mit Hilfe von Uefa und Fifa richtig lösen. Alles ist denkbar."

Am Sonntag trainierte Diego schon wieder. Der VfL Wolfsburg ist in diesem Jahr ja zu allem fähig - vielleicht sogar dazu, einen solchen Konflikt noch zu lösen.

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