VfL Wolfsburg:Der Veredler

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Wolfsburgs Vorarbeiter in der Fankurve: Yunus Malli feiert seinen Tag als Doppel-Torschütze. (Foto: imago/Hübner)

Nach sieben Unentschieden gelingt Martin Schmidt im achten Ligaspiel als VfL-Trainer beim 3:1 gegen Freiburg der erste Sieg. Impulsgeber und Torschütze ist Yunus Malli, mit dem Schmidt schon in Mainz arbeitete.

Von Jörg Marwedel, Wolfsburg

Die fünfte Jahreszeit ist in Norddeutschland nicht sehr weit verbreitet. In Braunschweig gibt es eine kleine Hochburg, im 36 Kilometer entfernten Wolfsburg eher nicht. Also hat der Faschings-Experte Martin Schmidt, ein Schweizer mit Mainzer Vergangenheit, nach dem 3:1-Sieg seines neuen Arbeitgebers VfL Wolfsburg über den SC Freiburg diagnostiziert: "Es gibt keinen Karneval in der Kabine." Zumindest war eine große Erleichterung festzustellen, denn der letzte Heimsieg hatte sich vor mehr als sieben Monaten ereignet. Es war am 15. April ein 3:0 über den späteren Absteiger FC Ingolstadt. Der VfL hätte nun mit einem achten Remis in Serie den fragwürdigen Bundesligarekord des SV Waldhof aus der Saison 1984/85 eingestellt. Doch nicht nur der Kölner im VfL-Dress, Yannick Gerhardt, war froh, dass sein Klub nicht auf diese Weise ins Guinness-Buch der Rekorde gelangte.

Dass die Karnevals-Fachleute Gerhardt und Yunus Malli (hat mit Schmidt eine Mainzer Geschichte) gemeinsam mit dem Fasnacht-Spezialisten Daniel Didavi aus Baden-Württemberg den Hauptanteil am Sieg an einem "Sahnetag" (Schmidt) hatten, mag Zufall sein. Weniger Zufall ist, dass genau diese Profis plötzlich aufspielen, als würden sie sich an keinem Ort der Welt wohler fühlen als in der VW-Stadt. "Wir können bei allen eine Entwicklung sehen", sagte VfL-Sportchef Olaf Rebbe.

Gerhardt zum Beispiel, ein Linksfuß, beackerte die rechte Offensiv-Seite so, als habe er nie etwas anderes gemacht. Schon in der dritten Minute half ihm zudem ein Zuspiel von Didavi, das er mit großzügiger Unterstützung des Freiburgers Christian Günther zum 1:0 im Tor unterbrachte. Malli wiederum, der mit seiner Spielfreude häufig einen Freiburger nach dem anderen umdribbelte, profitierte beim 2:0 (29.) nicht nur von Didavis Übersicht; Malli war später auch Nutznießer des schönsten Konters der Wolfsburger, der kurz nach Freiburgs Anschlusstreffer durch Bartosz Kapustka (68.) blitzschnell über Mario Gomez und Gerhardt zu Malli lief, der leichtfüßig sein zweites Tor erzielen konnte.

Auf den ersten Blick scheint es mit Malli mal wieder eine jener Geschichten zu werden, in der ein Trainer mit einem Profi ganz besonders gut umgehen kann. Natürlich hat der Deutsch-Türke darauf hingewiesen, dass ihm Schmidt "das nötige Vertrauen" spende und er mit ihm schöne Zeiten schon in Mainz erlebt habe. Das drückt sich auch in der Statistik aus: 22 von Mallis 32 Bundesligatoren sind in der Kombination Malli/Schmidt entstanden, zuerst in Mainz, jetzt in Niedersachsen.

Freiburgs Trainer Streich beklagt, dass er immer wieder an neue Grenzen stoße

Der Coach selbst, der inklusive des Pokalsieges gegen Hannover 96 nun das neunte Spiel ohne Niederlage absolvierte, wies aber auf den wesentlicheren Punkt hin. Er habe die Spielweise geändert. Während Vorgänger Andries Jonker Ballbesitzfußball habe spielen lassen, hat er auf Umschaltfußball umgestellt. So, wie es Malli einst in Mainz gewohnt war, wo er als "Umschalt-Zehner" die Angriffe "veredelt" habe. Es scheint, als passe dieses System besser zur VfL-Mannschaft, in der nun sogar die Spielgestalter Didavi und Malli zusammen harmonieren.

Allerdings wurde die zum Teil ansehnliche Vorführung dadurch begünstigt, dass der Gegner meist das Niveau eines Zweitligisten hatte. SC-Trainer Christian Streich war angesichts der haarsträubenden Abwehraussetzer so bedient, dass er fast nichts mehr sagte. Er stoße immer wieder an Grenzen, teilte er mit. Aber er werde einfach weiterarbeiten, so wie in den vergangenen sechs Jahren. Einen neuen Ansatz habe er nicht, trotz des nun wieder drohenden Abstiegskampfes. Vielleicht, grantelte er, "bin ich ja zu eindimensional". Er könne jedenfalls nichts aus der Schublade ziehen, das schon einmal geholfen habe.

Sportdirektor Jochen Saier lieferte dann die bewährten Freiburger Worte zum Umgang mit dem sportlichen Tief: "Wir müssen stabil und beisammen bleiben." Gelingt das, kann das Kollektiv des Sportclubs vielleicht schon in den Heimspielen gegen Mainz und Hamburg die Wende einleiten.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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