VfB-Trainer:Jürgen Kramny: Von Klopp gefördert und gefeuert

VfB - Jürgen Kramny

Der neue VfB-Trainer: Jürgen Kramny

(Foto: dpa)

Wer ist der Mann, der nun vorübergehend den VfB Stuttgart betreut?

Von Matthias Schmid

Jürgen Kramny war strenggenommen der erste Assistent von Jürgen Klopp. Als Klopp 2001 über Nacht und unverhofft vom rustikalen Verteidiger zum Cheftrainer beim damaligen Zweitligisten 1. FSV Mainz aufstieg, lagen er und sein Teamkollege Kramny gerade nebeneinander in einem Hotelzimmer. "Wir haben dann gleich gemeinsam das Spiel gegen Chemnitz vorbereitet", erinnert sich Mittelfeldspieler Kramny, der anschließend beim 3:1-Sieg geschickt die Bälle verteilte und Struktur und Präzision ins Spiel brachte.

Klopp ist inzwischen Liverpool-Trainer - und auch für Kramny ist nun vieles neu, ungewohnt und aufregend. Doch die mediale Aufmerksamkeit scheint den 44-Jährigen nicht sonderlich zu beeindrucken, er redet bei seiner Vorstellung als Interimstrainer beim VfB Stuttgart mit ruhiger Stimme. Wer ist dieser Schwabe, der bei dem kriselnden Klub am besten schon am Sonntag bei Borussia Dortmund (15.30 Uhr, im SZ-Liveticker) die Wende zum Guten einleiten soll?

Als Klopp am Dienstag von der Beförderung seines ehemaligen Zimmerkollegen erfuhr, tippte der Liverpool-Trainer sogleich eine SMS. "Er hat mir viel Glück gewünscht für das Spiel in Dortmund", erzählt Kramny. Klopp und er kennen sich schon lange. Es waren allerdings nicht immer nur erfreuliche Botschaften, die die beiden austauschten. "Er hat meine Spielerkarriere beendet", sagt Kramny. 2005 war das, Mainz spielte längst in der ersten Liga, als Klopp ihm keine neuen Vertrag anbieten wollte.

Nach einem kurzen Gastspiel bei Darmstadt 98 kehrte Kramny nach Mainz zurück. Diesmal auf ausdrücklichem Wunsch von Klopp. Der gebürtige Ludwigsburger übernahm im Sommer 2006 die A-Junioren des Klubs und stieg drei Jahre später, jetzt als Assistent von Jörn Andersen bei der Profimannschaft, in die erste Liga auf, ehe beide noch vor dem ersten Spieltag gehen mussten.

Ob sich Kramny nun Tipps vom ehemaligen BVB-Cheftrainer für die Partie am Samstag geholt hat, behält er für sich. Er ist selbstbewusst, erfahren und schlau genug, um sich eigenständig auf seine erste Partie als Erstligatrainer vorbereiten zu können. Seit 2011 trainiert er die zweite Mannschaft des VfB in der dritten Liga. Das Team mit vielen jungen Spielern aus der eigenen Jugend spielt einen gefälligen, offensivorientierten Fußball, allerdings fehlen ihr bisweilen die Wucht und die Gerissenheit; wie die erste Mannschaft kämpft die U23 nur gegen den Abstieg.

Für Kramny ist die Übernahme des Profiteams ein unerwarteter Aufstieg. Es hätte schon öfter die Gelegenheit gegeben, ihn zum Cheftrainer zu befördern. Seit er zum VfB zurückgekehrt ist, wo einst seine Karriere als Berufsfußballer begann, haben die Stuttgarter schon häufiger einen neuen Coach gesucht. Doch niemals war Kramnys Name gefallen. Warum ausgerechnet jetzt, nach der Demission von Alexander Zorniger?

Korkut und Favre gelten beim VfB als langfristige Lösungen

Die Antwort hat viel mit Sportvorstand Robin Dutt zu tun, der sich keine weitere Fehlbesetzung mehr leisten darf. Mit der Beförderung Kramnys gewinnt er zumindest Zeit, sich nach einer adäquaten Alternative umsehen zu können. Als aussichtsreichster Kandidat gilt im Moment der ehemalige Hannover-Cheftrainer Tayfun Korkut, der in der Nähe von Stuttgart aufgewachsen ist. Auch Markus Gisdol und Lucien Favre sollen in der näheren Auswahl sein.

Kramny kennt die Umstände und die Planungen des VfB. Er weiß, dass er nur eine "Interimslösung" antritt, wie Dutt sogleich erklärte. Ob das Spiel in Dortmund allerdings für Kramny sein erstes und zugleich letztes in der Bundesliga wird, darauf mochte sich Dutt noch nicht festlegen: "Wir haben uns entschieden, dass wir nicht mit jedem Trainer alles auf den Kopf stellen. Jürgen kennt die Leitplanken. Die Konzeption darf jeder auf seine Weise interpretieren."

Dutt und der Vorstand halten weiter an einer offensiven und aufregenden Grundausrichtung fest, doch anders als unter dem wilden Zorniger wünschen sie sich, dass der neue Trainer mehr Wert auf eine seriöse Abwehrarbeit legt. "Jeder hat gesehen, dass wir Probleme mit der Kompaktheit hatten. Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen, weil das Feld zu breit war", hat Kramny von der Tribüne aus festgestellt. Er will das ändern, ohne aber das ansehnliche Spiel nach vorne einzuschränken.

Jürgen Kramny hofft auf den Schubert-Effekt

Kramny hofft, dass er ebenso erfolgreich starten kann wie es seinem Kollegen André Schubert mit Borussia Mönchengladbach gelungen ist, der die ersten sechs Spiele allesamt gewann. "Das ist natürlich eine Chance für mich", sagt der 44-Jährige. Dutt arbeitet an einer längerfristigen Lösung, wie er sagt. Dass aus der kurzfristigen Lösung mit Kramny eine langfristige Lösung erwachsen kann, schließt er nicht aus. "Es ist eine Zeichen von Wertschätzung, dass wir ihn jetzt mit dieser Aufgabe betraut haben", betont Dutt.

Dass der Spielplan Jürgen Kramny dabei sogleich nach Dortmund führt, könnte sich vielleicht noch als günstige Fügung erweisen. Mit dem Stadion verbindet er nämlich schöne Erinnerungen. "Da habe ich 1992 mit Nürnberg mein erstes Bundesligator geschossen", erzählt er. Am Ende verlor der Club zwar mit 2:4. "Aber", sagt Kramny, "das muss ja nichts heißen." Jürgen Klopp wird seinen Einstand in jedem Fall genau verfolgen.

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